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Inkompetente Führungskräfte stürzten Deutschland in die Krise: „Waren verheerend für die deutsche Wirtschaft“
VonAmy Walker
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Wer trägt die Schuld an der Misere? Oft wird mit dem Finger auf die Hauptstadt und ihre politischen Fehltritte gezeigt. Aber die Spitzenmanager dürfen sich nicht aus der Verantwortung stehlen.
München – Die deutsche Wirtschaft steckt in einer Krise, sie kommt nicht vom Fleck, 2024 soll sie sogar schrumpfen. Das erwarten die großen Wirtschaftsinstitute des Landes. Die Suche nach dem Schuldigen ist auch in vollem Gange, die ersten sind auch schon ausgemacht: Die Ampel-Koalition, die das Land mit ihrer Politik verunsichert, die es nicht geschafft hat, die Energiepreise zu senken, die kein erfolgreiches Konjunkturprogramm aufsetzen konnte.
Doch ganz fair ist das wohl nicht, vor allem auch weil die Unternehmen selbst eine Verantwortung zu tragen haben. Im Gespräch mit IPPEN.MEDIA erklärt Headhunter Kaan Bludau, welchen Anteil deutsche Top-Manager an der Lage haben und welche Eigenschaften sie eigentlich bräuchten, um jetzt erfolgreich aus der Krise zu führen.
Deutsche Manager haben Mitschuld an der Krise: „Das alte Modell funktioniert offenkundig nicht“
Herr Bludau, gerade werden überall im Land Stellen abgebaut, die führenden Wirtschaftsinstitute erwarten jetzt eine steigende Arbeitslosigkeit. Haben Sie als Headhunter trotzdem noch gut zu tun?
Es wird noch eingestellt, wir haben noch viel zu tun. Viele Unternehmen nutzen die wirtschaftliche Krise, um sich von den Leuten zu trennen, die ihnen nichts gebracht haben. Das gehört zum Sanierungsprozess. Vor ein paar Jahren noch wurde alles an Personal einkauft, was nicht bei drei auf dem Baum war. Teilweise wurden auch Kompetenzen eingekauft, die dem geforderten Gehalt überhaupt nicht entsprachen. Das Schlaraffenland ist jetzt aber vorbei. Wir merken, dass Unternehmen natürlich jetzt genauer hinsehen, und das Budget sitzt auch nicht mehr so locker, das ist klar. Aber der Fach- und Führungskräftemangel beschäftigt uns noch.
Sie sagen, Unternehmen schauen jetzt genauer hin, wen sie einstellen. Welche Qualitäten suchen Sie denn, wenn Sie eine Stelle im Top-Management besetzen müssen?
Was Top-Manager auf jeden Fall brauchen, ist Charisma. Also eine Persönlichkeit. Da gibt es auch gute Beispiele, zum Beispiel bei Bayer. Werner Baumann [Vorstandsvorsitzender bei Bayer bis 2023, Anm. d. Red.] konnte die Leute nicht abholen, auch nicht die Share- und Stakeholder. Dann hat Bayer Bill Anderson geholt, ein Amerikaner, der da ein klarer Kontrast ist. Anderson konnte mit seiner starken Rhetorik, Kommunikation, einem guten Auftreten und Charisma punkten und der Firma neuen Glauben schenken. Das ist wichtig, vor allem in Krisenzeiten. Was Manager auch brauchen, ist Mut und Risikobereitschaft. Das ist gerade besonders wichtig in Deutschland. Es muss viel verändert werden in der Wirtschaft und da haben wir in den letzten Jahren geschlafen. Wir brauchen mehr Innovation, mehr Digitalisierung, mehr KI und den Mut, neue Dinge auszuprobieren - und dafür braucht es eine Führungskraft, die diesen Mut ausstrahlt und die bereit ist, Neuland zu betreten beziehungsweise eine gewisse Risikobereitschaft mitbringt.
Mit der Transformation tun sich gerade besonders die traditionellen Schlüsselbranchen der deutschen Wirtschaft schwer. Die Automobilbranche hat zu spät auf Elektromobilität gesetzt - die Folgen sehen wir jetzt zum Beispiel bei Volkswagen.
Anhand der Automobilindustrie können wir gut sehen, wie gravierend Managementfehler sein können. Deren Fehler waren verheerend für die deutsche Wirtschaft. Automobilhersteller haben immer die deutsche Wirtschaft sehr stark geprägt und waren weltweit Vorbildunternehmen. Das ist nicht mehr so und das liegt ganz wesentlich auch an falschem Management. Das sehen wir bei den Elektroautos: Elektro wurde im Prinzip nur bei großen Luxuskarosserien etabliert, aber in der Masse und bei kleinen Autos nicht. Damit wurde ein so zukunftsgerichtetes Thema falsch positioniert. Diese Lücke füllt jetzt China. Das Thema Elektro konnte sich nicht durchsetzen, weil deutsche Unternehmen nicht auf Masse gesetzt haben. Und da kommen wir auf eine weitere sehr wichtige Eigenschaft eines Managers zu sprechen, die Empathie.
Zur Person
Kaan Bludau ist Gründer und Geschäftsführer von BludauPartners Executive Consultants GmbH. Er verantwortet das Kerngeschäft des Executive Search und betreut nationale und internationale Großunternehmen und Konzerne bei der Besetzung von gehobenen und strategisch bedeutenden Top-Managementpositionen, in der Beurteilung von Führungskräften sowie bei der strategischen Neuausrichtung von Unternehmensorganisationen. Besondere Schwerpunkte hat er in den Geschäftsbereichen Retail, E-Commerce sowie Travel, Transport & Logistics als auch die IT.
Kaan Bludau kann auf mehr als 25 Jahre aktive Beratungserfahrung zurückblicken und hat sich in diesem Zeitraum einen Namen als kompetenter Berater und Impulsgeber gemacht.
Was meinen Sie damit?
Erfolgreichen Menschen fehlt es oft an Empathie - nicht für sich selbst und ihre eigenen Interessen, aber es braucht eine Empathie für das große Ganze. Manager neigen ja zu Egozentrik, vielleicht auch ein bisschen Narzissmus. Das ist aber nicht mehr Führung am Puls der Zeit. Nehmen wir wieder das Beispiel Bill Anderson bei Bayer: Der erreicht ganz anders die Belegschaft, indem er viel mehr mit den Leuten spricht und viel nahbarer ist. Als er neu ins Unternehmen gekommen ist, hat er das erste halbe Jahr genutzt, um mit den Menschen zu reden, auch auf unteren Ebenen. Und deutsche Top-Manager sind häufig unnahbar, konservativer, irgendwie kühler.
Frauen gelten ja generell als empathischer als Männer. Würden sich Ihrer Ansicht nach mehr Frauen in so einer Führungsrolle wohlfühlen?
Also ich kann die Besetzung von Top-Stellen mit Frauen nur empfehlen. Frauen sind auch besser organisiert, das ist meine Erfahrung. Natürlich kann einem die Biologie da dazwischen kommen, vor allem in den Jahren zwischen 30 und 40, wenn sie viel Kraft haben und dann doch in Mutterschutz gehen. Männer können nun mal keine Kinder bekommen. Aber wenn Frauen sich auf die berufliche Entwicklung konzentrieren wollen, dann gibt es so einige Frauen, die im Vergleich zu Männern stärker sind.
Frauen gelten aber auch als weniger risikobereit - eine der Qualitäten, die ein guter Manager Ihrer Ansicht nach braucht.
Ich habe das Gefühl, dass viele Frauen sich das nicht so richtig zutrauen. Es fehlt an Selbstbewusstsein und damit geht diese Risikobereitschaft einher. Als Top-Managerin müssen Entscheidungen getroffen werden, Konsequenzen getragen werden, die einem auch mal den Kopf kosten könnten. Frauen wurden aber auch über Jahrzehnte hinweg klein gehalten. Woher soll denn das Selbstbewusstsein und die Sicherheit dann kommen? Gerade wenn es hoch hinausgeht, je höher sie in der Hierarchie gehen, desto stärker sitzen Manager auf einem Schleudersitz. Da kommen die Vorurteile gegen Frauen noch stärker raus. Dann sagt man, da kommt eine Frau, mal schauen, ob die was drauf hat, es wird genauer geschaut. Aber das ist historisch bedingt, daran müssen wir arbeiten, damit sich da mal was verändert.
Sie zeichnen das Bild eines Managers, das wir in Deutschland eigentlich nicht kennen: Nahbar, empathisch, risikofreudig und charismatisch. Muss so ein großer Kulturwandel wirklich sein?
Ja, denn das alte Modell funktioniert offenkundig nicht. Das sieht man allein daran, wie viele Fehler gemacht wurden, die verheerende Folgen für die deutsche Wirtschaft haben. Deutschland ist nicht mehr Vorbild für die Weltwirtschaft. Wir waren ja unheimlich stolz, dass wir immer so innovativ waren. Mittlerweile ist es nicht so, und das hat auch etwas damit zu tun, dass die deutschen Manager sich selbst nicht erneuert haben. Ich möchte es aber nicht nur schlecht reden, es gibt auch gute Beispiele - aber häufiger im Mittelstand als in den Dax-Konzernen. Jürgen Heraeus, der hat sich mit seinen Mitarbeitenden immer in die Kantine gesetzt. Das macht was mit den Leuten. Dax-Vorstände sitzen nicht mit der Belegschaft in der Kantine. Die könnten sie aber ruhig mal eine Scheibe vom Mittelstand abschneiden.