Ampel muss liefern

Autobranche droht der Kahlschlag: Diese Volkswagen-Standorte müssen zittern

  • Amy Walker
    VonAmy Walker
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In der Volkswagen-Krise geht es jetzt ins Eingemachte. Morgen beginnen die Tarifverhandlungen bei VW, derweil wird in der Metall- und Elektroindustrie gestreikt.

München/Osnabrück/Wolfsburg – Die Lage der deutschen Wirtschaft ist gerade generell nicht besonders gut, doch in der Autobranche geht es jetzt um alles. Seitdem am Montag (28. Oktober) bekannt wurde, dass Volkswagen drei Werke in Deutschland schließen will und tausende Stellen abbauen möchte, geht die Angst im Land um. Derweil beginnen am Dienstag (29. Oktober) Warnstreiks der Gewerkschaft IG Metall in der Elektro- und Metallindustrie. Auch das von der Schließung bedrohte VW-Werk in Osnabrück ist von den Streiks erfasst. Beim Hauptkonzern Volkswagen beginnen ab Mittwoch (30. Oktober) die Tarifverhandlungen.

Für die fast 300.000 Beschäftigten des Volkswagen-Konzerns sorgen die Meldungen der Werksschließungen für Verunsicherung. „Niemand von uns kann sich hier noch sicher fühlen!“, sagte die VW-Betriebsratschefin Daniela Cavallo. Alle wollen wissen, welche Standorte am stärksten gefährdet sind und wo ein Aus droht. Die Werke Emden, Osnabrück, Chemnitz und Zwickau gelten schon seit geraumer Zeit als Problemfälle. Ebenfalls unsicher gilt das VW-Werk im hessischen Baunatal. Carsten Büchling, Betriebsratsvorsitzender des Volkswagenwerks Kassel in Baunatal, bestätigte dies vor mehreren tausend Beschäftigten.

Die Aktie von Europas größtem Autobauer Volkswagen ist seit März 2021 um satte 63 Prozent eingebrochen. Mit Bekanntwerden der möglichen Werksschließungen und den angedrohten Verlusten von Arbeitsplätzen ist die Aktie nun nochmals in den Keller gerutscht. Analysten erwarten, dass diese auch in Zukunft nochmal nachgibt – heute sollen nämlich die Quartalsergebnisse von VW bekanntwerden. Bis 2025 will Volkswagen rund zehn Milliarden Euro einsparen und so die Gewinnmarge auf 6,5 Prozent erhöhen (von derzeit 2,3 Prozent).

Im Gespräch mit IPPEN.MEDIA fordert der „Autopapst“ Ferdinand Dudenhöffer ein Ende der Beteiligung des Landes Niedersachsen am VW-Konzern. „20 Prozent Aktienanteil von Niedersachen und 50 Prozent der Stimmen von der IG-Metall im Aufsichtsrat bei VW lähmen das Unternehmen seit Jahren und erlauben es nicht, sich wettbewerbskonform aufzustellen“, sagte der Automobilexperte. „Verpasste Anpassungen in der Vergangenheit machen sich jetzt extrem bemerkbar und erfordern sehr harte Einschnitte. Um VW in die Zukunft zu führen, braucht es ein neues Deutschland und eine neue Unternehmensverfassung bei VW ohne Stimmrechte des Landes Niedersachsen.“

In der Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg hat es mit Ablauf der Friedenspflicht um Mitternacht erste Warnstreiks gegeben. Beim Autobauer Porsche in Stuttgart legten nach Angaben der IG Metall rund 500 Beschäftigte aus der Nachtschicht ihre Arbeit nieder und beteiligten sich an einer Kundgebung. Am Vormittag sind auch die Beschäftigten der Frühschicht bei Porsche in Zuffenhausen zum Warnstreik aufgerufen. Weitere Warnstreiks soll es am Dienstag unter anderem auch bei Bosch in Reutlingen, ZF in Friedrichshafen und Daimler Buses in Neu-Ulm geben.

Auch bei BMW wurde ein Werk durch die Warnstreiks lahmgelegt. „Wir haben eingeheizt. Um 0 Uhr war Schluss mit lustig“, heißt es von der IG Metall Regensburg, wo das betroffene Werk liegt. Im Laufe der Woche finden weitere Warnstreiks statt, am Dienstag (29. Oktober) sind BMW Wackersdorf und Benteler in Schwandorf betroffen. Auch bei Audi in Ingolstadt haben die Auszubildenden protestiert.

Mit Protestaktionen in der Nachtschicht hat die IG Metall eine erste Warnstreikwelle in der deutschen Metall- und Elektroindustrie gestartet. Überschattet werden die Verhandlungen, die an diesem Dienstag in dritter Runde fortgesetzt werden sollen, von den drastischen Sparplänen beim Autobauer VW.

Demonstriert wird unter anderem bei Thyssenkrupp Rasselstein in Andernach, Federal-Mogul in Wiesbaden und Norma in Hanau. Laut Marcus Eulenbach, Sprecher der IG Metall Neuwied, sei die Protestaktion in Andernach als Auftakt des Warnstreiks gelungen. Die Beschäftigten seien dem Aufruf gefolgt, die Arbeit mit Ende der Friedenspflicht um 0:01 Uhr für eine Stunde niederzulegen. Ein Schwerpunkt im Saarland ist das Saarbrücker Werk des Zulieferers ZF, in dem Stellen gestrichen werden sollen.

Überschattet werden die anstehenden Tarifverhandlungen von den drastischen Sparplänen beim Autobauer VW.

Die neue IG-Metall-Tarifvorständin Nadine Boguslawski sprach in der Nacht zu Beschäftigten des VW-Werks in Osnabrück, wo ebenfalls eine nächtliche Protestaktion stattfand. Nach Angaben des Betriebsrats plant der Konzern-Vorstand deutschlandweit Werksschließungen, Massenentlassungen und Lohnkürzungen. Das von der Schließung bedrohte Ex-Karmann-Werk mit rund 2.500 Beschäftigten fällt nicht unter den VW-Haustarifvertrag, in dem noch bis Ende November Friedenspflicht herrscht.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) fordert eine Entscheidung über mögliche Konjunkturmaßnahmen vor der Verabschiedung des Bundeshaushalts in einem Monat. Die „Unsicherheit hinsichtlich der Rahmenbedingungen“ für Investitionen sei „zu einer Belastung geworden“, sagte Lindner am Montagabend in der TV-Sendung „RTL Direkt“. „Deshalb bin ich dafür, sie jetzt schnellstmöglich auch zu überwinden. Da wir ja Anfang/Mitte November mit Blick auf den Bundeshaushalt ohnehin Entscheidungen treffen müssen, ist genau jetzt der richtige Zeitpunkt.“

Lindner ermahnte die Regierung zum Handeln. Die Probleme seien „so groß und drängend, auch die Bürgerinnen und Bürger haben so große Erwartungen“, sagte er. „Wir sehen bei VW die Entwicklung und eben auch in der Breite eine Entwicklung. Und jetzt ist ein neuer Anfang für unser Land erforderlich.“

Die Verabschiedung des Bundeshaushalts für 2025 im Bundestag ist bislang für den 29. November vorgesehen. FDP-Chef Lindner hat für Dienstagvormittag Wirtschaftsvertreter zu Gesprächen eingeladen. Er tat dies, nachdem Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) Industrieverbände und Gewerkschaften für Dienstagnachmittag ins Kanzleramt eingeladen hatte. Lindner hatte beklagt, in die Planungen für das Scholz-Treffen nicht einbezogen worden zu sein.

Rubriklistenbild: © Julian Stratenschulte/dpa

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