Streit um Wirtschaftspolitik

„Gipfel-Ping-Pong“ zur Wirtschaftspolitik: Die Ampel ringt um eine letzte Chance für die Wirtschaft

  • VonKatharina Bews
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Scholz und Lindner planen separate Wirtschaftsversammlungen, während Habeck Investitionsvorschläge präsentiert. Inmitten dieser Unordnung nimmt die Kritik an den Koalitionsleitern zu. Befindet sich die Regierung vor ihrer „letzten Chance“?

Berlin – Es brodelt innerhalb der Ampel-Koalition: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) lädt am Dienstagnachmittag zu einem Industriegipfel ins Kanzleramt ein, während FDP-Fraktionschef Christian Lindner am selben Tag ein eigenes Treffen mit Wirtschaftsvertretern organisiert. Gleichzeitig stellt Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) Pläne für eine erhöhte Investitionsbereitschaft in Deutschland vor, die besonders in der FDP auf Widerstand stoßen. Politiker aus den Ampelparteien und der Opposition kritisieren das Verhalten der Ampel-Führung als „Kindergartenspiele“ oder „Gipfel-Ping-Pong“. Andere sehen die Gipfeltreffen hingegen als „letzte Chance“ für die deutsche Wirtschaft und die Ampel-Koalition.

„Kindergartenspiele“ der Ampel-Führung: Droht in der kommenden Woche die Eskalation?

„In den vergangenen Tagen nahm zwischen Berlin, Neu-Delhi und Washington ein bizarrer Streit um das richtige wirtschaftspolitische Konzept seinen Lauf, der auf eine Konfrontation in dieser Woche zuläuft.“ schreibt die FAZ in einem Bericht am Montag. Gemeint sind die wachsenden Unstimmigkeiten innerhalb der Ampel-Führung und die Praxis der vergangenen Tage, Pläne ohne vorherige Absprache zu verkünden, die die politische Stimmung besonders in den letzten Tagen kippen ließen.

Unstimmigkeiten um die wirtschaftspolitische Lage in Deutschland: Habeck, Scholz und Lindner haben jeweils ihre eigenen Pläne.

So lud Scholz für den Dienstagnachmittag, am 29. November, Gewerkschaften und ausgewählte Wirtschaftsvertreter zu einem Industriegipfel ins Kanzleramt ein – jedoch ohne Finanzminister Lindner und Wirtschaftsminister Habeck, wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) berichtet. Daraufhin plant Lindner am selben Dienstag ein eigenes Treffen der FDP-Fraktion mit Wirtschaftsvertretern. Und Habeck brachte nach Scholz‘ Ankündigung erneut die Idee eines schuldenfinanzierten „Deutschlandfonds“ ins Spiel, einem Sondervermögen, der verstärkt Investitionen in Deutschland fördern soll.

Oppositionsführer der CDU Friedrich Merz spricht in diesem Kontext in der ARD von „Kindergartenspiele“. „Dass der Bundeskanzler in einer Regierungserklärung einen solchen Industriegipfel ankündigt, ohne vorher den Wirtschaftsminister und den Finanzminister einbezogen zu haben in die Vorbereitung eines solchen Gipfels, ist für sich genommen ein Vorgang, der bezeichnend ist für den Zustand der Bundesregierung“, erklärt er. Für Merz steht die Ampel-Koalition bereits am Ende, „eindrucksvoll bestätigt“ werden, würde das in den nächsten Tagen durch die geplanten Wirtschaftsgipfel.

SPD und Grüne machen auf Ernst der Lage aufmerksam und drängen zu einem Ende des „Fingerhakeln“

In Anbetracht des Ampel-Dramas sprechen sich mehrere Politiker für für eine bessere Zusammenarbeit innerhalb der Koalition aus. Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch fordert in der Bild dazu auf, sich nun auf das Notwendige zu fokussieren. „Die Zeiten sind zu ernst für Gipfel-Ping-Pong“, erläutert er.

Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) drängt nach den deutsch-indischen Regierungskonsultationen am Wochenende zu mehr konkreten Maßnahmen von Seiten der Regierung. „Wir sind nicht dazu da, uns bis zur Bundestagswahl im Herbst nächsten Jahres nur zu unterhalten“, kritisiert Heil, „unser Job ist es, Probleme zu lösen, und nicht Fingerhakeln.“

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Rolf Mützenich übt scharfe Kritik an Christian Lindner. In der Rhein-Neckar Zeitung fordert er: „Der Finanzminister sollte sich auf sein Ressort konzentrieren und nicht versuchen, mit einer eigenen Veranstaltung die Arbeit des Kanzlers zu torpedieren.“

„Letzte Chance“ für Ampel, die deutsche Wirtschaft zu wenden

Marie-Christine Ostermann, Präsidentin des Familienunternehmer-Verbandes, interpretiert die beiden geplanten Wirtschaftsgipfel vor allem als Signal an Robert Habeck, der als Wirtschaftsminister an keinem der Treffen teilnimmt. „Dass es zwei wichtige Wirtschaftsgipfel am selben Tag gibt, macht mehrere Dinge deutlich: Es sind nur noch der Kanzler und der Finanzminister, die sich um die miserable wirtschaftliche Lage kümmern“, sagte sie zur Nachrichtenagentur Reuters am Sonntag. Die beiden Wirtschaftsgipfel sieht sie als „letzte Chance“ für die Ampel-Koalition, die wirtschaftspolitische Lage im Land noch zu wenden, sollte dies nicht gelingen, müsse die Ampel ihre Arbeit laut ihr sofort beenden.

Habeck verkündet währenddessen Vorschläge zum Antrieb der Wirtschaft, die in der FDP auf harte Fronten stoßen. Er kündigt an, einen Steuerzuschuss von zehn Prozent auf alle Investitionen in Deutschland einführen zu wollen, um laufende Projekte, die derzeit auf Eis liegen, wieder anzustoßen. Lindner kritisiert jedoch die hohe Summe, die das den Bund kosten würde, und stellt einen positiven Effekt infrage. Er verweist auf das Beispiel von Intel: Trotz der Erhöhung staatlicher Subventionen auf nahezu zehn Milliarden Euro für die geplante Chipfabrik in Magdeburg hat Intel den Baubeginn dennoch um zwei Jahre verschoben.

Weiterer Streit um Bundeshaushalt steht Mitte November bevor

Ebenfalls herrscht Uneinigkeit über den Mindestlohn: Während Scholz eine Erhöhung auf 14 Euro pro Stunde fordert, der aktuell bei 12,41 Euro liegt, weist Lindner diese Idee kategorisch zurück. Auch das immer wieder umstrittene Thema des Bundeshaushalts 2025 bleibt ungelöst. Laut dpa hat Lindner deutlich gemacht, dass zusätzliches Sparen notwendig sei. Im Etatentwurf fehlen jedoch weiterhin mehrere Milliarden Euro, und die Lücke muss in der Sitzung am 14. November geschlossen werden. Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) drängt in der ARD-Sendung „Bericht aus Berlin“: „Ich hoffe, dass man sich jetzt zusammenrauft. Ich erwarte es ehrlich gesagt auch.“

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