US-Wahl

Donald Trump oder Kamala Harris: Für China eine Wahl zwischen zwei Übeln

  • Sven Hauberg
    VonSven Hauberg
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Ob Handelskrieg oder Taiwan-Konflikt: Gegenüber China treten Harris und Trump hart auf. Unabhängig vom Wahlgewinner sieht sich Peking aber bereits als Sieger.

In europäischen Hauptstädten wächst wenige Tage vor der US-Wahl die Sorge vor einer Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus. Spitzenpolitiker in Deutschland und anderswo machen keinen Hehl daraus, dass sie auf einen Sieg von Trumps Konkurrentin Kamala Harris hoffen, sich aber auch auf den Worst Case vorbereiten. China hingegen gibt sich gelassen. „Die Präsidentschaftswahlen sind eine Angelegenheit der Vereinigten Staaten. Wir haben dazu keinen Kommentar abzugeben“, erklärte vor ein paar Wochen eine Sprecherin des Außenministeriums in Peking. Und schob dann hinterher: „Allerdings sind wir dagegen, China zu einem Thema bei der US-Wahl zu machen.“

Es ging um vieles im US-Wahlkampf der vergangenen Wochen, um Einwanderung, Inflation, den Krieg in der Ukraine und die Krise im Nahen Osten. Um China ging es eher selten, und das, obwohl die Konfrontation zwischen Washington und Peking nach Einschätzung vieler Experten das 21. Jahrhundert wie kein anderes Thema bestimmen wird. Immer wieder beklagt auch Chinas Staats- und Parteichef, die USA wollten sein Land eindämmen. Ganz so gelassen, wie Peking sich derzeit gibt, ist man im Regierungsviertel Zhongnanhai wohl doch nicht.

Chinas Staats- und Parteichef: So stieg Xi Jinping zum mächtigsten Mann der Welt auf

Chinas heutiger Staatschef Xi Jinping (2. von links) mit anderen Jugendlichen im Mao-Anzug
Xi Jinping wurde am 15. Juni 1953 in Peking geboren. Als Sohn eines Vize-Ministerpräsidenten wuchs er sehr privilegiert auf. Doch in der Kulturrevolution wurde er wie alle Jugendlichen zur Landarbeit aufs Dorf geschickt. Das Foto zeigt ihn (zweiter von links) 1973 mit anderen jungen Männer in Yanchuan in der nordwestlichen Provinz Shaanxi. Dort soll Xi zeitweise wie die Einheimischen in einer Wohnhöhle gelebt haben. © imago stock&people
Xi Jinping steht vor der Golden Gate Bridge in San Francisco
Xi Jinping 1985 vor der Golden Gate Bridge in San Francisco: Damals war er als junger Parteichef des Landkreises Zhengding in der nordchinesischen Agrarprovinz Hebei Delegationsleiter einer landwirtschaftlichen Studienreise nach Muscatine im US-Bundesstaat Iowa. Dort nahm die Gruppe nach offiziellen Berichten „jeden Aspekt der modernen Landwirtschaft unter die Lupe“. Anschließend reiste Xi weiter nach Kalifornien. Es war sein erster USA-Besuch. © imago stock&people
Xi Jingping und Peng Liyuan
Zweites Eheglück: Xi Jinping und seine heutige Ehefrau, die Sängerin Peng Liyuan, Anfang 1989. Zu dieser Zeit war Xi Vizebürgermeister der ostchinesischen Hafenstadt Xiamen. Die beiden haben eine gemeinsame Tochter. Xis erste Ehe war nach nur drei Jahren an unterschiedlichen Lebenszielen gescheitert. Seine erste Frau, die Diplomatentochter Ke Lingling, zog in den 1980er-Jahren nach Großbritannien. © imago
Xi Jinping gräbt mit Parteikollegen an einem Damm zur Verstärkung eines Deiches in Fujian
Aufstieg über die wirtschaftlich boomenden Küstenregionen: 1995 war Xi Jinping bereits stellvertretender Parteichef der Taiwan gegenüberliegenden Provinz Fujian – und noch ganz volksnah. Im Dezember 1995 arbeitet er mit an der Verstärkung eines Deiches am Minjiang-Fluss. © Imago/Xinhua
Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigt Chinas Vizepräsident Xi Jinping das Regierungsviertel in Berlin
Vizepräsident Xi Jinping 2009 im Kanzleramt bei Angela Merkel: Die deutsch-chinesischen Beziehungen waren unter Merkel relativ eng und von wirtschaftlicher Zusammenarbeit geprägt. Merkel und Xi reisten aus Berlin weiter nach Frankfurt, um die dortige Buchmesse zu eröffnen. China war als Ehrengast geladen. © GUIDO BERGMANN/Pool/Bundesregierung/AFP
Die Vizepräsidenten Xi Jinping aus China und Joe Biden aus den USA halten T-Shirts mit einer Freundschaftsbekundung in die Kamera
Ein Bild aus besseren Zeiten: Aus ihrer jeweiligen Zeit als Vizepräsidenten kamen Joe Biden und Xi Jinping mehrmals zusammen. Im Februar 2012 demonstrierten sie bei einer Reise Xis nach Los Angeles in einer Schule „guten Willen“ zur Freundschaft mit T-Shirts, die ihnen die Schüler überreicht hatten. Damals fehlten Xi nur noch wenige Monate, um ganz an die Spitze der Kommunistischen Partei aufzusteigen. © FREDERIC J. BROWN/AFP
Ein alter Mann in Shanghai schaut auf Xi bei seiner ersten Rede als Parteichef im Fernseher.
Xi Jinping hat es geschafft: Zum Ende des 18. Parteitags am 15. November 2012 wurde Xi als neuer Generalsekretär der Kommunisten präsentiert – und ganz China schaute zu. Xi gelobte in seiner ersten kurzen Rede als Parteichef, die Korruption zu bekämpfen und ein „besseres Leben“ für die damals 1,3 Milliarden Menschen des Landes aufzubauen.  © PETER PARKS/AFP
Der neue Staatschef Xi Jinping geht hinter seinem Vorgänger Hu Jintao zu seinem Platz in der Großen Halle des Volkes in Peking.
Übernahme auch des obersten Staatsamtes: Xi Jinping wurde auf dem Nationalen Volkskongress im März 2013 Präsident und schloß damit den Übergang von seinem Vorgänger Hu Jintao (vorn im Bild) zur Xi-Ära ab. © GOH CHAI HIN/AFP
Chinas Präsident und seine Ehefrau Peng Liyuan gehen über den Flughafen Orly in Paris.
Xi Jinpings Ehefrau Peng Liyuan ist die erste First Lady Chinas, die auch öffentlich in Erscheinung tritt. Hier kommt das Ehepaar zu einem Staatsbesuch in Frankreich an. Die Gattinnen von Xis Vorgängern hatten sich nie ins Rampenlicht gedrängt. Vielleicht auch, weil Maos politisch aktive dritte Ehefrau Jiang Qing nach dem Tod des „Großen Vorsitzenden“ als Radikale verurteilt worden war. © YOAN VALAT/Pool/AFP
Funktionäre der Kommunistischen Partei Chinas auf dem Weg zum Parteitag in Peking
So sehen KP-Funktionäre aus: Delegierte des 19. Parteitags auf dem Weg zur Großen Halle des Volkes in Peking im Oktober 2017. Auf diesem Parteitag gelang es dem Staats- und Parteichef, seine „Xi Jinping-Gedanken zum Sozialismus Chinesischer Prägung in der Neuen Ära“ in die Parteiverfassung aufzunehmen. Er war der erste nach Mao, der zu Lebzeiten in der Verfassung eine Theorie mit seinem Namen platzieren konnte. Einen Kronprinzen präsentierte Xi auf dem Parteitag nicht – entgegen den normalen Gepflogenheiten. © GREG BAKER/AFP
Xi Jinping nimmt in einer Staatslimousine „Rote Fahne“ die Parade zum 70. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik China ab.
70 Jahre Volksrepublik China: Staatschef Xi Jinping nahm 2019 in einer offenen Staatslimousine Marke „Rote Fahne“ die Militärparade in Peking zum Jahrestag der Staatsgründung ab. © GREG BAKER/AFP
Wirtschaftsforum in Wladiwostok
Xi Jinping pflegt eine offene Freundschaft zu Russlands Präsidenten Wladimir Putin – bis heute, trotz des russischen Angriffskrieges in der Ukraine. Putin und Xi teilen die Abneigung gegen die von den USA dominierte Weltordnung. Hier stoßen sie 2018 bei einem gemeinsamen Essen auf dem Wirtschaftsforum von Wladiwostok, auf dem sich Russland als Handelspartner und Investitionsziel im asiatischen Raum präsentierte, miteinander an. © Sergei Bobylev/POOL TASS Host Photo Agency/dpa
Xi Jinping besucht im weißen Kittel ein Labor und lässt sich die Impfstoffentwicklung erklären
Ende 2019 brach in China die Corona-Pandemie aus. Im April 2020 informierte sich Xi Jinping in einem Labor in Peking über die Fortschritte bei der Impfstoffentwicklung. Xi ist bis heute überzeugt, dass China die Pandemie besser im Griff hat als der Rest der Welt. Seine Null-Covid-Politik beendet er nicht, wohl auch wegen der viel zu niedrigen Impfquote unter alten Menschen. © Ding Haitao/Imago/Xinhua
Xi Jinpings Konterfei lächelt von einem Teller mit rotem Hintergrund
Auf dem 20. Parteitag im Oktober 2022 ließ sich Xi Jinping zum dritten Mal zum Generalsekretär der Kommunisten ernennen. Damit ist er der mächtigste Parteichef seit Mao Zedong. © Artur Widak/Imago

US-Wahl: „Wahl zwischen zwei Schüsseln Gift“

Anfang des Jahres, als es noch nach einem Duell zwischen Donald Trump und Amtsinhaber Joe Biden aussah, verglich der Shanghaier Politikprofessor Zhao Minghao die Abstimmung mit der „Wahl zwischen zwei Schüsseln Gift“. Ob Republikaner oder Demokraten – aus chinesischer Sicht ein und dasselbe Übel. Denn Trump hatte einst den Handelskrieg gegen China losgetreten, den Biden seinerzeit zwar heftig kritisierte – als Präsident dann aber noch härter als zuvor weiterführte. Biden verhängte 100-Prozent-Zölle auf chinesische E-Autos und verbot den Export hoch entwickelter Mikrochips nach China. Sollte Harris im Januar ins Weiße Haus einziehen, dürfte sie diese Politik weiterführen. Und das, obwohl die Zölle Waren aus China verteuern und so die Inflation vorantreiben. Harris hatte eigentlich versprochen, die Teuerung zu stoppen.

Donald Trump hingegen hat im Sommer Zölle von zehn bis 20 Prozent auf alle Importe in die USA angekündigt, mit massiven Aufschlägen für Waren aus der Volksrepublik. Aus chinesischer Sicht spricht dennoch für den Republikaner, dass sich mit dem selbsternannten Dealmaker leichter verhandeln ließe. Der erratische Trump, so das Kalkül, ließe sich mit gut klingenden Versprechungen leichter um den Finger wickeln als Harris. Zumal ein erneuter Präsident Trump international ziemlich isoliert dastünde, während Harris – wie Biden – auf das weitverzweigte Bündnissystem der USA setzen würde.

Donald Trump und Xi Jinping 2017 in Peking.

Harris hat kaum China-Erfahrung

Was Harris freilich fehlt, ist China-Erfahrung. Soweit öffentlich bekannt, traf sie nur einmal kurz mit Xi Jinping zusammen. Und das ist mittlerweile fast ein Jahr her. Lediglich ihr „Running Mate“ Tim Walz kennt das Land gut. Joe Biden hingegen hat eigenen Angaben zufolge seit seiner Zeit als Vizepräsident 90 Stunden mit Xi verbracht, „mehr Zeit als jedes andere Staatsoberhaupt der Welt“. Und auch Trump brüstete sich unlängst in einem Interview mit dem Wall Street Journal damit, er habe eine „gute Beziehung“ zu Xi Jinping.

In demselben Interview erklärte Trump auch, Xi Jinping werde es nicht wagen, Taiwan anzugreifen, sollte er erneut Präsident werden. Als Drohkulisse brachte er China-Zölle von bis zu 200 Prozent ins Spiel. Ein militärisches Eingreifen, so Trump, sei nicht notwendig, denn: „Das müsste ich nicht, weil er mich respektiert und weiß, dass ich verrückt bin“, sagte er über Xi Jinping. Noch vor ein paar Monaten allerdings hatte Trump gefordert, Taiwan solle für die Verteidigungswaffen, die es aus den USA erhält, zahlen – was der Inselstaat freilich immer schon tut. Ohnehin scheint Taiwan für Trump eher lästig. Das Land habe den USA ihre Chip-Industrie geklaut, behauptet er etwa.

Ausschreitungen nach der US-Wahl würden China in die Hände spielen

Ganz anders klingt da Harris: „Taiwan ist eine lebendige Demokratie, die zum globalen Wohl beiträgt“, sagte die Vizepräsidentin vor zwei Jahren. Zudem würde sie ihre gesamte Asien-Politik wohl mit den Verbündeten der USA in der Region und im Rest der Welt abstimmen, anders als der Egomane Trump. Sie werde dafür sorgen, dass „Amerika und nicht China den Wettbewerb des 21. Jahrhunderts gewinnt“, sagte Harris im Wahlkampf.

Aus chinesischer Sicht aber steht die Volksrepublik ohnehin schon als Sieger da. Denn auch vielen Chinesen hat der Wahlkampf der letzten Wochen noch einmal vor Augen geführt, wie gespalten die USA wirklich sind. Sollte es nach dem 5. November und einer Niederlage Trumps zu Ausschreitungen kommen: Die Erzählung, die Chinas Staatsmedien unermüdlich verbreiten – dass die USA ein zerfallendes Land sind, das in Gewalt und Drogenrausch versinkt – bekäme neue Nahrung. Oder in den Worten von Xi Jinping: „Der Osten ist im Aufschwung, der Westen im Niedergang begriffen.“

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