US-Wahl

„Führungsrolle einnehmen“: Was Kamala Harris im Umgang mit China anders machen will als Trump

  • Sven Hauberg
    VonSven Hauberg
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Sollte sie US-Präsidentin werden, wird sie sich Kamala Harris auch an ihrer China-Politik messen lassen müssen. An ihrer Seite hat sie einen Vize, der das Land hervorragend kennt.

Kamala Harris weiß, wie leicht man Peking verärgern kann. Im Januar 2022 reiste die US-Vizepräsidentin nach Honduras, zur Amsteinführung des neuen Präsidenten des mittelamerikanischen Landes. Ebenfalls nach Honduras gekommen war Lai Ching-te, seinerzeit Vizepräsident von Taiwan, heute Präsident des Inselstaats. Ein paar Sätze nur tauschten Harris und Lai damals aus, ein paar Fotos der beiden wurden geschossen – Grund genug für China, Harris ein „Spiel mit dem Feuer“ vorzuwerfen. Peking betrachtet Taiwan als Teil des eigenen Staatsgebiets und versucht, den demokratisch regierten Staat international zu isolieren.

Sollte Kamala Harris im November bei der US-Wahl zur Nachfolgerin von Joe Biden gewählt werden, dann dürfte sie außenpolitisch zunächst mit dem Krieg in der Ukraine und der Krise in Nahost beschäftigt sein. Auf lange Sicht aber wird das Verhältnis zu China ihre Präsidentschaft bestimmen. Denn in Washington glaubt man über Parteigrenzen hinweg, dass die Volksrepublik der größte Rivale der USA ist – wirtschaftlich und geopolitisch. Und auch in Peking betrachtet man die USA als die wichtigste Herausforderung der kommenden Jahrzehnte, Staatschef Xi Jinping wirft den Amerikanern vor, eine „eine umfassende Eindämmung und Unterdrückung Chinas“ zu betreiben. Vor allem die Strafzölle, die zunächst Trump und später auch Biden auf China-Importe erlassen haben, tun den Chinesen weh.

Im November 2022 trafen sich Kamala Harris und Xi Jinping in Bangkok.

Mit Chinas Staatschef ist Kamala Harris nur einmal zusammengetroffen

Kamala Halisi, wie man sie in China nennt, hatte sich in der Vergangenheit zwar mehrfach gegen eine protektionistische Handelspolitik ausgesprochen. Ihr Argument: Zölle auf Waren aus China würden importierte Güter für US-Konsumenten verteuern. Das war allerdings, bevor sie Vizepräsidenten wurde. Von Bidens China-Kurs in Handelsfragen dürfte sie nun kaum abweichen – Härte China gegenüber bringt Wählerstimmen, über alle politischen Lager hinweg. Zumal Trump bereits angekündigt hat, im Falle eines Wahlsiegs mit Strafzöllen nachlegen zu wollen. Einer Umfrage von Ende April zufolge betrachtet rund jeder zweite Amerikaner China als größte außenpolitische Herausforderung für die USA, da dürfte sich Harris kaum als Anwältin chinesischer Wirtschaftsinteressen profilieren.

Mit Staatschef Xi Jinping ist Harris bislang, soweit bekannt, nur einmal zusammengetroffen: im November 2022, am Rande eines Gipfels der Asiatisch-Pazifische Wirtschaftsgemeinschaft in Bangkok. Äußerungen von ihr zu China sind kaum überliefert – in ihrer Zeit als Vizepräsidentin und zuvor als Senatorin befasste sich die heute 59-Jährige vor allem mit innenpolitischen Fragen. Weil die Beziehungen zwischen Peking und Washington heute aber kaum besser sind als zu düstersten Trump-Zeiten, wird sie Stellung beziehen müssen.

Etwa zu Taiwan. Die USA würden den Inselstaat weiterhin unterstützen, erklärte Harris im Sommer 2022, denn: „Taiwan ist eine lebendige Demokratie, die zum globalen Wohl beiträgt.“ Ganz anders klingt da Donald Trump, der unlängst in einem Interview von Taiwan gefordert hatte, mehr für seine Verteidigung zu zahlen – sonst würden die USA, so klang an, das Land fallen lassen. Peking dürften solche Äußerungen freuen, in den USA aber macht sich Trump mit dieser Zahl-oder-stirb-Mentalität auch bei den meisten Republikanern keine Freunde.

China und Taiwan: Darum geht es in dem Konflikt

Taiwans F-16-Kampfjet (links) überwacht einen der beiden chinesischen H-6-Bomber, die den Bashi-Kanal südlich von Taiwan und die Miyako-Straße in der Nähe der japanischen Insel Okinawa überflogen.
Seit Jahrzehnten schon schwelt der Taiwan-Konflikt. Noch bleibt es bei Provokationen der Volksrepublik China; eines Tages aber könnte Peking Ernst machen und in Taiwan einmarschieren. Denn die chinesische Regierung hält die demokratisch regierte Insel für eine „abtrünnige Provinz“ und droht mit einer gewaltsamen „Wiedervereinigung“. Die Hintergründe des Konflikts reichen zurück bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. © Taiwan Ministry of Defence/AFP
Chinas letzter Kaiser Puyi
Im Jahr 1911 zerbricht das viele Jahrtausende alte chinesische Kaiserreich. Der letzte Kaiser Puyi (Bild) wird abgesetzt, die Xinhai-Revolution verändert China für immer. Doch der Weg in die Moderne ist steinig. Die Jahre nach der Republikgründung waren von Wirren und internen Konflikten geprägt.  © Imago
Porträt von Sun Yatsen auf dem Tiananmen-Platz in Peking
Im Jahr 1912 gründet Sun Yat-sen (Bild) die Republik China. Es folgen Jahre des Konflikts. 1921 gründeten Aktivisten in Shanghai die Kommunistische Partei, die zum erbitterten Gegner der Nationalisten (Guomindang) Suns wird. Unter seinem Nachfolger Chiang Kai-shek kommt es zum Bürgerkrieg mit den Kommunisten. Erst der Einmarsch Japans in China ab 1937 setzt den Kämpfen ein vorübergehendes Ende. © Imago
Mao Zedong ruft die Volksrepublik China aus
Nach Ende des Zweiten Weltkriegs und der Kapitulation Japans flammt der Bürgerkrieg wieder auf. Aus diesem gehen 1949 die Kommunisten als Sieger hervor. Mao Zedong ruft am 1. Oktober in Peking die Volksrepublik China aus (Bild).  © Imago Images
Chiang Kai-shek
Verlierer des Bürgerkriegs sind die Nationalisten um General Chiang Kai-shek (Bild). Sie fliehen 1949 auf die Insel Taiwan. Diese war von 1895 bis 1945 japanische Kolonie und nach der Niederlage der Japaner an China zurückgegeben worden. Auf Taiwan lebt seitdem die 1912 gegründete Republik China weiter. Viele Jahre lang träumt Chiang davon, das kommunistisch regierte Festland zurückzuerobern – während er zu Hause in Taiwan mit eiserner Hand als Diktator regiert. © Imago
Richard Nixon und Zhou Enlai 1972
Nach 1949 gibt es zwei Chinas: die 1949 gegründete Volksrepublik China und die Republik China auf Taiwan, die 1912 gegründet wurde. Über Jahre gilt die taiwanische Regierung als legitime Vertreterin Chinas. Doch in den 70er-Jahren wenden sich immer mehr Staaten von Taiwan ab und erkennen die kommunistische Volksrepublik offiziell an. 1972 verliert Taiwan auch seinen Sitz in den Vereinten Nationen, und Peking übernimmt. Auch die USA brechen mit Taiwan und erkennen 1979 – sieben Jahre nach Richard Nixons legendärem Peking-Besuch (Bild) – die Regierung in Peking an. Gleichzeitig verpflichten sie sich, Taiwan mit Waffenlieferungen zu unterstützen. © Imago/UIG
Chiang Ching-Kuo in Taipeh
Im Jahr 1975 stirbt Taiwans Dikator Chiang Kai-shek. Neuer Präsident wird drei Jahre später dessen Sohn Chiang Ching-kuo (Bild). Dieser öffnet Taiwan zur Welt und beginnt mit demokratischen Reformen. © imago stock&people
Chip made in Taiwan
Ab den 80er-Jahren erlebt Taiwan ein Wirtschaftswunder: „Made in Taiwan“ wird weltweit zum Inbegriff für günstige Waren aus Fernost. Im Laufe der Jahre wandelt sich das Land vom Produzenten billiger Produkte wie Plastikspielzeug zur Hightech-Nation. Heute hat in Taiwan einer der wichtigsten Halbleiter-Hersteller der Welt - das Unternehmen TSMC ist Weltmarktführer. © Torsten Becker/Imago
Tsai Ing-wen
Taiwan gilt heute als eines der gesellschaftlich liberalsten und demokratischsten Länder der Welt. In Demokratie-Ranglisten landet die Insel mit ihren knapp 24 Millionen Einwohnern immer wieder auf den vordersten Plätzen. Als bislang einziges Land in Asien führte Taiwan 2019 sogar die Ehe für alle ein. Regiert wurde das Land von 2016 bis 2024 von Präsidentin Tsai Ing-wen (Bild) von der Demokratischen Fortschrittspartei. Ihr folgte im Mai 2024 ihr Parteifreund Lai Ching-te. © Sam Yeh/AFP
Xi Jinping
Obwohl Taiwan nie Teil der Volksrepublik China war, will Staats- und Parteichef Xi Jinping (Bild) die Insel gewaltsam eingliedern. Seit Jahrzehnten droht die kommunistische Führung mit der Anwendung von Gewalt. Die meisten Staaten der Welt – auch Deutschland und die USA – sehen Taiwan zwar als einen Teil von China an – betonen aber, dass eine „Wiedervereinigung“ nur friedlich vonstattengehen dürfe. Danach sieht es derzeit allerdings nicht aus. Die kommunistiche Diktatur Chinas ist für die meisten Taiwaner nicht attraktiv. © Dale de la Rey/AFP
Militärübung in Kaohsiung
Ob und wann China Ernst macht und in Taiwan einmarschiert, ist völlig offen. Es gibt Analysten, die mit einer Invasion bereits in den nächsten Jahren rechnen – etwa 2027, wenn sich die Gründung der Volksbefreiungsarmee zum 100. Mal jährt. Auch das Jahr 2049 – dann wird die Volksrepublik China 100 Jahre alt – wird genannt. Entscheidend dürfte sein, wie sicher sich China ist, einen Krieg auch zu gewinnen. Zahlenmäßig ist Pekings Armee der Volksrepublik den taiwanischen Streitkräften überlegen. Die Taiwaner sind dennoch gut vorbereitet. Jedes Jahr finden große Militärübungen statt; die Bevölkerung trainiert den Ernstfall, und die USA liefern Hightech-Waffen.  © Sam Yeh/AFP
Xi Jinping auf einem chinesischen Kriegsschiff
Analysten halten es für ebenso möglich, dass China zunächst nicht zu einer Invasion Taiwans blasen wird, sondern mit gezielten Nadelstichen versuchen könnte, den Kampfgeist der Taiwaner zu schwächen. So könnte Xi Jinping (Bild) eine Seeblockade anordnen, um die Insel Taiwan vom Rest der Welt abzuschneiden. Auch ein massiver Cyberangriff wird für möglich gehalten.  © Li Gang/Xinhua/Imago
Protest in Taiwan
Auch wenn die Volksrepublik weiterhin auf eine friedliche „Wiedervereinigung“ mit Taiwan setzt: Danach sieht es derzeit nicht aus. Denn die meisten Taiwaner fühlen sich längst nicht mehr als Chinesen, sondern eben als Taiwaner. Für sie ist es eine Horrorvorstellung, Teil der kommunistischen Volksrepublik zu werden und ihre demokratischen Traditionen und Freiheiten opfern zu müssen. Vor allem das chinesische Vorgehen gegen die Demokratiebewegung in Hongkong hat ihnen gezeigt, was passiert, wenn die Kommunistische Partei den Menschen ihre Freiheiten nimmt. © Ritchie B. Tongo/EPA/dpa

US-Wahl: Harris‘ „Running Mate“ Tim Walz war schon 30-mal in China

Auch im Konflikt zwischen China und den Philippinen im Südchinesischen Meer hat sich Harris klar positioniert. Sechsmal war sie in den vergangenen Jahren mit dem philippinischen Präsidenten Marcos Jr. zusammengetroffen, ihr Engagement in der Region bezeichnete ein Mitarbeiter von Harris gegenüber dem Wall Street Journal kürzlich als „entscheidenden Teil unserer Gesamtstrategie, um China zu übertrumpfen“. Bei einem Besuch in Tokio vor zwei Jahren warf Harris den Chinesen vor, im Südchinesischen Meer und anderswo ihre „militärische und wirtschaftliche Macht auszuspielen, um ihren Nachbarn zu nötigen und einzuschüchtern“. Pekings Staatspresse erklärte daraufhin, einmal mehr, Harris heize „den Konflikt an“.

Im Umgang mit China gehe es ihr nicht darum, die Beziehungen vollständig abzubrechen, sagte Harris im vergangenen Jahr in einem Interview. „Sondern darum, sicherzustellen, dass wir die amerikanischen Interessen schützen und dass wir eine Führungsrolle einnehmen, anstatt die Regeln anderer zu befolgen.“ Dazu setzt sie, anders als Trump, auch auf Allianzen mit den US-Verbündeten in Asien und Europa. Das macht sie aus chinesischer Sicht gefährlicher als der Einzelkämpfer Trump.

Die Republikaner haben derweil Harris‘ „Running Mate“ Tim Walz ins Visier genommen. Weil der Gouverneur von Minnesota eigenen Aussagen zufolge rund 30-mal in China war, ätzte etwa der ehemalige US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell: „Keiner ist mehr pro-China als der Marxist Walz.“ Was Grenell dabei übersieht: In seiner langen Karriere traf sich Walz auch mit dem Dalai Lama und dem Hongkonger Demokratieaktivisten Joshua Wong. Beide sind eher nicht als China-Freunde bekannt.

Rubriklistenbild: © Lawrence Jackson/White House/Imago