Historischer Tag

Sondervermögen und Reform der Schuldenbremse: „Geld allein löst keine Herausforderung“

  • Moritz Maier
    VonMoritz Maier
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Mit Sondervermögen und Reform der Schuldenbremse steht das Gerüst für Merz als Kanzler. Das Geld schafft Gestaltungsspielraum – kostet aber Vertrauen.

Berlin – Es ist eine der weitreichendsten politischen Entscheidungen seit Jahrzehnten. Durch drei Änderungen des Grundgesetzes kann Deutschland neue Schulden in Rekordhöhe aufnehmen und in Rüstung sowie Infrastruktur investieren. Obwohl sich Union, SPD und Grüne in der Spitze einigten, war die historische Abstimmung eine Zitterpartie, besonders in der Union fürchteten sich viele vor Abweichlern – auch aus den eigenen Reihen.

Schuldenbremse und Sondervermögen – Bundestag beschließt Rekordschuldenaufnahme

Letztlich votierten mit 513 von 720 mehr als zwei Drittel der Abgeordneten für den Gesetzentwurf. Damit gibt es nun finanziellen Spielraum in Sachen Verteidigung, Infrastruktur und Klimaschutz. Bald-Kanzler Friedrich Merz läutete so den „ersten Schritt zu einer neuen europäischen Verteidigungsgemeinschaft“ ein, wie er selbst im Bundestag sagte.

Friedrich Merz hat seine Rede zur Grundgesetz-Änderung hinter sich gebracht – nun sind weitere Schritte gefragt.

Immer mehr Unionsabgeordnete beklagten jüngst Bauchschmerzen, mit den neuen Schulden entgegen der eigenen Wahlkampfversprechen zu handeln. Merz plädierte vor der Wahl oft dafür, statt über neue Schulden übers Sparen zu sprechen. Im Bundestag wandte er sich auch an seine Fraktion: „Das Geld verringert nicht den Konsolidierungsbedarf der öffentlichen Haushalte.“ Selbstverständlich hätten viel Unionspolitiker mit so einem weitreichenden Schritt zu ringen, so Merz. Angesichts der aktuellen und akuten Probleme könne man die Grundgesetzänderungen aber „mit gutem Gewissen beschließen“.

Grüne kritisieren 180-Grad-Wende von Union und Friedrich Merz

Den schnellen Kurswechsel zu Rekordschulden warf der Union vor allem Britta Haßelmann, Fraktionsvorsitzende der Grünen, vor. „Wir alle wussten, dass wir Investitionen brauchen“, sagte sie. Stattdessen habe die Union im Wahlkampf auf kategorische Ablehnung gesetzt, „und meist noch mit einer solchen Überheblichkeit und einem solchen Populismus, dass einem schlecht werden kann“, so Haßelmann. Trotz der Verletztheit der Grünen und der Kritik am politischen Stil der Union werde der Schritt nicht falsch, so die Grüne-Fraktionsvorsitzende. Die allermeisten Grünen – von denen viele bald nicht mehr im Bundestag sitzen werden – stimmten für den Gesetzentwurf.

Für Haßelmann geht es bei den verbalen Angriffen der Union um eine zentrale Frage der nächsten Jahre: darum, „wie demokratische Parteien Vertrauen zurückgewinnen und wie sie den politischen Diskurs prägen – und da waren Sie und Ihre Fraktion in den letzten Jahren keinesfalls stilbildend“. Merz‘ 180-Grad-Wende kurz nach der Wahl sehen viele Grünen als weiteren heftigen Schlag für das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger in die Politik.

Klingbeil nach Schulden-Abstimmung: Mit Geld allein sind die Herausforderungen nicht gelöst

Klar war schon vor der Abstimmung, dass Merz für seine Pläne im nächste Woche zusammenkommenden neuen Bundestag keine Mehrheit bekommt. Durch das Erstarken der AfD und der Linken haben Union, SPD und Grüne im 21. Bundestag keine verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit. Merz trommelte also die „alte“ Runde ein letztes Mal zusammen, was besonders AfD und Linke stark kritisieren. Sollte ein nicht mehr die aktuellen Verhältnisse des Wählerwillens widerspiegelndes Parlament eine der größten Finanzentscheidungen der letzten Jahrzehnte beschließen? Für Merz ist klar: Ja, mit Blick auf die Herausforderungen sollte das alte Parlament beschließen.

Zufrieden mit dem Gesetz zeigte sich der neue starke Mann der SPD, Lars Klingbeil, der von einer historischen Entscheidung und einem positiven Aufbruch für Deutschland wie Europa sprach. Deutschland müsse mit Blick auf die Unterstützung der Ukraine und die sicherheitspolitischen Herausforderungen bereit sein, Führungsverantwortung wahrzunehmen: „Wir hier in der demokratischen Mitte zeigen, dass wir in der Lage sind, Lösungen für unser Land zu finden.“ Doch Klingbeil machte auch klar: „Geld allein löst keine Herausforderungen“. Er plädierte deshalb für entschiedenes Handeln zum Schutz der Ukraine, für die Sanierung von Schulen und eine Entlastung der Menschen im Land.

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