Finanzierung der Verteidigungsausgaben

Sondervermögen dank altem Bundestag: So will Merz Linke und AfD austricksen

  • VonTadhg Nagel
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Friedrich Merz will noch vor dem neuen Bundestag ein Sondervermögen beschließen. Dafür braucht er SPD, Grüne und FDP. Ihm bleibt nicht viel Zeit.

Berlin – CDU-Chef Friedrich Merz hat vor, die Schuldenbremse rasch zu lockern. Er plant noch vor der konstituierenden Sitzung des neuen Bundestags Gespräche mit SPD, Grünen und FDP über alternative Finanzierungsmöglichkeiten für Verteidigungsausgaben zu führen. In Berlin verwies er am Montag (24. Februar) darauf, dass diese Parteien im alten Bundestag über eine Zweidrittelmehrheit für Grundgesetzänderungen verfügen – eine Möglichkeit, die bis zur ersten Sitzung des neu gewählten Parlaments in der letzten März-Woche genutzt werden könne.

Die Mehrheitsverhältnisse im neuen Bundestag erschweren Änderungen am Grundgesetz. Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis verfügen Union, SPD und Grüne gemeinsam über 413 der 630 Sitze. Für eine Zweidrittelmehrheit wären jedoch 420 Mandate erforderlich. Da eine Zusammenarbeit mit der als in Teilen als rechtsextrem eingestuften AfD ausgeschlossen wird, könnte die erforderliche Mehrheit nur mit Unterstützung der Linkspartei erreicht werden – eine Option, die CDU und CSU bislang ablehnen.

Merz will Grundgesetzänderung nutzen: Sondervermögen noch vor neuem Bundestag möglich

„Das bedeutet, wir haben jetzt noch vier Wochen Zeit, darüber nachzudenken“, so Merz auf die Frage, ob der alte Bundestag noch eine Grundgesetzänderung zur Einrichtung eines neuen Sondervermögens für die Bundeswehr beschließen könnte. Konkrete Details wolle er jedoch nur in vertraulichen Gesprächen mit den beteiligten Parteien erörtern, betonte der CDU-Vorsitzende.

Diese bekannten Politiker sitzen jetzt nicht mehr im Bundestag

Christian Lindner
Die FDP ist an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert und scheidet damit aus dem Bundestag aus. Noch 2017 hatte Parteichef Christian Lindner sie mit neuem Image und einem zweistelligen Ergebnis nach vier Jahren außerparlamentarischer Opposition wieder ins Parlament geführt – doch die Rechnung ging dieses Mal nach Ampel-Bruch und Unzufriedenheit der Wählerinnen und Wähler mit der Partei nicht auf.  © imago
Johannes Vogel, Fraktionsgeschäftsführer der FDP
Dem Wahlergebnis fiel damit auch Johannes Vogel zum Opfer. Er war zuletzt Fraktionsgeschäftsführer der FDP im Bundestag sowie stellvertretender Bundesvorsitzender. Durch das Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde zieht auch er nicht wieder in den Bundestag ein.  © Rabea Gruber/dpa
FDP-Politikerin und frühere JuLi-Chefin Ria Schröder
Ria Schröder gilt als eine der personellen Hoffnungen der Freien Demokraten. Die Juristin war Vorsitzende der Jugendbewegung Junge Liberale und ist Mitglied des FDP-Bundesvorstands.  © Hannes P. Albert/dpa
Früherer FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai
Bijan Djir-Sarai saß ebenfalls für die FDP im Bundestag und war bis November 2024 ihr Generalsekretär. Nach dem Ampel-Bruch trat er von der Position zurück.  © Sebastian Gollnow/dpa
Linda Teuteberg, FDP-Spitzenkandidatin in Brandenburg
Linda Teuteberg hatte viel vor mit der FDP, als sie 2019 Generalsekretärin wurde. Von diesem Amt entfernte Christian Lindner sie jedoch zugunsten Volker Wissings schon vor dem Ende ihrer Amtszeit wegen Streitigkeiten. Auch sie ist durch das schlechte Abschneiden der FDP bei der Bundestagswahl 2025 nicht mehr im Bundestag vertreten. © Bernd von Jutrczenka/dpa
Wolfgang Kubicki (FDP)
Auch den stellvertretenden Bundesvorsitzenden und FDP-Urgestein Wolfgang Kubicki werden wir in dieser Legislaturperiode wegen des Scheiterns an der Fünf-Prozent-Hürde nicht im Deutschen Bundestag sehen.  © Michael Kappeler/dpa
Christian Dürr, Fraktionschef der FDP im Bundestag
Christian Dürr ist Mitglied im Bundesvorstand der FDP und war zuletzt Fraktionsvorsitzender der Liberalen im Bundestag. Auch er scheidet mit seiner Partei wegen ihres schlechten Wahlergebnisses aus dem Bundestag aus.  © imago
Marco Buschmann, FDP
Marco Buschmann war in der Ampel-Koalition als Bundesjustizminister tätig. Mit dem Bruch der Ampel gab er das Amt jedoch an Volker Wissing ab, der nach dem Zerwürfnis der Koalition aus der Partei austrat.  © Michael Kappeler/dpa
Volker Wissing, ehemals FDP und mittlerweile parteilos
Volker Wissing, in der Ampel-Koalition Verkehrsminister und später zusätzlich Justizminister, ließ zwar nach dem Scheitern der Ampel seine Partei hinter sich. In den neuen Bundestag zieht der jetzt parteilose Rechtsanwalt aber trotzdem nicht ein. Er möchte sich aus der Politik zurückziehen und in seiner Kanzlei arbeiten. © Hannes P Albert/dpa
Jens Teutrine, früherer Chef der Jungen Liberalen
Jens Teutrine war wie Ria Schröder auch Chef der Jungen Liberalen, bevor er in den Bundestag einzog. Mit dem Ausscheiden der FDP aus dem Bundestag endet auch sein Mandat. © Serhat Kocak/dpa
Bettina Stark-Watzinger, ehemalige FDP-Bundesbildungsministerin
Ein weiteres prominentes Gesicht der Ampel-Koalition verlässt den Bundestag: Bettina Stark-Watzinger, die während der letzten Legislaturperiode Bundesbildungsministerin war.  © Christine Schultze/dpa
Sahra Wagenknecht, BSW-Gründerin und frühere Linken-Chefin
Politisch eklatant unterschiedlich, eint sie doch dasselbe Schicksal: Wie die FDP scheiterte auch das BSW an der Fünf-Prozent-Hürde – und zwar äußerst knapp. Einst Linken-Chefin, gründete Sahra Wagenknecht Anfang 2024 das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Trotz des aus dem Stand starken Abschneidens bei den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg zieht das Bündnis nach der Bundestagswahl knapp nicht ins Parlament ein.  © Frank Ossenbrink/imago
Amira Mohamed Ali, frühere Linken-Politikerin, zum BSW gewechselt
Amira Mohamed Ali war einst Abgeordnete der Linken, gründete jedoch zusammen mit Sahra Wagenknecht das BSW. Sie ist Parteivorsitzende – und nicht mehr im Bundestag. © Christoph Hardt/imago
Sevim Dagdelen, frühere Linken-Politikerin, zum BSW gewechselt
Auch Sevim Dagdelen entschied sich zum Parteiaustritt aus der Linken und zum Eintritt ins BSW, das bei der Bundestagswahl an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte und somit nicht im Bundestag vertreten ist.  © imago
Grünen-Politiker Cem Özdemir
Die Grünen verlieren nach der Bundestagswahl 2025 sogar ein Ministergesicht: Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir wird nicht mehr im Parlament vertreten sein. Jedoch entschied er das bereits selbst lange vor der Wahl. Er will der Bundespolitik den Rücken kehren und strebt in seiner Heimat Baden-Württemberg das Amt des Ministerpräsidenten an. © Hannes P Albert/dpa
Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar
Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar dürfte über die Grenzen Berlins hinaus nicht besonders bekannt gewesen sein – bis Ende 2024 Vorwürfe der Belästigung gegen ihn laut wurden. Eigentlich wollte er in seinem Wahlkreis Berlin-Pankow wieder zur Bundestagswahl antreten, jedoch entschied sich der Kreisverband bei einer erneuten Abstimmung stattdessen für Julia Schneider, die nun in den Bundestag einzieht. Die Vorwürfe hatten sich im Übrigen als falsch erwiesen.  © imago
Grünen-Politikerin Tessa Ganserer
Tessa Ganserer ist eine der bekanntesten Trans*-Politikerinnen Deutschlands. Im Bundestag setzte sich die Grüne vor allem für die Rechte queerer Menschen ein. Dass sie in der 21. Wahlperiode nicht mehr im Parlament sitzt, war ihre eigene Entscheidung. Sie trat nicht mehr als Kandidatin an. Wegen des „menschenverachtenden Hasses“, der ihrer Person entgegengebracht worden sei, wolle sie ihrem Leben noch einmal eine andere Richtung geben. © Dwi Anoraganingrum/imago
Grünen-Politikerin Renate Künast
Auch die prominente Grünen-Politikerin Renate Künast wird nicht mehr im neuen Bundestag vertreten sein – ebenfalls aus freien Stücken. Sie wollte nicht mehr antreten, „um Platz für Jüngere zu machen“, hatte Künast im Sommer 2024 erklärt. Vorher war sie bereits Landwirtschaftsministerin, Grünen-Fraktionschefin und Parteivorsitzende gewesen.  © Christoph Soeder/dpa
SPD-Politikerin Michelle Müntefering
Auch bei der SPD verlassen bekannte Gesichter den Bundestag. Michelle Müntefering (SPD), Ehefrau von Franz Müntefering, sitzt ebenfalls nicht mehr im Parlament. Das war jedoch schon vor der Bundestagswahl klar: Die SPD hatte nicht mehr sie, sondern Hendrik Bollmann für ihren Wahlkreis Herne - Bochum II nominiert. © M. Popow/imago
SPD-Politiker und ehemaliger Regierender Bürgermeister von Berlin, Michael Müller
Michael Müller (SPD) war einst Regierender Bürgermeister von Berlin und zog 2021 in den Bundestag ein. Damals hatte er in seinem Wahlkreis Berlin-Charlottenburg-Wilmersdorf die meisten Stimmen bekommen, diesmal landete er hinter Lukas Krieger (CDU) und Lisa Paus (Grüne) nur auf dem dritten Platz und verpasste damit sein Ticket ins Parlament.  © Bernd von Jutrczenka/dpa
Der frühere SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert
SPD-Promi Kevin Kühnert hatte eine steile politische Karriere hingelegt. Er war Vorsitzender der SPD-Jugendorganisation Jusos, stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD und seit 2021 Generalsekretär. Von dem Amt trat er 2024 zurück und kündigte an, sich aus gesundheitlichen Gründen aus der Politik zurückzuziehen und nicht mehr für den Bundestag kandidieren zu wollen.  © Michael Kappeler/dpa
SPD-Politiker Michael Roth
Der hessische SPD-Politiker Michael Roth entschied sich ebenfalls weit vor der Wahl, nicht mehr für den Bundestag anzutreten. In seinem Fall spielte auch sein Einsatz für die Ukraine eine Rolle, der nicht allen in der Partei gefallen habe, und er habe sich mit der Zeit von den Sozialdemokraten und dem Politikbetrieb entfremdet. © imago
CDU-Politiker Helge Braun
Trotz ihres Wahlsiegs verliert auch die Union ein bekanntes Gesicht: Helge Braun war unter Angela Merkel Kanzleramtschef. Ende 2024 kündigte der Arzt aus Gießen an, sich aus der Politik zurückziehen zu wollen.  © Kay Nietfeld/dpa
CSU-Politiker Peter Ramsauer
Auch aus der Schwesterpartei CSU verschwindet eine bekannte Persönlichkeit: Der frühere Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer scheidet aus dem Bundestag aus – auf eigenen Wunsch war er nicht mehr angetreten. © Michael Kappeler/dpa
Susanne Hennig-Wellsow, Die Linke
Auch die Linke verbüßt trotz überraschend starkem Wahlergebnis Abgänge: unter anderem Susanne Hennig-Wellsow. Die frühere Bundesparteivorsitzende ist nicht mehr zur Bundestagswahl angetreten. Sie wollte sich beruflich etwas Neuem widmen. © Frederic Kern/imago

Im neu gewählten Bundestag käme eine Zweidrittelmehrheit nur mit Unterstützung von AfD oder Linken zustande. „Leider ist genau das eingetreten, was wir befürchtet haben: Es gibt nun eine Sperrminorität von ganz links und ganz rechts im Bundestag“, so Merz. Dies erschwere künftige Grundgesetzänderungen erheblich.

Zeitfenster nach der Bundestagswahl: CDU-Chef setzt für Grundgesetz-Änderung auf den alten Bundestag

Grundsätzlich sehe er jedoch keine Hindernisse, mit den bisherigen Mehrheiten des alten Bundestags noch Entscheidungen zu treffen. „Der Deutsche Bundestag bleibt durchgehend handlungsfähig, auch nach Wahlen“, betonte der CDU-Chef. „Wir können beschließen“, sagte er – und ergänzte: „Ob wir das tun sollten oder müssen, werde ich mit den Parteien besprechen, die derzeit noch mit ihrem bestehenden Mandat im Bundestag vertreten sind – also SPD, Grüne und FDP“.

Zunächst muss Merz die eigene Fraktion überzeugen. Bisher machte die Union, trotz eines möglichen deutlichen Anstiegs der Verteidigungsausgaben, keine Anstalten zur Lockerung der Schuldenbremse. „Ein Schleifen der Schuldenbremse wäre der völlig falsche Weg“ hatte CDU/CSU-Parlamentsgeschäftsführer Thorsten Frei noch am Donnerstag (20. Februar) gegenüber der Rheinischen Post betont. Frei kritisierte, dass die bisherige Bundesregierung keine Vorkehrungen für eine ausreichende Finanzierung der Bundeswehr nach 2027 getroffen habe. Die Schuldenbremse sei jedoch essenziell für stabile Staatsfinanzen und eine gerechte Verteilung der Lasten zwischen den Generationen. Zudem erlaube sie flexible Investitionen.

Grüne offen für Sondervermögen: Baerbock fordert schnelles Handeln für europäische Sicherheit

Bei den Grünen hat Merz mit seinem Vorhaben hingegen gute Karten. Führende Politiker der Partei drängen ebenfalls darauf, noch im aktuellen Bundestag Anpassungen an der Schuldenbremse oder die Einrichtung neuer Sondervermögen zu beschließen. Bundesaußenministerin Annalen Baerbock erinnerte an Deutschlands Verantwortung für Frieden und Freiheit in Europa und rief die demokratischen Parteien zu gemeinsamem Handeln auf. Angesichts des außenpolitischen Kurswechsels der USA unter Präsident Donald Trump und der angespannten Lage im Ukraine-Krieg sei schnelles Handeln geboten. Merz müsse nun zeigen, ob seine „großen Ankündigungen“ zur europäischen Sicherheitspolitik mehr als leere Worte seien, so ihre Forderung.

CDU-Chef Friedrich Merz will die Schuldenbremse rasch lockern, um nicht mit der Linkspartei verhandeln zu müssen.

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte am Mittwoch (19. Februar) im Deutschlandfunk erklärt, er rechne damit, dass die Verteidigungsausgaben künftig deutlich über der Marke von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts liegen könnten. Bereits jetzt erreicht Deutschland diese sogenannte Nato-Quote nur mithilfe des Bundeswehr-Sondervermögens – eine Finanzierungsquelle, die 2027 ausläuft. (tpn mit afp)

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