Kretschmann offenbar mittendrin

Vor Debatte über Merz-Schuldenpaket im Bundestag: Teile der Grünen revoltieren gegen Spitze

  • Marcus Giebel
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Union und SPD wollen ihr Finanzpaket noch vom alten Bundestag abnicken lassen. Die Grünen-Spitze hält dagegen, was in der Partei nicht allen gefallen soll.

Berlin – Der 20. Bundestag befindet sich in seinen letzten Zügen. Aber auch vor einer zukunftsweisenden Entscheidung. Kommt die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit zustande, die es für die von Union und SPD angestrebte Grundgesetzänderung benötigt? Ansonsten würde das Finanzpaket scheitern, das weitreichende Verteidigungsausgaben jenseits der Schuldenbremse und ein Sondervermögen von 500 Milliarden Euro für Investitionen in die Infrastruktur vorsieht.

Eine entscheidende Rolle kommt bei der wohl am Dienstag anstehenden Abstimmung im Bundestag offensichtlich den Grünen zu. Denn CDU, CSU und SPD fehlen 86 Stimmen, die ihnen die Ökopartei mit 117 Abgeordneten bescheren könnte. Die FDP wäre zwar eine mögliche Alternative, angesichts deren 90 Parlamentariern dürfte es jedoch kaum Abweichler geben, und eine Schuldenbremsen-Reform erscheint mit den Liberalen utopisch.

Grüne und das Finanzpaket von Merz: Parteiinterner Streit wegen Haltung zum Gesetzentwurf?

Auch am Tag der ersten Sondersitzung im Bundestag zum Finanzpaket von CDU-Chef Friedrich Merz & Co. zieren sich die Grünen allerdings. Die Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge bestätigte im „Morgenmagazin“ von ARD und ZDF zwar „sehr ernsthafte Gespräche mit CDU und SPD“, doch beide Seiten hätten sich dabei nicht weit genug aufeinander zubewegt. Folglich sehe es weiter so aus, „dass wir Grünen diesem Gesetzentwurf nicht zustimmen werden“.

Uneinigkeit beim Finanzpaket? Baden-Württembergs Grünen-Ministerpräsident Winfried Kretschmann soll die Fraktionsspitze um Britta Haßelmann und Katharina Dröge (r.) zur Zustimmung drängen.

Offenbar herrscht dabei innerhalb der Noch-Regierungspartei aber alles andere als Einigkeit. Einem Bericht der Bild zufolge soll es in einer Krisensitzung der Grünen zu „scharfen Auseinandersetzungen“ gekommen sein. Dies hätten Teilnehmer berichtet. Demnach pochen die Vertreter der Bundesländer, die angeführt werden vom baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, auf einen Kompromiss.

Denn die Länder würden vom Finanzpaket ebenfalls profitieren, sollen künftig Kredite in Höhe von 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts aufnehmen können. Dieser zusätzliche Spielraum sei gerade für Bundesländer wichtig, in denen im nächsten Jahr ein neuer Landtag gewählt wird. Dazu zählen mit Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz auch zwei Länder mit grüner Regierungsbeteiligung.

Finanzpaket von Union und SPD

Verteidigung: Ausgaben sollen nur noch bis zu einer Grenze von einem Prozent des BIP unter die Schuldenbremse fallen

Infrastruktur: Sondervermögen von 500 Milliarden Euro soll von Schuldenbremse ausgenommen werden

Verschuldung der Länder: Kredite in Höhe von 0,35 Prozent des BIP sollen ermöglicht werden.

Grundgesetzänderung: Artikel 109, 115, 143h müssten angepasst werden

Merz und das Finanzpaket im Bundestag: Grünen-Spitze will keine Mehrheitsbeschafferin sein

Die Fraktions-Vorsitzenden Britta Haßelmann und Dröge hätten dagegen argumentiert, dass sich die Partei als künftiger Teil der Opposition gegen Schwarz-Rot profilieren müsse. Es gehe um eine strategische Neuaufstellung, dazu passe die Rolle der Mehrheitsbeschafferin nicht. Parteichef Felix Banaszak soll das Duo dabei unterstützt haben. Wie sich Franziska Brantner, die zweite Grünen-Vorsitzende, positionierte, wird nicht erwähnt.

Die einstige Ampel-Partei, die künftig noch mit 85 Abgeordneten im Bundestag vertreten sein wird, will die Ausgaben für Verteidigung und Infrastruktur entkoppeln. Aus ihrer Sicht steht zu befürchten, dass das angedachte schwarz-rote Modell in letzterem Punkt nicht zu gezielten Investitionen führt, sondern teure Wahlgeschenke zur Folge hat.

Brauchen noch ein paar Stimmen aus dem Bundestag für ihr Finanzpaket: CSU-Chef Markus Söder, CDU-Chef Friedrich Merz sowie die SPD-Vorsitzenden Lars Klingbeil (v.l.) und Saskia Esken haben den Weg geebnet für eine Reform der Schuldenbremse und ein neues Sondervermögen für Infrastruktur.

Ein eigener Vorschlag der Grünen sieht eine „limitierte Bereichsausnahme für Ausgaben für Gesamtverteidigung und für die Erfüllung sicherheitspolitischer Aufgaben im Rahmen der Schuldenregel“ vor. Dröge brachte im „Morgenmagazin“ auch die Frage auf, warum die Entscheidung nun quasi in aller Eile gefällt werden solle und nicht bis zur Zusammenkunft des neuen Bundestages abgewartet werde.

Bringt Merz sein Finanzpaket durch den Bundestag? AfD und Linke klagen gegen Vorgehen

Das neue Parlament tritt am 25. März erstmals zusammen. Ab dann stellen AfD und Linke zusammen mehr als ein Drittel der Abgeordneten und genießen somit gemeinsam eine Sperrminorität. Für eine Änderung des Grundgesetzes bräuchten Union und SPD dann also nicht nur die Stimmen der Grünen, sondern zumindest auch einige aus den Parteien der politischen Ränder.

Allerdings hat die CDU auf ihrem 31. Parteitag im Jahr 2018 beschlossen, „Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit“ mit den Linken und der AfD abzulehnen. In diesem Zusammenhang wurde zuletzt – etwa vom langjährigen thüringischen Ministerpräsidenten Bodo Ramelow – betont, hinsichtlich der Linken habe Sahra Wagenknecht dabei eine nicht unwesentliche Rolle gespielt. Die 55-Jährige hat die Partei bekanntlich mittlerweile verlassen und das BSW ins Leben gerufen, das denkbar knapp am Einzug in den Bundestag scheiterte.

Diese bekannten Politiker sitzen jetzt nicht mehr im Bundestag

Christian Lindner
Die FDP ist an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert und scheidet damit aus dem Bundestag aus. Noch 2017 hatte Parteichef Christian Lindner sie mit neuem Image und einem zweistelligen Ergebnis nach vier Jahren außerparlamentarischer Opposition wieder ins Parlament geführt – doch die Rechnung ging dieses Mal nach Ampel-Bruch und Unzufriedenheit der Wählerinnen und Wähler mit der Partei nicht auf.  © imago
Johannes Vogel, Fraktionsgeschäftsführer der FDP
Dem Wahlergebnis fiel damit auch Johannes Vogel zum Opfer. Er war zuletzt Fraktionsgeschäftsführer der FDP im Bundestag sowie stellvertretender Bundesvorsitzender. Durch das Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde zieht auch er nicht wieder in den Bundestag ein.  © Rabea Gruber/dpa
FDP-Politikerin und frühere JuLi-Chefin Ria Schröder
Ria Schröder gilt als eine der personellen Hoffnungen der Freien Demokraten. Die Juristin war Vorsitzende der Jugendbewegung Junge Liberale und ist Mitglied des FDP-Bundesvorstands.  © Hannes P. Albert/dpa
Früherer FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai
Bijan Djir-Sarai saß ebenfalls für die FDP im Bundestag und war bis November 2024 ihr Generalsekretär. Nach dem Ampel-Bruch trat er von der Position zurück.  © Sebastian Gollnow/dpa
Linda Teuteberg, FDP-Spitzenkandidatin in Brandenburg
Linda Teuteberg hatte viel vor mit der FDP, als sie 2019 Generalsekretärin wurde. Von diesem Amt entfernte Christian Lindner sie jedoch zugunsten Volker Wissings schon vor dem Ende ihrer Amtszeit wegen Streitigkeiten. Auch sie ist durch das schlechte Abschneiden der FDP bei der Bundestagswahl 2025 nicht mehr im Bundestag vertreten. © Bernd von Jutrczenka/dpa
Wolfgang Kubicki (FDP)
Auch den stellvertretenden Bundesvorsitzenden und FDP-Urgestein Wolfgang Kubicki werden wir in dieser Legislaturperiode wegen des Scheiterns an der Fünf-Prozent-Hürde nicht im Deutschen Bundestag sehen.  © Michael Kappeler/dpa
Christian Dürr, Fraktionschef der FDP im Bundestag
Christian Dürr ist Mitglied im Bundesvorstand der FDP und war zuletzt Fraktionsvorsitzender der Liberalen im Bundestag. Auch er scheidet mit seiner Partei wegen ihres schlechten Wahlergebnisses aus dem Bundestag aus.  © imago
Marco Buschmann, FDP
Marco Buschmann war in der Ampel-Koalition als Bundesjustizminister tätig. Mit dem Bruch der Ampel gab er das Amt jedoch an Volker Wissing ab, der nach dem Zerwürfnis der Koalition aus der Partei austrat.  © Michael Kappeler/dpa
Volker Wissing, ehemals FDP und mittlerweile parteilos
Volker Wissing, in der Ampel-Koalition Verkehrsminister und später zusätzlich Justizminister, ließ zwar nach dem Scheitern der Ampel seine Partei hinter sich. In den neuen Bundestag zieht der jetzt parteilose Rechtsanwalt aber trotzdem nicht ein. Er möchte sich aus der Politik zurückziehen und in seiner Kanzlei arbeiten. © Hannes P Albert/dpa
Jens Teutrine, früherer Chef der Jungen Liberalen
Jens Teutrine war wie Ria Schröder auch Chef der Jungen Liberalen, bevor er in den Bundestag einzog. Mit dem Ausscheiden der FDP aus dem Bundestag endet auch sein Mandat. © Serhat Kocak/dpa
Bettina Stark-Watzinger, ehemalige FDP-Bundesbildungsministerin
Ein weiteres prominentes Gesicht der Ampel-Koalition verlässt den Bundestag: Bettina Stark-Watzinger, die während der letzten Legislaturperiode Bundesbildungsministerin war.  © Christine Schultze/dpa
Sahra Wagenknecht, BSW-Gründerin und frühere Linken-Chefin
Politisch eklatant unterschiedlich, eint sie doch dasselbe Schicksal: Wie die FDP scheiterte auch das BSW an der Fünf-Prozent-Hürde – und zwar äußerst knapp. Einst Linken-Chefin, gründete Sahra Wagenknecht Anfang 2024 das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW). Trotz des aus dem Stand starken Abschneidens bei den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg zieht das Bündnis nach der Bundestagswahl knapp nicht ins Parlament ein.  © Frank Ossenbrink/imago
Amira Mohamed Ali, frühere Linken-Politikerin, zum BSW gewechselt
Amira Mohamed Ali war einst Abgeordnete der Linken, gründete jedoch zusammen mit Sahra Wagenknecht das BSW. Sie ist Parteivorsitzende – und nicht mehr im Bundestag. © Christoph Hardt/imago
Sevim Dagdelen, frühere Linken-Politikerin, zum BSW gewechselt
Auch Sevim Dagdelen entschied sich zum Parteiaustritt aus der Linken und zum Eintritt ins BSW, das bei der Bundestagswahl an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterte und somit nicht im Bundestag vertreten ist.  © imago
Grünen-Politiker Cem Özdemir
Die Grünen verlieren nach der Bundestagswahl 2025 sogar ein Ministergesicht: Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir wird nicht mehr im Parlament vertreten sein. Jedoch entschied er das bereits selbst lange vor der Wahl. Er will der Bundespolitik den Rücken kehren und strebt in seiner Heimat Baden-Württemberg das Amt des Ministerpräsidenten an. © Hannes P Albert/dpa
Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar
Grünen-Politiker Stefan Gelbhaar dürfte über die Grenzen Berlins hinaus nicht besonders bekannt gewesen sein – bis Ende 2024 Vorwürfe der Belästigung gegen ihn laut wurden. Eigentlich wollte er in seinem Wahlkreis Berlin-Pankow wieder zur Bundestagswahl antreten, jedoch entschied sich der Kreisverband bei einer erneuten Abstimmung stattdessen für Julia Schneider, die nun in den Bundestag einzieht. Die Vorwürfe hatten sich im Übrigen als falsch erwiesen.  © imago
Grünen-Politikerin Tessa Ganserer
Tessa Ganserer ist eine der bekanntesten Trans*-Politikerinnen Deutschlands. Im Bundestag setzte sich die Grüne vor allem für die Rechte queerer Menschen ein. Dass sie in der 21. Wahlperiode nicht mehr im Parlament sitzt, war ihre eigene Entscheidung. Sie trat nicht mehr als Kandidatin an. Wegen des „menschenverachtenden Hasses“, der ihrer Person entgegengebracht worden sei, wolle sie ihrem Leben noch einmal eine andere Richtung geben. © Dwi Anoraganingrum/imago
Grünen-Politikerin Renate Künast
Auch die prominente Grünen-Politikerin Renate Künast wird nicht mehr im neuen Bundestag vertreten sein – ebenfalls aus freien Stücken. Sie wollte nicht mehr antreten, „um Platz für Jüngere zu machen“, hatte Künast im Sommer 2024 erklärt. Vorher war sie bereits Landwirtschaftsministerin, Grünen-Fraktionschefin und Parteivorsitzende gewesen.  © Christoph Soeder/dpa
SPD-Politikerin Michelle Müntefering
Auch bei der SPD verlassen bekannte Gesichter den Bundestag. Michelle Müntefering (SPD), Ehefrau von Franz Müntefering, sitzt ebenfalls nicht mehr im Parlament. Das war jedoch schon vor der Bundestagswahl klar: Die SPD hatte nicht mehr sie, sondern Hendrik Bollmann für ihren Wahlkreis Herne - Bochum II nominiert. © M. Popow/imago
SPD-Politiker und ehemaliger Regierender Bürgermeister von Berlin, Michael Müller
Michael Müller (SPD) war einst Regierender Bürgermeister von Berlin und zog 2021 in den Bundestag ein. Damals hatte er in seinem Wahlkreis Berlin-Charlottenburg-Wilmersdorf die meisten Stimmen bekommen, diesmal landete er hinter Lukas Krieger (CDU) und Lisa Paus (Grüne) nur auf dem dritten Platz und verpasste damit sein Ticket ins Parlament.  © Bernd von Jutrczenka/dpa
Der frühere SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert
SPD-Promi Kevin Kühnert hatte eine steile politische Karriere hingelegt. Er war Vorsitzender der SPD-Jugendorganisation Jusos, stellvertretender Bundesvorsitzender der SPD und seit 2021 Generalsekretär. Von dem Amt trat er 2024 zurück und kündigte an, sich aus gesundheitlichen Gründen aus der Politik zurückzuziehen und nicht mehr für den Bundestag kandidieren zu wollen.  © Michael Kappeler/dpa
SPD-Politiker Michael Roth
Der hessische SPD-Politiker Michael Roth entschied sich ebenfalls weit vor der Wahl, nicht mehr für den Bundestag anzutreten. In seinem Fall spielte auch sein Einsatz für die Ukraine eine Rolle, der nicht allen in der Partei gefallen habe, und er habe sich mit der Zeit von den Sozialdemokraten und dem Politikbetrieb entfremdet. © imago
CDU-Politiker Helge Braun
Trotz ihres Wahlsiegs verliert auch die Union ein bekanntes Gesicht: Helge Braun war unter Angela Merkel Kanzleramtschef. Ende 2024 kündigte der Arzt aus Gießen an, sich aus der Politik zurückziehen zu wollen.  © Kay Nietfeld/dpa
CSU-Politiker Peter Ramsauer
Auch aus der Schwesterpartei CSU verschwindet eine bekannte Persönlichkeit: Der frühere Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer scheidet aus dem Bundestag aus – auf eigenen Wunsch war er nicht mehr angetreten. © Michael Kappeler/dpa
Susanne Hennig-Wellsow, Die Linke
Auch die Linke verbüßt trotz überraschend starkem Wahlergebnis Abgänge: unter anderem Susanne Hennig-Wellsow. Die frühere Bundesparteivorsitzende ist nicht mehr zur Bundestagswahl angetreten. Sie wollte sich beruflich etwas Neuem widmen. © Frederic Kern/imago

Derzeit wehren sich Linke und AfD unabhängig voneinander juristisch gegen mögliche Beschlüsse zum Finanzpaket durch den alten Bundestag. Laut Linken-Chefin Ines Schwerdtner wurde eine weitere Klage beim Bundesverfassungsgericht eingereicht.

Die AfD kündigte ihrerseits eine weitere Klage an, sollte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) die für Dienstag geplante zweite Sondersitzung nicht absagen. Beide Parteien argumentieren unter anderem mit dem engen Zeitrahmen, in dem Entscheidungen mit weitreichenden Konsequenzen getroffen werden müssten. (mg)

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