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„China will, dass Taiwan sich unterwirft. Aber das wird nicht passieren“
VonSven Hauberg
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China will die Vereinigung mit Taiwan. Das zwar nicht unbedingt mit militärischen Mitteln, wie der Präsident von Taiwans führender Denkfabrik im Interview sagt. Gefährlich sei die Lage dennoch.
Taipeh – Wird China schon bald Taiwan angreifen? Lai I-chung glaubt das nicht. Stattdessen werde Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping zu anderen Mitteln greifen, um die demokratisch regierte Insel mit der kommunistischen Volksrepublik zu vereinen, sagt der Präsident der Prospect Foundation, Taiwans führender Denkfabrik zu Fragen der internationalen Politik. Beim Gespräch in Taipeh warnt Lai davor, Xi zu provozieren – und er erklärt, warum Xi seinen Verbündeten Wladimir Putin so schnell nicht fallen lassen wird.
Herr Lai, wie gefährlich sind die Spannungen zwischen China und Taiwan derzeit?
Die Spannungen in der Taiwanstraße nehmen zu. Xi Jinping hat die Vereinigung mit Taiwan zur Voraussetzung für Chinas „nationale Wiedergeburt“ gemacht, und er würde alles dafür tun, dass er selbst und seine Kommunistische Partei an der Macht bleiben. Das macht die Vereinigung aus Sicht der Chinesen zu einer drängenden Angelegenheit. Allerdings versucht Xi Jinping derzeit nicht, dieses Ziel durch militärische Mittel zu erreichen.
Sondern?
China setzt vielmehr auf Nötigung und militärische Einschüchterung. Sie wollen Taiwan so sehr Angst machen, dass wir uns unterwerfen. Aber das wird nicht passieren. Wir müssen Xi Jinping klarmachen, dass eine Invasion nicht nur nicht erfolglos wäre, sondern auch für ihn mit hohen politischen Kosten verbunden wäre. Damit er es gar nicht erst versucht.
„Nicht nur Xi Jinping, sondern viel Chinesen wollen, dass Taiwan mit China vereinigt wird“
Aber auch innerhalb der chinesischen Bevölkerung ist der Wunsch einer Vereinigung Taiwans mit China groß.
Das stimmt. Nicht nur Xi Jinping, sondern viele Chinesen wollen, dass Taiwan mit China vereinigt wird. Es gibt viel Nationalismus in China, schon immer. Unter Xi Jinping ist die chinesische Politik allerdings unvorhersehbarer geworden. Die Ironie dabei ist: In gewisser Weise hilft Xi uns sogar. Weil wir dank seines Verhaltens mehr Unterstützung vom Westen bekommen.
Es scheint aber genau diese Unterstützung zu sein, die China provoziert.
China hat bereits 2016, nach der Wahl von Tsai Ing-wen zur taiwanischen Präsidentin, den Druck auf Taiwan erhöht. Erst zwei Jahre später haben die USA begonnen, Schiffe durch die Taiwanstraße zu schicken. Oder schauen wir aufs Südchinesische Meer. China hat dort schon Jahre, bevor die USA sich engagiert haben, künstliche Inseln aufgeschüttet und seinen Einflussbereich ausgeweitet. Ja, wir dürfen China nicht provozieren, aber das tun wir auch nicht. Chinas Regierung lässt sich sehr leicht aus der Fassung bringen, und deshalb müssen wir sehr darauf bedacht sein, dass sie ihr Gesicht nicht verlieren. Wir müssen freundlich zu China sein. Wenn jemand in Schwierigkeiten ist, sollte man nicht mit dem Finger auf ihn zeigen. Es war schon immer so, dass China in solchen Momenten am dünnhäutigsten ist.
China steht vor großen, zum Teil strukturellen Herausforderungen. Die Immobilienkrise zum Beispiel ist die Folge von zu starken Investitionen in einen Sektor, in dem die Nachfrage nicht entsprechend mitgewachsen ist. Der private Konsum schwächelt, die Menschen geben derzeit einfach kein Geld aus. Andere, demokratische Staaten würde jetzt Anreize zum Konsum geben – China hingegen macht das nicht. Ich bin mir nicht sicher, ob Xi Jinping bewusst ist, wie ernst dieses Problem ist. Ohne strukturelle Reformen werden diese Herausforderungen bestehen bleiben. Was wir auch sehen ist, dass viele Daten nicht mehr veröffentlicht werden, etwa zur Jugendarbeitslosigkeit. Offenbar ist die Lage so schlecht, dass wir es nicht wissen sollen.
„Sollte sich Xi Jinping in eine Ecke gedrängt fühlen, könnte er furchtbare Dinge tun“
Was bedeutet das für Taiwan?
Taiwan ist seit 25 Jahren einer der wichtigsten Investoren in China, aber wir verändern unsere Politik. Noch 2011 haben wir fast 50 Milliarden US-Dollar in China investiert, letztes Jahre waren es weniger als 5 Milliarden. Auch die USA, Japan, Südkorea – alle wollen weniger investieren und setzen auf „De-Risking“. Das wird zwar sicher nicht zu einem Zusammenbruch der chinesischen Wirtschaft führen, aber die Not der Unternehmen und der Bevölkerung nimmt zu.
Was folgt daraus?
Eine Folge davon ist, dass der Druck, der sich aufgebaut hat, abgelassen werden muss, um von den internen Schwierigkeiten abzulenken. China macht das, indem es den Nationalismus im Land befeuert. Das sehen wir derzeit in den Kampagnen gegen Japan, das vor Kurzem begonnen hat, aufbereitetes Wasser auf der Atom-Ruine in Fukushima abzulassen. Aus Sicht Taiwans hat Chinas derzeitiger Wirtschaftsrückgang positive und negative Folgen. Positiv ist, dass Chinas militärische Fähigkeiten geschwächt werden, wenn es dem Land wirtschaftlich schlechter geht. Sollte sich Xi Jinping aber in eine Ecke gedrängt fühlen, könnte er zu dem Schluss kommen, dass er keine Alternative hat als sehr furchtbare Dinge zu tun.
Sie sprachen eben davon, wie unberechenbar Xi Jinping ist. Xi hat zuletzt seinen Außenminister ohne Erklärung entlassen, zudem zwei hochrangige Generäle. Was geht da vor?
Es ist ganz normal, dass sich autoritäre Regime undurchsichtig verhalten. Der oberste Anführer erläutert nie die Entscheidungen, die er trifft. So maximiert er den abschreckenden Effekt. Denn er will, dass die Menschen ahnungslos sind. Xi Jinping ist zum Beispiel nicht zum G20-Gipfel nach Neu-Delhi gefahren. Findet er solche Treffen langweilig? Oder gibt es andere Gründe? Wir werden es nie erfahren.
„Die Beziehung zwischen China und Russland ist eine Beziehung zwischen Xi Jinping und Wladimir Putin“
Zuletzt: Wie beurteilen Sie das Verhältnis zwischen China und Russland?
Die Beziehung zwischen China und Russland ist derzeit vor allem eine Beziehung zwischen Xi Jinping und Wladimir Putin. Seit Xi im Amt ist, hat ihn fast jedes Jahr seine erste Auslandsreise nach Russland geführt. Und wenn wir auf Xi Jinpings Körpersprache blicken: Nur wenn er Putin trifft, lächelt er. Bei anderen Staatsoberhäuptern nicht. Viele glauben, dass China und Russland nicht dieselben Interessen teilen. Aber sollte Putin fallen, würde das Xi Jinping stark beschädigen. Außerdem würde China dann, sollte es Taiwan wirklich angreifen, seinen wichtigsten Unterstützer verlieren. Deswegen wird China weiter Russland unterstützen.