Analyse

China schickt immer mehr Flugzeuge: Hybrider Krieg gegen Taiwan hat begonnen

  • Felix Lee
    VonFelix Lee
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China nutzt die hybride Kriegsführung, um Taiwan einzuschüchtern. Das Land nutzt perfide militärische und nicht-militärische Druckmittel.

Das Säbelrasseln im Indopazifik wird lauter. Der Regierung in Taiwan zufolge drangen am Wochenende Kampfflugzeuge 42 Mal in die taiwanische Luftverteidigungszone ein. Mehr als die Hälfte der Militärjets habe die Mittellinie der Straße von Taiwan überquert. Die Mittellinie gilt als inoffizielle Grenze zwischen Taiwan und der Volksrepublik in der viel befahrenen Meeresstraße. Auch acht chinesische Schiffe nahmen an den Übungen teil.

Die Militärführung in Peking bestätigte, dass Luft- und Seestreitkräfte der Volksrepublik am Samstag die Einkreisung der Insel erprobt hätten. „Dies ist eine ernste Warnung an Taiwans Separatisten, die sich zur Provokation mit externen Kräften zusammentun“, sagte ein Militärsprecher. Die Übungen wurden von scharfer Kritik chinesischer Staatsmedien an einem Zwischenstopp des taiwanischen Politikers William Lai in den USA begleitet.

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Luftwaffeneinsatz aus Zorn auf Lai

William Lai will im Januar bei den anstehenden Wahlen für die regierende Demokratische Fortschrittspartei (DPP) als Präsidentschaftskandidat ins Rennen gehen will. Derzeit gilt er als Favorit. Peking ist er ein Dorn im Auge, hat er sich doch einst für eine Unabhängigkeit Taiwans ausgesprochen. Das hat er zwar inzwischen zurückgenommen, ist aber noch frisch im Gedächtnis.

DDP-Politiker Lai war zur Amtseinführung des Präsidenten nach Paraguay gereist und war auf dem Hinflug in New York zwischengelandet, beim Rückflug in San Francisco. Peking wirft Lai vor, sich dort politisch betätigt zu haben. Paraguay ist eins der wenigen Länder, das noch diplomatische Beziehungen zu Taiwan pflegen.

Chinesische Kampfjets während einer Übung in der Taiwan-Straße im August 2022.

Taiwan verurteilte das „irrationale und provokative Verhalten“ Chinas. Auch die US-Regierung kritisiert die Militärübungen aufs Schärfste und fordert China auf, „seinen militärischen, diplomatischen und wirtschaftlichen Druck auf Taiwan einzustellen und stattdessen in einen sinnvollen Dialog mit Taiwan einzutreten“.

Ignoranz gegenüber dem hybriden Krieg

In Washington wird schon wahrgenommen, dass Peking versucht, mit Militärmanövern die „roten Linien“ stetig und beharrlich zu verschieben. Im politischen Betrieb in Berlin diskutieren Politiker allenfalls über mögliche Konsequenzen, sollte China Taiwan direkt militärisch angreifen. Dass Peking schon jetzt den hybriden Krieg gegen Taiwan begonnen hat und die ganze Region destabilisiert, scheinen die Regierungen in Europa nicht so recht wahrhaben zu wollen.

In der hybriden Kriegsführung werden militärische und nicht-militärische Mittel geschickt gemischt, um den Gegner unter Druck zu setzen. Die Aktionen der Armee bleiben dabei unter der Schwelle, ab der sie von der Weltöffentlichkeit als Krieg im eigentlichen Sinne wahrgenommen werden. Ein Beispiel war die Aneignung der Krim durch Russland 2014. Dort waren Soldaten ohne Hoheitszeichen im Einsatz. Die internationale Reaktion blieb schwach und damit wirkungslos.

Die Ergebnisse von Camp David

Für Misstrauen in Peking dürfte auch der Gipfel in Camp David gesorgt haben, der ebenfalls im Zeichen der hybriden Kriegsführung stand. US-Präsident Joe Biden hat sich mit Japans Regierungschef Fumio Kishida und Südkoreas Präsident Yoon Suk Yeol auf seinen Landsitz getroffen. Dabei ging es auch um eine engere militärische Zusammenarbeit der drei Staaten in Ostasien. Die Kooperation im Verteidigungsbereich solle auf ein „noch nie da gewesenes Niveau“ gebracht werden, kündigte Biden an und pries eine neue „Ära der Partnerschaft“ zwischen den Ländern. 

Obwohl Biden zu Beginn des Treffens noch versicherte, dass es nicht primär um China gehen soll, tauchte China im Abschlussdokument dennoch prominent auf. Die drei Regierungschefs warfen China „gefährliches und aggressives Verhalten“ vor. Man wende sich „entschieden gegen alle einseitigen Versuche, den Status quo in den Gewässern des Indopazifiks zu verändern“. 

Japan, USA und Australien planen Manöver

Die drei Regierungschefs vereinbarten eine Konsultationspflicht in Sicherheitskrisen und die Einrichtung einer Hotline zum schnellen Austausch. Auch ein Frühwarnsystem für mögliche Probleme bei Lieferketten soll es geben. Außerdem ist nun ein jährlicher Dreiergipfel mit den USA, Japan und Südkorea geplant. „Von diesem Moment an wird Camp David als ein historischer Ort in Erinnerung bleiben“, sagte Yoon mit Blick auf die Ergebnisse des Gipfels.

Japans Premier Kishida sagte, es sei eine große Ehre, mit dem Gipfel eine neue Seite in das Geschichtsbuch über Camp David zu schreiben. Die gemeinsame Allianz ist allein deshalb ein Erfolg für Biden, weil die beiden Länder historisch bedingt eigentlich ein eher frostiges Verhältnis haben. Zuletzt hatten sich Seoul und Tokio aber nicht zuletzt angesichts der zunehmenden Bedrohung durch China angenähert.

Die USA, Japan und Australien haben nach Angaben der Nachrichtenagentur AP bereits für kommende Woche ein gemeinsames Marinemanöver im Südchinesischen Meer angekündigt. An der Übung westlich der Philippinen sollten der US-Flugzeugträger „USS America“ sowie die Hubschrauberträger „JS Izumo“ und „HMAS Canbarra“ aus Japan und Australien teilnehmen, sagten Vertreter der philippinischen Sicherheitskräfte am Sonntag der Nachrichtenagentur AP. Anschließend sollten sich die Kommandeure mit ihren philippinischen Kollegen treffen.

Biden will mit Xi sprechen

Zugleich stellte Biden noch in diesem Jahr ein Gespräch mit Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping in Aussicht. „Ich erwarte und hoffe, dass wir im Herbst an unsere Gespräche auf Bali anknüpfen werden. Das ist meine Erwartung.“ Zuletzt hatten sich Biden und Xi auf der indonesischen Insel Bali am Rande des Gipfels der G20-Gruppe der großen Industrie- und Schwellenländer im vergangenen November persönlich getroffen. Eine neue Möglichkeit für ein bilaterales Gespräch der beiden böte sich beim G20-Gipfel in Neu-Delhi in Indien im September. 

Auch der russische Einmarsch in die Ukraine kam bei dem Gipfel in Camp David zur Sprache. Biden betonte, wie groß die Auswirkungen dieses Kriegs über Europa hinaus sind. Das hätten auch die Partner in Asien verstanden, sagte Biden. „Wenn wir stillhalten würden, welches Signal würde das an China in Bezug auf Taiwan senden?“

Rubriklistenbild: © IMAGO/Wang Xinchao

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