Chinas Staats- und Parteichef im vergangenen Oktober auf dem Parteitag der Kommunistischen Partei.
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Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping im vergangenen Oktober auf dem Parteitag der Kommunistischen Partei.

Hohe Jugendarbeitslosigkeit

Chinas Wirtschaft schwächelt: Herrschaft der Kommunistischen Partei in Gefahr

China muss sich auf eine weitere Verlangsamung seines Wachstums einstellen. Besonders bedenklich: Die Jugendarbeitslosigkeit bleibt hoch, die Zuversicht niedrig.

Dieser Artikel liegt IPPEN.MEDIA im Zuge einer Kooperation mit dem China.Table Professional Briefing vor – zuerst veröffentlicht hatte ihn China.Table am 3. Juli 2023.

Peking – Unlängst traf sich die globale Manager-Elite beim Weltwirtschaftsforum im ostchinesischen Tianjin. Mit Leidenschaft versuchte Ministerpräsident Li Qiang die anwesenden Unternehmer von der Dynamik des chinesischen Marktes zu überzeugen. Doch ein Blick auf die Faktenlage zeigt: Lis Worte haben mit der Realität derzeit wenig zu tun.

Über sechs Monate nach der Pandemie-Öffnung zeigt sich immer klarer, dass Chinas wirtschaftliche Erholung nach einem zunächst starken Start schon wieder vorbei ist. Stattdessen deuten viele Anzeichen auf eine deutliche Verlangsamung des Wachstums hin:

  • Der Binnenkonsum ist weiterhin schwach,
  • die Immobilienkrise längst noch nicht vorbei und
  • der Schuldenberg der Lokalregierungen unverändert hoch.

Pessimismus überwiegt in Chinas Wirtschaft

Am vergangenen Freitag hat das Pekinger Statistikamt neue Wirtschaftszahlen veröffentlicht. Demnach ist die Aktivität in Chinas herstellendem Gewerbe im Juni den dritten Monat in Folge gesunken. Der Einkaufsmanagerindex (PMI) liegt derzeit bei 49 Punkten – und damit nach wie vor unter der 50-Punkte-Marke, die zwischen Wachstum und Schrumpfung unterscheidet. Im Dienstleistungssektor schaut es nur marginal besser aus: Der Wert ist immer noch deutlich niedriger, als von nahezu allen Ökonomen prognostiziert.

Auch die private Konkurrenz, der Einkaufsmanagerindex von Caixin und S&P, sieht die Stimmung am Montag nur minimal über der Negativlinie. „Aktuelle Wirtschaftsdaten deuten darauf hin, dass Chinas Aufschwung noch keine stabile Basis gefunden hat, da es nach wie vor an internen Wachstumsfaktoren mangelt und die schwache Nachfrage und düsteren Aussichten andauern“, sagt Wang Zhe, Ökonom bei der Caixin Insight Group.

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Besonders aufschlussreich für die Entwicklung der nächsten Monate ist ein Blick auf die Stahlindustrie, welche als Frühindikator für die Gesamtwirtschaftslage gilt. Wie die Nachrichtenagentur Bloomberg am Freitag berichtete, haben die führenden Staatsunternehmen der Branche in einer ungewöhnlich offenen Botschaft davor gewarnt, dass man vor einer sehr schwierigen zweiten Jahreshälfte stehe. Solch offen formulierte Hiobsbotschaften sind in China überaus selten.

Die größten Kopfschmerzen dürfte den Kadern der Zentralregierung die hohe Jugendarbeitslosigkeit in den Städten bereiten. Diese hat bereits im Frühjahr erstmals die 20-Prozent-Marke durchbrochen und wird im Laufe des Sommers – wenn weit mehr als zehn Millionen Universitätsabsolventen auf den Arbeitsmarkt strömen – weiter steigen.

Neuer Zuschuss für Chinas Unternehmen

Am Montag hat die Regierung in Peking deshalb ihre Fördermaßnahmen ausgeweitet. Unternehmen, die Menschen im Alter von 16 bis 24 Jahren oder Hochschulabsolventen beschäftigen, die seit zwei Jahren arbeitslos sind, können nun einen Zuschuss von 1.500 Yuan (207 US-Dollar) pro Person erhalten, heißt es in einer am Montag veröffentlichten Mitteilung des chinesischen Personalministeriums.

Zuvor hatten nur frische Hochschulabsolventen Anspruch auf die Subvention. Da die Arbeitslosigkeit unter den 16- bis 24-Jährigen mit 20,8 Prozent aber auch im Mai hartnäckig hoch bleibt, hat die Regierung den Umfang der Subvention ausgeweitet, um Unternehmen zu ermutigen, ihre Einstellungen zu erhöhen.

Die Unzufriedenheit der Jugend könnte schon bald zur existenziellen Gefahr für die Kommunistische Partei werden. Schließlich hat die KP in den vergangenen Jahren ihre Macht vor allem dadurch legitimiert, dass sie der Bevölkerung eine materiell bessere Zukunft versprach. Dieser Gesellschaftsvertrag steht derzeit auf der Kippe.

Und Xi Jinping hat außer nationalistischer Propaganda kaum nachhaltige Lösungsrezepte anzubieten. Denn der 70-jährige Staatschef ist nicht gewillt, den ökonomischen Reformkurs seiner Vorgänger fortzusetzen. Eine Liberalisierung würde nämlich unweigerlich auf Kosten der politischen und ideologischen Kontrolle gehen – ein Tauschgeschäft, das Xi nicht gewillt ist, einzugehen.

Chinas Staats- und Parteichef: So stieg Xi Jinping zum mächtigsten Mann der Welt auf

Chinas heutiger Staatschef Xi Jinping (2. von links) mit anderen Jugendlichen im Mao-Anzug
Xi Jinping wurde am 15. Juni 1953 in Peking geboren. Als Sohn eines Vize-Ministerpräsidenten wuchs er sehr privilegiert auf. Doch in der Kulturrevolution wurde er wie alle Jugendlichen zur Landarbeit aufs Dorf geschickt. Das Foto zeigt ihn (zweiter von links) 1973 mit anderen jungen Männer in Yanchuan in der nordwestlichen Provinz Shaanxi. Dort soll Xi zeitweise wie die Einheimischen in einer Wohnhöhle gelebt haben. © imago stock&people
Xi Jinping steht vor der Golden Gate Bridge in San Francisco
Xi Jinping 1985 vor der Golden Gate Bridge in San Francisco: Damals war er als junger Parteichef des Landkreises Zhengding in der nordchinesischen Agrarprovinz Hebei Delegationsleiter einer landwirtschaftlichen Studienreise nach Muscatine im US-Bundesstaat Iowa. Dort nahm die Gruppe nach offiziellen Berichten „jeden Aspekt der modernen Landwirtschaft unter die Lupe“. Anschließend reiste Xi weiter nach Kalifornien. Es war sein erster USA-Besuch. © imago stock&people
Xi Jingping und Peng Liyuan
Zweites Eheglück: Xi Jinping und seine heutige Ehefrau, die Sängerin Peng Liyuan, Anfang 1989. Zu dieser Zeit war Xi Vizebürgermeister der ostchinesischen Hafenstadt Xiamen. Die beiden haben eine gemeinsame Tochter. Xis erste Ehe war nach nur drei Jahren an unterschiedlichen Lebenszielen gescheitert. Seine erste Frau, die Diplomatentochter Ke Lingling, zog in den 1980er-Jahren nach Großbritannien. © imago
Xi Jinping gräbt mit Parteikollegen an einem Damm zur Verstärkung eines Deiches in Fujian
Aufstieg über die wirtschaftlich boomenden Küstenregionen: 1995 war Xi Jinping bereits stellvertretender Parteichef der Taiwan gegenüberliegenden Provinz Fujian – und noch ganz volksnah. Im Dezember 1995 arbeitet er mit an der Verstärkung eines Deiches am Minjiang-Fluss. © Imago/Xinhua
Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigt Chinas Vizepräsident Xi Jinping das Regierungsviertel in Berlin
Vizepräsident Xi Jinping 2009 im Kanzleramt bei Angela Merkel: Die deutsch-chinesischen Beziehungen waren unter Merkel relativ eng und von wirtschaftlicher Zusammenarbeit geprägt. Merkel und Xi reisten aus Berlin weiter nach Frankfurt, um die dortige Buchmesse zu eröffnen. China war als Ehrengast geladen. © GUIDO BERGMANN/Pool/Bundesregierung/AFP
Die Vizepräsidenten Xi Jinping aus China und Joe Biden aus den USA halten T-Shirts mit einer Freundschaftsbekundung in die Kamera
Ein Bild aus besseren Zeiten: Aus ihrer jeweiligen Zeit als Vizepräsidenten kamen Joe Biden und Xi Jinping mehrmals zusammen. Im Februar 2012 demonstrierten sie bei einer Reise Xis nach Los Angeles in einer Schule „guten Willen“ zur Freundschaft mit T-Shirts, die ihnen die Schüler überreicht hatten. Damals fehlten Xi nur noch wenige Monate, um ganz an die Spitze der Kommunistischen Partei aufzusteigen. © FREDERIC J. BROWN/AFP
Ein alter Mann in Shanghai schaut auf Xi bei seiner ersten Rede als Parteichef im Fernseher.
Xi Jinping hat es geschafft: Zum Ende des 18. Parteitags am 15. November 2012 wurde Xi als neuer Generalsekretär der Kommunisten präsentiert – und ganz China schaute zu. Xi gelobte in seiner ersten kurzen Rede als Parteichef, die Korruption zu bekämpfen und ein „besseres Leben“ für die damals 1,3 Milliarden Menschen des Landes aufzubauen.  © PETER PARKS/AFP
Der neue Staatschef Xi Jinping geht hinter seinem Vorgänger Hu Jintao zu seinem Platz in der Großen Halle des Volkes in Peking.
Übernahme auch des obersten Staatsamtes: Xi Jinping wurde auf dem Nationalen Volkskongress im März 2013 Präsident und schloß damit den Übergang von seinem Vorgänger Hu Jintao (vorn im Bild) zur Xi-Ära ab. © GOH CHAI HIN/AFP
Chinas Präsident und seine Ehefrau Peng Liyuan gehen über den Flughafen Orly in Paris.
Xi Jinpings Ehefrau Peng Liyuan ist die erste First Lady Chinas, die auch öffentlich in Erscheinung tritt. Hier kommt das Ehepaar zu einem Staatsbesuch in Frankreich an. Die Gattinnen von Xis Vorgängern hatten sich nie ins Rampenlicht gedrängt. Vielleicht auch, weil Maos politisch aktive dritte Ehefrau Jiang Qing nach dem Tod des „Großen Vorsitzenden“ als Radikale verurteilt worden war. © YOAN VALAT/Pool/AFP
Funktionäre der Kommunistischen Partei Chinas auf dem Weg zum Parteitag in Peking
So sehen KP-Funktionäre aus: Delegierte des 19. Parteitags auf dem Weg zur Großen Halle des Volkes in Peking im Oktober 2017. Auf diesem Parteitag gelang es dem Staats- und Parteichef, seine „Xi Jinping-Gedanken zum Sozialismus Chinesischer Prägung in der Neuen Ära“ in die Parteiverfassung aufzunehmen. Er war der erste nach Mao, der zu Lebzeiten in der Verfassung eine Theorie mit seinem Namen platzieren konnte. Einen Kronprinzen präsentierte Xi auf dem Parteitag nicht – entgegen den normalen Gepflogenheiten. © GREG BAKER/AFP
Xi Jinping nimmt in einer Staatslimousine „Rote Fahne“ die Parade zum 70. Jahrestag der Gründung der Volksrepublik China ab.
70 Jahre Volksrepublik China: Staatschef Xi Jinping nahm 2019 in einer offenen Staatslimousine Marke „Rote Fahne“ die Militärparade in Peking zum Jahrestag der Staatsgründung ab. © GREG BAKER/AFP
Wirtschaftsforum in Wladiwostok
Xi Jinping pflegt eine offene Freundschaft zu Russlands Präsidenten Wladimir Putin – bis heute, trotz des russischen Angriffskrieges in der Ukraine. Putin und Xi teilen die Abneigung gegen die von den USA dominierte Weltordnung. Hier stoßen sie 2018 bei einem gemeinsamen Essen auf dem Wirtschaftsforum von Wladiwostok, auf dem sich Russland als Handelspartner und Investitionsziel im asiatischen Raum präsentierte, miteinander an. © Sergei Bobylev/POOL TASS Host Photo Agency/dpa
Xi Jinping besucht im weißen Kittel ein Labor und lässt sich die Impfstoffentwicklung erklären
Ende 2019 brach in China die Corona-Pandemie aus. Im April 2020 informierte sich Xi Jinping in einem Labor in Peking über die Fortschritte bei der Impfstoffentwicklung. Xi ist bis heute überzeugt, dass China die Pandemie besser im Griff hat als der Rest der Welt. Seine Null-Covid-Politik beendet er nicht, wohl auch wegen der viel zu niedrigen Impfquote unter alten Menschen. © Ding Haitao/Imago/Xinhua
Xi Jinpings Konterfei lächelt von einem Teller mit rotem Hintergrund
Auf dem 20. Parteitag im Oktober 2022 ließ sich Xi Jinping zum dritten Mal zum Generalsekretär der Kommunisten ernennen. Damit ist er der mächtigste Parteichef seit Mao Zedong. © Artur Widak/Imago

Chinas Jugend soll „Bitternis essen“

Auch das übliche Rezept der Wirtschaftsplaner ist längst ausgeschöpft: Immer wieder haben sie riesige Konjunkturmaßnahmen und Infrastrukturprojekte in die Wege geleitet, um die Nachfrage in Zeiten der Krise anzukurbeln. Doch jene Strategie hat nicht nur die Verschuldung der Lokalregierungen in bedrohliche Höhen getrieben, sondern auch zu einem Überangebot auf dem Immobilienmarkt geführt.

Es ist bemerkenswert, wie offen Xi die chinesische Jugend auf harte Zeiten einschwört. Erst kürzlich forderte er sie dazu auf, „Bitternis zu essen“. Das metaphorische Sprichwort umschreibt die Fähigkeit, harte Zeiten des Mangels stoisch ertragen zu können. Doch während Xis Generation noch unter Hungersnöten litt und zu Zwangsarbeit aufs Land geschickt wurde, ist die jetzige Jugend mit Smartphones und Markenklamotten aufgewachsen. Sie ist längst nicht mehr bereit, ähnlich radikale Opfer für den Aufbau der chinesischen Nation in Kauf zu nehmen.

Angesichts des ebenfalls rasant fortschreitenden demografischen Wandels droht der Volksrepublik möglicherweise nun dasselbe Schicksal wie Japan in den 1990er Jahren: eine langanhaltende Periode der Stagnation. Ökonomen gehen zwar davon aus, dass China in der nächsten Dekade eine jährliche Wachstumsrate von drei Prozent erreichen kann, doch für das derzeitige Entwicklungsstadium ist dies deutlich zu niedrig: Nach wie vor gibt es insbesondere in den Hinterlandprovinzen hunderte Millionen Chinesen, die noch nicht in ausreichendem Maße vom Wohlstand der vergangenen Jahrzehnte profitiert haben.

Derweil ist China nun auch bei Innovationen auf Augenhöhe mit Audi, BMW & Co.

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