Innenpolitik-Debatte im ZDF

CDU-Landrat liefert bei „Markus Lanz“ simplen Grund für AfD-Aufschwung

„Markus Lanz“ analysiert mit seinen Gästen den anhaltenden Erfolg der AfD. SPD-Politiker Michael Roth erkennt darin einen besorgniserregenden Trend.

Hamburg – Der Wagner-Aufstand in Russland hat vor wenigen Tagen hohe Wellen auf der ganzen Welt geschlagen. Laut der Politikwissenschaftlerin Sarah Pagung wurden dadurch „Risse im System Putin erkennbar“. Markus Lanz will eine Begründung für diese Aussage.

Pagung erläutert, dass die Revolte von Wagner-Anführer Jewgeni Prigoschin drei Dinge offenbarte. Wladimir Putin habe die Kontrolle über die Informationskanäle verloren. Gleiches gilt in den Augen der Russland-Expertin für einen Teil seines Territoriums, weil die Wagner-Leute dort einfach so durchmarschieren konnten. Prigoschin sei darüber hinaus als „Verräter“ gekennzeichnet worden, eine Bestrafung erfolgte hingegen nicht. Dies stelle das Strafsystem des russischen Machthabers infrage.

„Markus Lanz“ – das waren seine Gäste am 5. Juli

  • Michael Roth, Politiker (SPD)
  • Werner Henning, Politiker (CDU)
  • Anne Hähnig, Journalistin (Die Zeit)
  • Sarah Pagung, Russland-Expertin

Einen zeitnahen Sturz Putins hält Pagung indes für unrealistisch. Für einen solchen Fall skizziert sie dennoch zwei mögliche Szenarien. Ihrer Einschätzung nach wird entweder das gesamte System kollabieren oder ein putin-ähnlicher Politiker den Platz seines Vorgängers einnehmen. SPD-Politiker Michael Roth stellt sich lieber auf die zweite Variante ein. „Es wird sicherlich kein lupenreiner Demokrat“, urteilt der SPD-Vertreter über Putins möglichen Nachfolger. Er erwarte daher keine „Transformation in eine demokratische Zukunft“.

Europas Afrikapolitik bei „Markus Lanz“ angeprangert

Lanz holt die Runde im Anschluss wieder zurück in die Gegenwart und berichtet, dass sich die Wagner-Truppe aktuell in Belarus aufhalte und weitermache wie bisher. Pagung bestätigt dies. Die Organisation rekrutiere beispielsweise nach wie vor und agiere im Ausland ungestört weiter.

Der Gastgeber erwähnt diesbezüglich, wie aktiv Wagner in Afrika sei, während sich die Bundeswehr etwa in Mali auf Wunsch der dortigen Regierung zurückzog. Sie setze stattdessen viel lieber auf die russischen Söldner.

„Das ist mehr als bitter“, kommentiert Roth diese Entwicklung, während Pagung den Grund dafür nennt. Europa messe Afrika in der Außenpolitik schlicht zu wenig Bedeutung bei.

Der SPD-Außenpolitiker Michael Roth nimmt bei „Markus Lanz“ Stellung zum Erstarken der AfD, der Entwicklung des Ukrainekrieges und den Machtverhältnissen in Russland nach dem Wagner-Aufstand.

CDU-Landrat liefert bei „Markus Lanz“ simplen Grund für AfD-Aufschwung

Einen kleineren Fokus auf die Außenpolitik würden die Menschen hierzulande zurzeit offenbar begrüßen. Viele Deutsche beklagen sich zum Beispiel über die Waffenlieferungen an die Ukraine. Die AfD vernahm diese Forderungen und formulierte daraufhin Sätze wie „Das ist nicht mein Krieg“. Lanz fragt sich, warum solche Parolen vorwiegend in Ostdeutschland verfangen.

Nach Auffassung von Werner Henning fühlen sich die Menschen in den neuen Bundesländern durch die globalen Probleme „bedrängt“. Aus diesem Gefühl erwachse die Abneigung gegen die Ukraine-Maßnahmen.

Der thüringische Landrat beschreibt darüber hinaus, wie froh die Ostdeutschen über die Wende waren, weil ihnen kein Zentralstaat mehr im Nacken saß. Die Menschen mussten sich plötzlich nur noch um ihre kleinen Angelegenheiten kümmern. Genau diesen Zustand wolle man in den dortigen Regionen konservieren. Da die AfD genau dies verspricht, feiert sie laut Henning im Osten momentan so große Erfolge.

CDU-Landrat Henning (r.) ordnent den Erfolg der AfD ein.

„Markus Lanz“: Werner Henning nennt AfD-Wahlkampf „Etikettenschwindel“

Michael Roth will den Aufstieg der AfD hingegen nicht mit Ängsten oder Menschen, die sich abgehängt fühlen, erklären. Er erkenne bei den Wählern der Rechtspopulisten viel eher eine „fehlende Wertschätzung für die Demokratie“. Der Politologe wird emotional und betont, dass es in ganz Deutschland „eine verfestigte Verachtung gegenüber der Demokratie gibt“.

Die Journalistin Anne Hähnig unterbricht daraufhin Roths Redeschwall und fragt: „Warum ist es eine Geringschätzung der Demokratie, wählen zu gehen und eine Partei zu wählen, die ihnen nicht passt?“ Roth entgegnet, dass die AfD nicht irgendeine Partei sei. „Sie wird vom Verfassungsschutz als durchgängig rechtsextrem eingestuft.“ Es mache ihn deshalb „sprachlos“, dass diese Partei gewählt werde.

Hähnig kann die Entrüstung nachvollziehen, hält die Verurteilung der AfD-Wähler aber für den falschen Weg. Henning stimmt ihr in diesem Punkt zu. Der CDU-Politiker erinnert Roth daran, dass die Situation in Ostdeutschland nicht nur rational erklärbar sei. Er verweist noch einmal auf die großen Probleme, die die Menschen dort nicht in ihrem Leben haben wollen.

Die AfD prahlte im Wahlkampf damit, die globalen Themen von den Einwohnern im Osten fernzuhalten. Henning erklärt in der Sendung mit Nachdruck, dass dies auf Kommunalebene überhaupt nicht realisierbar sei. Er fordere daher mehr Transparenz, um die Unwahrheiten der AfD aufzudecken.

In einem passenden Einspieler ist zu sehen, wie die Alternative für Deutschland in Sonneberg verspricht, Bundesprobleme auf Kommunalebene zu lösen. „Das ist eine Lüge“, stellt Henning klar und spricht in diesem Zusammenhang von „Etikettenschwindel“.

SPD-Politiker spricht sich gegen AfD-Verbot aus

In einem weiteren Einspieler wird gezeigt, wie Robert Sesselmann, Sonnebergs neuer Landrat, im Vorjahr mit Verschwörungstheorien auf Stimmenfang ging. Solche Narrative würden laut Lanz zunehmend hängen bleiben. Pagung führt vor Augen, dass dies nicht nur in Deutschland der Fall ist. In vielen europäischen Ländern seien die rechtspopulistischen Parteien im Aufwind.

Die Sicherheitsexpertin glaubt zudem nicht, dass sich die Rechtspopulisten – sobald sie an der Macht sind – „entmystifizieren“. Dies sei im Ausland schließlich nicht passiert. Dort hätten die Parteien die Demokratie in ihren Augen stattdessen „ausgehöhlt“.

Auf der Suche nach Lösungsansätzen macht Roth deutlich, dass er ein AfD-Verbot für nicht zielführend hält. Deren Wähler würden dadurch nicht verschwinden. Lanz stimmt ihm zu und fordert als Gegenmaßnahme „bessere Politik“. Roth erwidert, dass Parteien bei globalen Problemen allerdings keine einfachen Lösungen bieten könnten.

Im Umgang mit der AfD will Markus Lanz zum Abschluss von Werner Henning wissen, ob die viel zitierte Brandmauer der CDU weiterhin Bestand hat. „Es ist ein völlig falscher Ansatz“, drückt der Landrat seine Abneigung gegen diesen Ausdruck aus.

Anne Hähnig hält es wiederum für legitim, dass die Christdemokraten theoretisch nicht mit der AfD interagieren wollen. In Sonneberg sei dies aber beispielsweise „unmöglich“, da die CDU dort mit dem AfD-Landrat kooperieren müsse.

„Markus Lanz“ – Das Fazit der Sendung

Die AfD als Partei zu bekämpfen, führt nicht zum erhofften Erfolg. Den Wählern müsse hingegen aufgezeigt werden, dass es für komplexe Probleme keine einfachen Lösungen gibt. Nur dann liefen die Versprechungen der Rechtspopulisten ins Leere. (Kevin Richau)

Rubriklistenbild: © Screenshot / ZDF

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