„Nicht mehr unter Kontrolle“
Prigoschin und Afrika: Massaker durch Wagner-Truppen befürchtet
Eine Verschiebung im Machtverhältnis zwischen dem russischen Präsidenten Putin und dem Chef der Wagner-Gruppe Jewgeni Prigoschin könnte auch Auswirkungen auf dem afrikanischen Kontinent haben.
Dieser Artikel liegt IPPEN.MEDIA im Zuge einer Kooperation mit dem Africa.Table Professional Briefing vor – zuerst veröffentlicht hatte ihn Africa.Table am 27. Juni 2023.
„Alle Länder, die mit Wagner arbeiten, haben zuerst mit dem russischen Staat zu tun gehabt“, sagte der malische Politikwissenschaftler Mady Camara im Gespräch mit Table.Media. „Wenn Russland jetzt als Vermittler fehlt, dann müssen die afrikanischen Länder direkt mit Wagner sprechen.“ Wagner habe sich bisher den bilateralen Vereinbarungen zwischen Russland und den afrikanischen Ländern unterordnen müssen.
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In Zukunft könnte sich Wagner aufzwingen und den afrikanischen Ländern seine Bedingungen diktieren. Dies gilt vor allem für die Länder, in denen die Sicherheitslage prekär ist. Camara beschreibt eine mögliche Verhandlungsposition von Wagner so: „Entweder seid ihr einverstanden und wir bleiben, oder wir geben das Terrain frei und ihr werdet von Rebellen oder Terroristen eingenommen.“ Deshalb meint Camara: „Ich denke, die Länder werden keine Wahl haben und alles akzeptieren, was Wagner ihnen vorschreibt.“
Wagner-Gruppe ist in vielen afrikanischen Ländern aktiv
Der Politikwissenschaftler sieht noch ein zweites Risiko, falls die Gruppe Wagner an Autonomie gewinnen sollte. „Wenn sie nicht mehr unter der Kontrolle der russischen Regierung sind, dann geht das, was sie tun, nur noch sie an. Ihre Handlungen könnten dann weit entfernt von dem liegen, was man Respekt der Menschenrechte nennt“, so Camara. Bereits jetzt stehen Wagner-Truppen in Verdacht, an Menschenrechtsverletzungen beteiligt gewesen zu sein, wie ein UN-Bericht vom Mai über das Massaker in der Stadt Moura in Zentralmali vom März 2022 nahelegt.
In Afrika ist die Wagner-Gruppe bisher in der Zentralafrikanischen Republik mit geschätzt 1800 Soldaten aktiv, in Libyen angeblich mit bis zu 1200 Kämpfern, die aufseiten des Rebellenführers Chalifa Haftar kämpfen, und in Mali mit mehreren Hundert Soldaten. Auch im Sudan ist die Truppe offenbar aktiv. Darüber hinaus ist Wagner in Afrika angeblich auch im Objekt- und Personenschutz tätig. Genaues ist jedoch nicht bekannt. Die russische Regierung hat die Wagner-Aktivitäten in Afrika nie offiziell bestätigt. Westliche Regierungen dagegen sprechen offen von der Präsenz von Wagner-Söldnern. Die USA haben die Gruppe Wagner und ihren Chef sanktioniert.
Enge Verbindung zwischen Russland und Afrika
Die Regierung von Präsident Putin pflegt die Freundschaft mit afrikanischen Staaten immer wieder demonstrativ. Eine afrikanische Delegation besuchte im Juni Moskau, um im Ukrainekrieg zu vermitteln. Für den 27. und 28. Juli hat die russische Regierung zur zweiten Auflage des Afrika-Russland-Gipfels nach St. Petersburg eingeladen. Laut Webseite soll es um Fragen der Zusammenarbeit in Wirtschaft, Bildung, Humanitärer Hilfe, Technologie und Sicherheit gehen. Der erste Gipfel fand 2019 in Sotschi statt.
Malis Militärpräsident Assimi Goïta telefonierte erst vor wenigen Wochen mit Putin und twitterte über den guten Austausch. In der Vergangenheit hat Goïta immer wieder die Souveränität seines Landes betont und sich von Frankreich als langjährigem Verbündeten abgewandt. Außenminister Diop forderte im Juni im UN-Sicherheitsrat den vollständigen Abzug der internationalen Friedensmission Minusma. Deren aktuelles Mandat läuft am 30. Juni aus. Über ihre Zukunft soll am Donnerstag im UN-Sicherheitsrat abgestimmt werden. lcw