Analyse

Israel startet Luftangriffe: „Knock on the roof“ soll Zivilisten warnen

  • Max Müller
    VonMax Müller
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Ein israelischer Armeesprecher erklärt, wie das Militär versucht, Zivilisten in Gaza bei Luftschlägen nicht zu treffen. Menschenrechtler kritisieren die Praktik.

Nach dem Hamas-Terrorangriff mit mehr als 1000 toten Israelis, darunter auch Kinder und Babys, steht eine Bodenoffensive der israelischen Armee wohl bevor. Das Militär hat mehr als eine Million Palästinenser im nördlichen Gazastreifen zu einer Massenevakuierung aufgefordert. Sollte die Operation am Boden starten, drohen verheerende Konsequenzen. „Die Krux liegt im Terrain des Gazastreifens. Der ist sehr eng besiedelt – und die beste Ortskenntnis hat natürlich die Hamas. Sie kennt die Tunnelsysteme. Und wann immer es in einem Krieg unübersichtlich wird, gilt: Es werden viele Zivilisten sterben“, sagte unlängst Stephan Stetter, Professor für internationale Politik und Konfliktforschung an der Universität der Bundeswehr München, Ippen.Media.

Wohl auch deswegen stemmen sich die Vereinten Nationen gegen den Aufruf zur Massenevakuierung. „Die Vereinten Nationen halten es für unmöglich, dass ein solcher Schritt ohne verheerende humanitäre Folgen stattfinden kann“, sagte UN-Sprecher Rolando Gomez am Freitag in Genf. „Die Vereinten Nationen rufen nachdrücklich dazu auf, einen solchen Befehl aufzuheben, um zu vermeiden, dass sich eine ohnehin schon tragische Situation in eine Katastrophe verwandeln könnte“, sagte er.

Israel greift aus der Luft an: „Knock on the roof“ soll Zivilisten warnen

Bisher operiert das israelische Militär ausschließlich aus der Luft. Eine Taktik, die es in der Theorie einfacher macht, Rücksicht auf Zivilisten zu nehmen. Wie das Militär versucht, ihre Luftschläge ausschließlich auf die Hamas zu konzentrieren, erklärte der Sprecher der israelischen Verteidigungsstreitkräfte, Arye Sharuz Shalicar, unserer Redaktion. „Die Ziele sind die Hamas oder dem islamischen Dschihad zugeordnet“, sagte Shalicar. „Dazu zählen Waffendepots und Terrorzellen – aber auch zivile Infrastruktur, die für terroristische Zwecke genutzt werden.“ Der Armeesprecher: „Israel tut alles, um Zivilisten nicht zu schädigen.“ Auf mehreren Wegen versuche man, sie zu schützen: „Eine Möglichkeit sind direkte Anrufe bei den Familien. Dazu verteilen wir Flyer aus der Luft. Die dritte Möglichkeit nennt sich ‚Knock on the roof‘. Dabei wird nicht explodierende Munition abgeworfen, um zu warnen.“ Erstmals eingesetzt wurde diese Taktik 2009.

Es gibt aber auch Berichte, wonach die Warnungen nicht immer funktionieren. Aus vielen kurzen Gesprächen und Chats mit Bewohnern, Bekannten und Kollegen in Gaza ergebe sich ein Bild von massiven Bombardierungen, manchmal ohne jegliche Warnung, berichtete der Spiegel. Die Angriffe hätten eine Wucht, die alle vorherigen Kriege im Gazastreifen übertreffe. Bis Donnerstag wurden mehr als 1400 Palästinenser nach Angaben der Gesundheitsbehörde in Gaza durch israelische Angriffe getötet, mehr als 6200 verletzt.

Kritik an „Knock on the roof”

Trotz des übergeordneten Ziels, Leben zu retten, wurde „Knock on the roof“ kritisiert. Die UN erklären in einem Bericht, dass in einigen Fällen nur fünf Minuten später eine „richtige“ Bombe abgeworfen wurde. – eine Zeitspanne, die nicht immer ausreichen könne. Andere Kritiker argumentieren, dass es trotz der Vorwarnung gerade im Gazastreifen nur wenige sichere Orte für Zivilisten gibt. Das Gebiet ist mit nur 140 Quadratmeilen klein und einer der am dichtesten besiedelten Orte der Welt. Zivilisten, darunter auch Kinder, werden bei den Bombardierungen häufig getötet.

Rubriklistenbild: © Abed Rahim Khatib/dpa