Fehlende Erzieherinnen und Erzieher

Es fehlt bereits bei Kindern – der Fachkräftemangel wird zum Teufelskreis

  • Moritz Maier
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Weil Erzieherinnen und Erzieher fehlen, gibt es zu wenige Kita-Plätze. Dadurch verstärkt sich der Fachkräftemangel der Zukunft. Kann die „silberne Fachkräftereserve“ helfen?

Berlin – Deutschlandweit fehlen rund 400.000 Kita-Plätze. Das liegt unter anderem daran, dass Erzieherinnen und Erzieher rar sind. Der Fachkräftemangel trifft die Kinderbetreuung und Frühbildung hart. Laut Bertelsmann-Stiftung bräuchte Deutschland etwa 300.000 zusätzliche Fachkräfte für einen kindgerechten Erziehungsschlüssel. Ohne diese entwickelt sich ein Teufelskreis.

Kita-Krise in Deutschland: rechtlich zugesicherte Betreuung klappt oft nicht

Fehlen die Angestellten und damit Kita-Plätze, müssen Elternteile – meist die Frauen – häufiger zu Hause bleiben und können weniger arbeiten. Der ohnehin schon große Fachkräftemangel in Deutschland wird also branchenübergreifend weiter verschärft, weil gerade in der Erziehung die Angestellten fehlen. Außerdem leiden die Kinder und ihre Bildung unter dem Arbeitskräftemangel. Für Ekin Deligöz (Grüne), Staatssekretärin im Bundesfamilienministerium, eine nicht hinnehmbare Situation.

In Deutschland fehlen Hunderttausende Erzieherinnen und Erzieher für Kitas. Dadurch bekommen auch immer mehr Kinder keinen Betreuungsplatz – selbst in neu eröffneten Kitas.

„Wir müssen den Fachkräftemangel in Kita, Schulen und Kinderschutz ganzheitlich angehen und dafür alle Möglichkeiten von der Aus- und Weiterbildung über gute Arbeitsbedingungen bis hin zu Zuwanderung in den Blick nehmen“, sagt Deligöz gegenüber IPPEN.MEDIA zur Kita-Krise. „Nur so können wir die Situation für die Fachkräfte verbessern, die bereits jetzt häufig an der Belastungsgrenze arbeiten, und den Teufelskreis von Überlastung und Personalmangel durchbrechen.“

Nicht nur in Kitas fehlen die Fachkräfte – können ältere Menschen helfen?

Die Staatssekretärin von Familienministerin Lisa Paus (Grüne) spricht sich für eine Gesamtstrategie zur Fachkräftegewinnung aus, in der Bund, Länder und Arbeitgeberinnen wie Arbeitgeber zusammenarbeiten sollen. „Gute Bildung und Teilhabe für Kinder sind unverzichtbar – statt den Kitaplatzausbau, den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder oder Verbesserungen in der Betreuungsqualität in Frage zu stellen, müssen wir uns gemeinsam darauf konzentrieren, die Fachkräftelücke in Kitas und Ganztag zu schließen“, sagt Deligöz, die die Fachkräftegewinnung als „eine der drängendsten Herausforderungen unserer Gegenwart und Zukunft“ bezeichnet.

Neben besserer Ausbildung junger Menschen und mehr zielgerichteter Einwanderung, wie die Grünen es fordern, setzen politische Mitbewerber andere Schwerpunkte, um den Fachkräftemangel zu abzufedern. Holger Ludwig, Bundesvorsitzender der Senioren-Union der CDU, sagt, viele ältere Menschen würden gerne länger arbeiten – sofern die Voraussetzungen stimmten. „Arbeiten im Alter muss sich besonders lohnen. Wer nach Eintritt in die Rente weiterarbeiten will, sollte soviel arbeiten können, wie er will – aber steuerfrei“, sagt Ludwig gegenüber IPPEN.MEDIA. Auch CDU-Generalsekretär hat sich in der Vergangenheit immer wieder dafür ausgesprochen, die „schlummernde silberne Fachkräftereserve“ besser zu unterstützen.

CDU-Politiker kritisiert Ampel und fordert „neue Regierung“

Deutlich kritischer wird Linnemanns Parteikollege Ralph Brinkhaus, Bundestagsabgeordneter der Christdemokraten und ehemaliger Fraktionsvorsitzender. Er spricht sich dafür aus, das Arbeitskräftepotenzial in Deutschland zu heben und geht dabei die Ampel-Koalition direkt an: „Die Regelungen zum Bürgergeld, zur Verrentung, zu hohe Steuern und Sozialabgaben setzen zu viele falsche Anreize. Die Ampel Politik hat diese Fehlentwicklung leider beschleunigt. Eine neue Regierung muss dafür sorgen, dass sich Leistung und Arbeit noch mehr lohnen“, sagt Brinkhaus gegenüber unserer Redaktion.

Auch in der Linken will man Arbeitspotenziale in Form von Frauen, die bisher in Teilzeit arbeiten, steigern und ihnen künftig einen leichteren Zugang zum Arbeitsmarkt geben. „Wer also etwas gegen den Fachkräftemangel tun will, muss Kita- und Hortplätze schaffen“, sagt dazu Ateş Gürpinar, Bundestagsabgeordneter und stellvertretender Bundesvorsitzender der Linken.

Fachkräftemangel: „Jobcenter sollten keine Orte der Schikane sein“

„Ein weiteres Problem sind unsere Schulen, die alljährlich zehntausende Jugendliche ohne Abschluss entlassen. In Deutschland gibt es fast zwei Millionen Menschen zwischen 20 und 34 Jahren ohne formalen Berufsabschluss“, so der Linken-Politiker. Die Partei fordert zielgenauerer Ausbildungsangebote. „Jobcenter sollten keine Orte der Schikane sein, sondern aktive Hilfe leisten bei der richtigen Berufswahl und Ausbildung. Vor diesem Hintergrund ist es völlig unverständlich, dass die Bundesregierung die Mittel für Weiterbildungen von Erwerbslosen drastisch gekürzt hat.“

Dass sich in der Kita-Krise etwas tun muss, darin sind sich alle Politikerinnen und Politiker einig. Dass Lösungen weder schnell noch günstig umzusetzen sind, ist allerdings allen bewusst. Denn klar ist: ohne große Investitionen in neue Arbeitskräfte wird der Teufelskreis in der deutschen Ausbildung nicht durchbrochen.

Rubriklistenbild: © IMAGO/ Funke

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