Israel-Krieg
Israels Bodenoffensive verschoben – während Verhandlungen um Geiseln und Feuerpause laufen
- VonKilian Beckschließen
Während im Israel-Krieg geschossen wird, wird verhandelt: Über Geiseln, humanitäre Hilfe und eine Feuerpause zum Schutz von Zivilisten.
Tel Aviv – Es sei die „Quadratur des Kreises“, die Diplomaten gerade im Krieg in Israel betreiben müssten, sagte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) am Montag, 23. Oktober, am Rande des EU-Außenminister-Treffens. Die Außenminister sprachen über eine humanitäre Feuerpause im Gazastreifen. Einige EU-Staaten sowie die USA verhandeln, nach Informationen der New York Times, hinter den Kulissen noch über die Freilassung der israelischen Geiseln. Die erwartete große Bodenoffensive des israelischen Militärs (IDF) hat noch nicht begonnen.
Baerbock macht Hamas für „humanitäre Katastrophe“ verantwortlich
Hunderttausende Zivilisten in Gaza sind auf der Flucht vor Luftangriffen der IDF, in die von Israel ausgerufenen „Safe Zones“. Man könne die „humanitäre Katastrophe nicht eindämmen, wenn der Terrorismus von Gaza so weiter geht“, sagte sie mit Hinblick auf die Massaker der islamistischen Hamas an über 1000 israelischen Zivilisten. Nach den scharfen Verurteilungen im ersten Schock über die Pogrome der islamistischen Hamas in Südisrael, beginnen Baerbock und ihre Amtskollegen nun die feinen Zwischentöne der Diplomatie anzuschlagen.
Spanien, Irland und Belgien fordern Feuerpause
Die EU-Außenminister ringen noch um eine gemeinsame Linie zur humanitären Feuerpause: Ungarn und Deutschland sehen Israels bisheriges Vorgehen als grundsätzlich legitime Selbstverteidigung an. Spanien, Irland und Belgien stehen Israel kritisch gegenüber und forderten angesichts der zivilen Opfer eine humanitäre Feuerpause. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borell sieht eine Feuerpause als nötig an, damit „humanitäre Hilfe hereinkommen kann und verteilt werden kann“. Borells Position wäre ein möglicher Kompromiss: Zeitlich begrenzt, die Waffen schweigen lassen, ohne Israel mindestens implizit die Schuld an zivilen Opfern zuzuschieben.
Hamas schweigt zu Feuerpause
Die Hamas machte bisher keinerlei Anstalten, sich auf eine humanitäre Feuerpause einzulassen. Das Büro von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu äußerte sich noch nicht zur aktuellen Forderung der EU. Allerdings lehnte Netanjahu Feuerpausen in den vergangenen Wochen, mit dem Verweis auf die fortgesetzten Angriffe der Hamas, explizit ab. Auf israelischer Seite streitet man auch bisher ab, die erwartete Offensive zu verschieben. Am Montagmittag mehrten sich die Berichte über IDF-Kräfte in Gaza.
Bilder zeigen, wie der Krieg in Israel das Land verändert




USA verhandeln noch über Geiseln
Die USA, das berichten die NYT und der Fernsehsender CNN übereinstimmend, verhandelten noch über die Freilassung ihrer Staatsbürger. Der zentrale Vermittler sei das Golfemirat Katar. Gleichzeitig bestehe „täglicher“ Kontakt zwischen Washington und Jerusalem auf Kabinettsebene. CNN zitiert zwei Quellen, die über interne Gespräche der US-Regierung informiert sind: Die Regierung mache „Druck auf die israelische Führung“, die Offensive in Gaza zu „verzögern“.
Die US-Regierung handelt scheinbar in der Hoffnung, dass noch mehr Geiseln freigelassen werden könnten. Der ehemalige israelische Premier und Verteidigungsminister Ehud Barak hielt im Gespräch mit Frankfurter Rundschau ähnliches für möglich. Der militärische Arm der Hamas hatte am Samstag, nach der Freilassung zwei US-amerikanischer Geiseln, behauptet, man sei bereit, zwei weitere Geiseln freizulassen. Das berichtete CNN. Ein Sprecher des israelischen Premierministers Netanjahu mutmaßte, dies sei ein Schritt, um die Bodenoffensive der IDF abzuschwächen.
Am Sonntag telefonierten US-Präsident Joe Biden und Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. In einer Zusammenfassung des Weißen Hauses hieß es: Beide bestätigten, dass die „notwendige Unterstützung“ durch humanitäre Hilfe in Gaza fortgesetzt werde. Man habe die „laufenden Anstrengungen für die Freilassung der Geiseln“ besprochen. Die New York Times berichtet unter Berufung auf zwei Quellen: Der US-Verteidigungsminister Lloyd Austin habe seinem israelischen Amtskollegen Yoav Gallant geraten, die Bodenoffensive „hinauszuzögern“.
Das Schicksal der israelischen Geiseln und der Zivilbevölkerung in Gaza und Israel könnte zentral über eine etwaige Nachkriegsordnung entscheiden. Das Leid der Menschen kann den Verhandlungsspielraum einschränken. Wer immer auf israelischer Seite verhandelt, muss etwaige Zugeständnisse dem demokratisch gewählten Parlament erklären. Und auf palästinensischer Seite besteht die Gefahr, dass sich noch mehr Menschen in Gaza auf die Seite der Hamas und des Islamischen Dschihad radikalisieren. (kb mit dpa)
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