Terror der Hamas
Von Netanjahu ignoriert? Israels Minister warnte wohl schon 2016 vor Hamas-Geiselplänen
- VonBettina Menzelschließen
Netanjahu warf seinen Geheimdiensten am Sonntag vor, nicht vor Angriffen der Hamas gewarnt zu haben. Doch offenbar hatte ein früherer Minister den Terror der Organisation bereits 2016 vorhergesehen.
Tel Aviv – In den Morgenstunden des 7. Oktober stürmten etwa 2500 Hamas-Terroristen die Grenzzäune von Gaza und fielen über Land, Luft und Meer nach Israel ein. Ein Massaker folgte: 1400 Menschen starben, mindestens 239 Zivilisten nahmen die Terroristen als Geiseln. Wie am Montag (30. Oktober) bekannt wurde, soll der frühere israelische Finanzminister Avigdor Liberman der Regierung bereits im Jahr 2016 ein Dokument vorlegt haben, das im Detail vor genau diesem Szenario warnte.
Terror der Hamas in Israel: Dokument des früheren Finanzministers warnte vor Überfall
Elf Seiten umfasste das Dokument, das Avigdor Liberman im Jahr 2016 dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu vorlegte, wie das israelische Medium Yedioth Ahronoth am Montag berichtete. In dem Schreiben habe der damalige Finanzminister vor einem Durchbruch der Hamas durch den Grenzzaun gewarnt. Auch habe er vorausgesehen, dass die Terroristen Ortschaften im Süden Israels überrennen könnten. Liberman habe zudem vor Massakern an Zivilisten sowie vor Geiselnahmen gewarnt, wie nun veröffentlichte Auszüge aus dem als streng geheim eingestuften Dokument zeigen.
Die Hamas beabsichtige, „den Konflikt auf israelisches Territorium auszuweiten, indem sie eine beträchtliche Anzahl gut ausgebildeter Kräfte nach Israel schickt, um zu versuchen, eine israelische Gemeinde - oder vielleicht sogar mehrere Gemeinden - an der Grenze zum Gazastreifen zu erobern und Geiseln zu nehmen“, zitiert die Times of Israel aus dem Dokument. Abgesehen von körperlichen Verletzungen könne dies auch zu einem „erheblichen Schaden für die Moral [...] der Bürger Israels führen“, hieß es weiter.
Vorwurf das früheren Ministers: Regierung Israels nahm Warnungen offenbar nicht ernst
Offenbar hatte die israelische Regierung die Warnungen nicht ernst genug genommen. In einem Fernsehinterview am Samstag sagte Liberman, er habe Netanjahu das Dokument im Dezember 2016 übergeben und darin davor gewarnt, dass die Hamas angreifen würde „genauso wie am 7. Oktober“, sofern Israel die Fähigkeiten der Terrororganisation nicht zerschlage. Man habe den Regierungschef damals überreden müssen, das Thema überhaupt in einer Kabinettssitzung anzusprechen. Netanjahu habe das Dokument dann „abschätzig abgewunken“, auch die Chefs der Geheimdienste hätten so reagiert, beschrieb der frühere Außenminister die damalige Situation weiter.
Man habe ihm damals das Gefühl gegeben, er sei „arrogant“, so Liberman. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig verifizieren. Der Politiker ist Knesset-Mitglied und Vorsitzender der säkular-ultrarechten Partei Jisra’el Beitenu (zu Deutsch: Unser Haus Israel). In der Vergangenheit sorgte er immer wieder für Kontroversen – etwa wegen seiner harschen Rhetorik. Der Hardliner gilt als vehementer Kritiker des Premierministers Netanjahu und war zunächst nicht dessen Kabinett zum Krieg in Israel beigetreten.
Netanjahu warf Geheimdiensten vor, nicht vor Angriff gewarnt zu haben
Am Sonntag hatte der israelische Ministerpräsident den Geheimdiensten seines Landes vorgeworfen, nicht vor dem Angriff der Hamas gewarnt zu haben. Im Laufe des Tages zog Netanjahu seine Äußerungen auf der Plattform X (vormals Twitter) aber zurück. Der zurückgezogene Beitrag zeige nur eines, kritisierte der Oppositionsabgeordnete Liberman: „Netanjahu ist nicht an Sicherheit interessiert, er ist nicht an Geiseln interessiert, nur an Politik.“
Die Hamas knüpft die Freilassung weiterer Geiseln an einen Waffenstillstand Israels. Am Montag veröffentlichte die radikalislamische Organisation ein Video mit drei als israelischen Geiseln dargestellten Frauen. Eine von ihnen forderte den israelischen Regierungschef in aufgebrachtem Tonfall auf Hebräisch zu einem „Gefangenenaustausch“ auf. Netanjahu bezeichnete die Bilder wenig später als „grausame Propaganda“. Der jetzige Führer der Hamas, Jahia Sinwar, war im Jahr 2011 bei einem Gefangenenaustausch aus einem israelischen Gefängnis freigekommen.