Staatsrechtler erklärt

„Israels Sicherheit ist Staatsräson“: Welche Folgen der Scholz-Satz für die Bundeswehr haben könnte

  • Max Müller
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Deutschland trägt eine besondere Verantwortung für die Sicherheit Israels. Darin sind sich alle einig. Ein Jurist erklärt, was das für den Krieg in Israel heißt.

„Die Sicherheit Israels ist für uns Staatsräson.“ Der Satz stammt von Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel, auch ihr Nachfolger Olaf Scholz betonte diese Verpflichtung in einer Regierungserklärung am Donnerstag. In exakt diesem Wortlaut steht sie auch auf Seite 155 des Koalitionsvertrags von SPD, Grünen und FDP. Politiker und Beobachter sind sich einig, dass Deutschland eine besondere Verantwortung für Israels Sicherheit trägt. Aber wie sieht die konkret aus?

Militärexperte Carlo Masala sagte dazu am Dienstagabend im ZDF: „In dem Moment, in dem die Existenz Israels auf dem Spiel steht, müsste Deutschland gegebenenfalls bereit sein, aktiv Israel zu verteidigen.“ Konkreter wurde er nicht.

Krieg in Israel verändert Nahen Osten: Staatsräson ist wichtige Säule deutscher Politik

Das mag auch daran liegen, dass der Satz mit der Staatsräson eher ein Mantra der deutschen Politik als ein harter Rechtssatz ist, erklärt Staatsrechtler Alexander Thiele. So richtig weiß keiner, was das ganz praktisch bedeutet. „Es handelt sich hierbei um eine fundamentale politische Leitlinie, die seit der prominenten Aussage Angela Merkels von praktisch allen politischen Parteien geteilt wird und insofern den unumstrittenen Ausgangspunkt deutscher Israel-Politik bildet.“

„Sie lässt sich dabei allerdings allenfalls mittelbar auch auf das Grundgesetz zurückführen“, sagt der Professor für Staatstheorie an der BSP Business & Law School in Berlin IPPEN.MEDIA. „Direkte rechtliche Verpflichtungen ergeben sich aus dieser Aussage gleichwohl aber zunächst einmal nicht.“

Deutschlands Unterstützung beim Krieg in Israel: „Verpflichtung besteht grundsätzlich nicht“

Auch eine „formale Beistandspflicht“, wie etwa innerhalb der NATO, bestehe nicht, sagt Thiele. Viel entscheidender dürfte sein, was Israel von Deutschland erwartet. Die Forderungen reichen von uneingeschränkter Solidarität bis zu einer Einstellung der Entwicklungshilfe für Palästina. Waffenlieferungen oder militärische Unterstützung schließe man aus, sagte Israels Armeesprecher Ayre Sharuz Shalicar dem TV-Sender Phoenix.

So ist zumindest der Status Quo. Angesichts der komplexen Lage, mit zusätzlicher Bedrohung durch die Hisbollah-Miliz im Norden, könnte das strikte Nein aufgeweicht werden – je nachdem, wie die Lage sich entwickelt. „Es ist politisch nicht vorstellbar, dass Deutschland etwa die Lieferung von Waffen ablehnen würde, wenn Israel darum bitten würde“, sagt Thiele. Und ein aktiver Einsatz der Bundeswehr? Das sei ohne UN-Mandat rechtlich schwer vorstellbar. „Eine Verpflichtung dazu besteht aber auch dann grundsätzlich nicht, der Bundestag müsste dem zudem zustimmen“, so Thiele.

Regierung ist am Zug

Durch die undurchsichtige Rechtslage ergebe sich auch kein rechtlicher Anspruch Israels auf deutsche Hilfe, sagt Thiele. „Eine solche Möglichkeit besteht daher ebenfalls nicht, wie das im Übrigen bei außenpolitischen Handlungen die allgemeine Regel darstellt – Gerichte mischen sich in diese hochpolitischen Bereiche nur ungern ein.“

Und so liegt der Ball gerade im Feld der Politik. Thiele: „Die Präzisierungsverantwortung liegt auf der politischen Ebene und hier vornehmlich bei der Regierung. Diese kann also diese Leitlinie nutzen, um konkrete Hilfsleistungen zu begründen. Die Opposition wiederum kann sich auf den Grundsatz berufen, um zusätzliche Schritte zu verlangen und zu monieren, dass das Handeln der Regierung dem Grundsatz nicht ausreichend gerecht wird.“

Deutschland überlässt Israel Drohnen

Einen ersten Schritt hat die Bundesregierung am Mittwoch* getan. Deutschland unterstützt Israel beim Kampf gegen die islamistische Terrororganisation Hamas mit bis zu zwei von der Bundeswehr geleasten Kampfdrohnen vom Typ Heron TP. Wie das Bundesverteidigungsministerium am Mittwochabend mitteilte, hat sich Israel mit der Bitte zur Nutzung an die Bundesregierung gewandt. Das Verteidigungsministerium habe dem zugestimmt. Die Bundeswehr least derzeit fünf Drohnen dieses Typs. In Israel werden an ihnen deutsche Soldaten ausgebildet.

Und Israel hat um weitere Hilfe in Form von Munition für Kriegsschiffe gebeten. Das sagte Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) am Donnerstagmorgen am Rande eines Nato-Treffens in Brüssel. Zudem sollen nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur unter anderem auch Blutkonserven und Schutzwesten angefragt worden seien. Über die Anfragen werde man sich mit den Israelis nun austauschen, sagte Pistorius. «Wir stehen an der Seite der Israelis.»

*Transparenzhinweis: Dieser Artikel wurde am 11.10.2023 zuerst veröffentlicht. Der Abschnitt „Deutschland überlässt Israel Drohnen“ wurde am 12.10.2023 ergänzt.

 

Rubriklistenbild: © Falk Bärwald / dpa