EU-Hilfsgelder

Kein Geschenk an die Hamas: EU-Staaten gegen Zahlungsstopp – trotz Israel-Krieg

  • VonTadhg Nagel
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Deutschland prüft einen vorübergehenden Zahlungsstopp an die Palästinenser. Die EU hält jedoch an ihrer Unterstützung fest.

Brüssel – Der Krieg in Israel hat seit dem Überfall der Hamas bereits zahllose Menschen das Leben gekostet. Die beispiellose Brutalität, mit der die Hamas dabei gegen israelische Zivilisten vorgehen, hat international für großes Entsetzen gesorgt. Direkt nach dem Angriff wurde daher die Forderung laut, als Konsequenz sämtliche Zahlungen an die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) einzustellen.

EU-Erweiterungskommissar Oliver Varhelyi hatte am Montag auf dem Onlinedienst X (ehemals Twitter) mitgeteilt, dass man alle Zahlungen sofort aussetzen werde. Angesichts des Terrors und der Brutalität gegen Israel, könne es kein „Business as Usual“ geben, so Varhelyi weiter.

Kein Geschenk an die Hamas - Mehrheit der EU-Staaten lehnt vorläufiges Einfrieren von Zahlungen ab

Am Dienstagabend waren die EU-Außenminister zu informellen Beratungen zu dem Angriff der islamistischen Hamas zusammengekommen. Im Anschluss erklärte der Leiter des Europäischen Auswärtigen Diensts, Josep Borrell, dass eine überwältigende Mehrheit der EU-Staaten ein vorläufiges Einfrieren von Zahlungen an die Palästinensische Autonomiebehörde ablehne. Lediglich zwei oder drei Länder sähen das anders. Daher soll es vorerst nur eine Überprüfung und keine Aussetzung von Zahlungen geben.

Jospeh Borrell mahnte zur Einhaltung des Völkerrechts bei der israelischen Selbstverteidigung.

Borrell begründete dies damit, dass die Einstellung der Unterstützung für die Palästinensische Autonomiebehörde einem Geschenk an die Hamas gleichkäme. Zudem würde dies die Interessen und die Partnerschaft mit der arabischen Welt gefährden. Nach Angaben der EU-Kommission finanziert die EU vor allem wichtige Leistungen für die palästinensische Bevölkerung. Dazu zählen der Gesundheitssektor sowie Sozialhilfeleistungen für arme Familien. Auch Entwicklungsprojekte in Bereichen wie demokratische Regierungsführung, Rechtsstaatlichkeit, Wasser, Energie und wirtschaftliche Entwicklung fließen die Gelder der EU. Das Hilfswerk der Vereinten Nationen für palästinensische Flüchtlinge im Nahen Osten erhält ebenfalls finanzielle Unterstützung.

Um wie viel Geld geht es?

Von 2021 bis 2024 wurden insgesamt rund 1,2 Milliarden Euro für die Finanzierung von Projekten eingeplant. Die EU ist laut eigenen Angaben der größte Geldgeber für die palästinensische Autonomiebehörde. Nach Angaben der EU-Kommission könnten von den bis Ende 2023 für die Palästinenser eingeplanten Mitteln theoretisch noch etwa 400 Millionen Euro eingefroren werden. 463 Millionen Euro wurden demnach seit Anfang der derzeitigen Planungsperiode im Jahr 2021 bereits ausgezahlt.

Aus Deutschland waren nach Angaben des Entwicklungsministeriums für dieses und das kommende Jahr rund 125 Millionen Euro für die bilaterale Entwicklungszusammenarbeit zugesagt.

Katastrophale humanitäre Lage in Gaza - Israel muss bei Selbstverteidigung das Völerrecht einhalten

„Im Moment steigt die Zahl der Opfer in Gaza. Die humanitäre Lage ist katastrophal. Wir müssen mehr unterstützen, nicht weniger“, so Borrell. Er verurteilte den „barbarischen und terroristischen Angriff“ der Hamas, sagte im selben Atemzug jedoch, das palästinensische Volk leide ebenfalls. Das Recht Israels auf Selbstverteidigung stellte er nicht infrage. Dieses müsse allerdings im Rahmen des Völkerrechts ausgeübt werden. Mit Verweis auf die Position der Vereinten Nationen, machte der Diplomat deutlich, dass „die Unterbrechung der Wasserversorgung, der Stromzufuhr oder der Versorgung einer großen Zahl von Zivilisten mit Lebensmitteln“ nicht mit dem Völkerrecht zu vereinbaren seien.

Damit decken sich seine Äußerungen im Großen und Ganzen mit früheren Erklärungen der EU zum israelisch-palästinensischen Konflikt, auch in Zeiten der Konfliktverschärfung. Sie stehen jedoch im Widerspruch zu den Äußerungen aus Washington. Die Regierung Joe Bidens hat es bisher unterlassen, Israels Vorgehen in Gaza zu kritisieren.

Was sind die Ziele der UNRWA?

1. Bereitstellung von humanitärer Hilfe:
UNRWA stellt grundlegende Dienstleistungen wie Bildung, Gesundheitsversorgung, Sozialhilfe und Notunterkünfte für palästinensische Flüchtlinge bereit. Diese Dienstleistungen sind von entscheidender Bedeutung, da viele Palästinenser in Flüchtlingslagern leben und auf die Unterstützung von UNRWA angewiesen sind.

2. Bildung:
UNRWA betreibt Schulen und Bildungseinrichtungen in den besetzten palästinensischen Gebieten, im Gazastreifen, in Jordanien, im Libanon und in Syrien. Sie bieten Bildungsmöglichkeiten für palästinensische Kinder und Jugendliche.

3. Gesundheitsversorgung:
UNRWA unterhält Kliniken und Gesundheitseinrichtungen, die medizinische Versorgung für die palästinensische Bevölkerung sicherstellen.

4. Soziale Unterstützung:
Die Organisation bietet auch soziale Dienste und Unterstützung für bedürftige palästinensische Flüchtlinge.

Deutschland hat Zahlungsstopp angekündigt - Auch UN-Hilfswerk für die Palästinenser (UNRWA) betroffen?

Einige EU-Staaten, darunter auch Deutschland, haben bereits einen vorübergehenden Zahlungsstopp von bilateralen Finanzhilfen für die Zusammenarbeit mit den palästinensischen Gebieten angekündigt. Das Bundesentwicklungsministerium prüft derzeit zudem auch seine Zahlungen an das UN-Hilfswerk für die Palästinenser (UNRWA). „Wir werden bei der Überprüfung aber nach Prioritäten vorgehen und schnell entscheiden, sobald in diesem Bereich Zahlungen notwendig werden. Denn wir wollen nicht riskieren, dass sich die Lage vor Ort für vulnerable Gruppen wie Frauen, Kinder oder Flüchtlinge noch weiter verschlimmert“, so ein Sprecher des Ministeriums gegenüber der dpa.

Bundesaußenministerin Baerbock versicherte derweil, dass Deutschland auch vor der Überprüfung keinen Terror finanziert habe. Dass die gegebene finanzielle Hilfe durch Bundesregierung und EU auf „besonderen Wunsch“ Israels nochmals überprüft werde, bedeute „ganz und gar nicht“, dass es daran Zweifel gebe. Man wolle die humanitäre Unterstützung jedoch fortsetzen. „Für die Bundesregierung ist wichtig, dass wir die Lebensmittelhilfe, die Wasserversorgung nicht einstellen, denn das brauchen jetzt die Menschen vor Ort ganz, ganz dringend“, sagte Baerbock. (tpn)

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