Putin vor Herausforderungen
„Zieht die Schlinge zweifellos enger“: Sanktionen treffen Russlands Wirtschaft mit voller Wucht
VonBona Hyunschließen
Der Westen verschärft die Sanktionen gegen Russlands Wirtschaft. Zentrale Einnahmequellen drohen wegzubrechen. Wie lange hält Putin noch durch?
Moskau – Es schien widersprüchlich: Russlands Wirtschaft boomt offenbar – trotz Sanktionen, weil der russische Präsident Wladimir Putin dem Anschein nach erfolgreiche Umgehungstaktiken angewandt hat. Ein genauer Blick zeigt allerdings: Je mehr Zeit vergeht, desto herausfordernder wird die Situation für Putin. Denn der kriegsbedingte Aufschwung der Wirtschaft wird nur von kurzer Dauer sein, während die Sanktionen aus dem Westen wirksamer werden und gezielt wunde Punkte der russischen Wirtschaft angreifen.
Sanktionen treffen Russlands Wirtschaft – erstmals auch LNG im Fokus
Am jüngsten Beispiel lässt sich erkennen, wie der Westen Sanktionen gegen Russlands Wirtschaft immer mehr ausweitet. So hat die EU Maßnahmen gegen Russland verhängt, die erstmals russisches LNG betreffen. Es geht dabei um kein Importverbot von russischem LNG, allerdings wird dessen Umladung innerhalb der EU untersagt. Die Folge: Russlands Frachter müssen einen Umweg fahren, um das LNG zu transportieren, was die Lieferzeit verlängert und das Exportvolumen einschränken könnte. Das erklärte auch Svetlana Ikonnikova, Professorin für Ressourcenökonomie von der Technischen Universität München im Gespräch mit Ippen.Media
Wenn Russland aufgrund der LNG-Sanktionen weniger und langsamer LNG verschiffen kann, könnte dies auch Auswirkungen auf die Gewinne im LNG-Geschäft haben. „Die EU und die USA lernen, wie man Sanktionen verhängt und vor allem, wie man sie durchsetzt“, sagte Wirtschaftsexpertin Alexandra Prokopenko im Interview mit n-tv. Prokopenko war ehemals Beraterin der russischen Zentralbank. Das 14. Sanktionspaket sei keine Wunderwaffe – „aber es zieht die Schlinge zweifellos enger“, sagte Prokopenko und verwies dabei auf das Gasunternehmen Novatek, welches bei russischen LNG-Projekten federführend ist.
Sanktionen schmälern Einnahmen für Russlands Wirtschaft
Die Sanktionen könnten dann dazu führen, dass Putin langfristig wichtige Einnahmequellen verliert. Bereits im Mai 2024 hatte der russische Energieriese Gazprom herbe Verluste eingeräumt, weil die Exportmengen stark zurückgingen. Im Jahr 2021 exportierte Gazprom noch über 174 Milliarden Kubikmeter Erdgas in europäische Länder. 2023 beliefen sich die Erdgaslieferungen von Gazprom nach Europa jedoch nur noch auf 28,3 Milliarden Kubikmeter, wie Berechnungen der Nachrichtenagentur Reuters zeigen (Stand Januar 2024).
Auch die Gewinne im Ölgeschäft schrumpften aufgrund der westlichen Sanktionen. Bislang hatte Putin seine Schattenflotten eingesetzt, um das Ölembargo zu umgehen. Aus einem Dokument ging hervor, dass die EU nun die Geisterflotte Sovcomflot mit Sanktionen belegen könnte, um Russlands finanzielle Möglichkeiten im Ukraine-Krieg einzuschränken. Zuerst hatte Bloomberg am Dienstag (11. Juni 2024) darüber berichtet und sich auf das Dokument berufen. Damit würde eine weitere Möglichkeit für Putin wegfallen, den Krieg zu finanzieren.
Sanktionen schränken für Russlands Wirtschaft Finanzierungsquellen ein
Der Westen versucht zudem schon länger, das Swift-System als Druckmittel gegen Russlands Wirtschaft zu nutzen. Das System der Society for Worldwide Interbank Financial Telecommunication (Swift) wird von mehr als 11.000 Banken und Finanzinstitutionen in über 200 Ländern genutzt und ist daher wichtig für den globalen Geldfluss. Die USA und die EU haben nach dem Ausbruch des Ukraine-Kriegs wichtige russische Banken aus dem Zahlungssystem als Sanktionsmaßnahme ausgeschlossen.
Aus dem Swift ausgeschlossene Banken können weder Fremdwährungen beziehen (da eine Überweisung von Fremdwährungen zwischen zwei Banken im Allgemeinen als Auslandsüberweisung unter Einschaltung einer ausländischen Zwischenbank abgewickelt wird) noch Vermögenswerte ins Ausland übertragen. Zwar wäre es möglich, internationale Transaktionen auch ohne das Swift-System abzuwickeln, doch dieser Prozess wäre teuer, komplex und erfordert gegenseitiges Vertrauen zwischen den Finanzinstituten.
Sanktionen gegen Russlands Wirtschaft: Konsum floriert
Die Folgen der Sanktionen werden auch spürbarer in der russischen Bevölkerung. Die Inflation bleibt ein hartnäckiges Problem und zwingt die russische Zentralbank dazu, den Leitzins bei 16 Prozent zu halten. „Wenn man eine gesunde und wachsende Wirtschaft hat, benötigt man keinen zweistelligen Leitzins“, sagte Prokopenko im Interview mit dem Spiegel. Trotz hoher Inflation floriert aber der Konsum in der russischen Bevölkerung – auch, weil die Löhne offenbar steigen. „Die Russen konsumieren, als wäre es ihr letzter Tag auf Erden“, sagte Prokopenko gegenüber n-tv. (bohy)
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