Autohersteller in China
Hinweis aus eigenen Reihen – Doch Zwangsarbeit bei VW?
VonLars-Eric Nievelsteinschließen
Die Debatte um die Zwangsarbeit im chinesischen Xinjiang nimmt kein Ende. Jetzt haben VW-Mitarbeiter neue Hinweise gegeben. Beim Bau einer Teststrecke soll VW Zwangsarbeiter in Anspruch genommen haben.
Berlin – Erst ging es um ein Werk im chinesischen Urumqi, dann um Aluminium, jetzt soll beim Bau einer Teststrecke Zwangsarbeit im Spiel gewesen sein. Der deutsche Autohersteller Volkswagen kommt nicht weg von den Vorwürfen, dass er in der chinesischen Provinz Xinjiang nicht ausreichend auf die Einhaltung von Menschenrechten achte. Jetzt zieht der Autobauer Konsequenzen.
Zwangsarbeit auf VW-Teststrecke vermutet – Mitarbeiter geben Hinweise
Es sind schwerwiegende Vorwürfe, über die das Handelsblatt derzeit berichtet. Neue Hinweise würden aktuell darauf hindeuten, dass beim Bau einer Teststrecke in der Provinz Xinjiang (westliches China) Uiguren als Zwangsarbeiter involviert waren. Dabei beruft sich das Blatt auf den Xinjiang-Forscher Adrian Zenz. Dieser soll von VW-Mitarbeitern Tipps erhalten haben, woraufhin er Unterlagen der am Bau beteiligten Firmen ausgewertet habe.
In seinen China-Geschäften kooperiert VW mit verschiedenen chinesischen Gesellschaften. Einer der Gründe dafür ist, dass China ausländischen Firmen lange Zeit nur dann Zugang zum Markt gewährte, wenn ein einheimischer Akteur mindestens 50 Prozent am Joint Venture hielt. Bei der Teststrecke war es der Fahrzeugbauer SAIC, mit dem VW kooperierte. Zenz soll auf der Website der Baufirma China Railway Fourth Bureau und in anderen Quellen Hinweise darauf gefunden haben, dass uigurische Zwangsarbeiter mitgebaut hätten.
Zwangsarbeit durch „Staatliche Einberufung“ – Peking und muslimische Minderheiten
„Zudem haben Mitarbeiter der Organisationen, die an dem Bau der Teststrecke beteiligt waren, aktiv an Maßnahmen zur Kontrolle und Unterdrückung der Uiguren teilgenommen“, zitierte das Handelsblatt Zenz, der außerdem Senior Fellow bei der Erinnerungsstiftung für die Opfer des Kommunismus in Washington ist. Zenz forscht seit mehreren Jahren zu Zwangsarbeit und Internierungslagern in Xinjiang.
Zur Erklärung: Die Regierung in Peking verschiebt Uiguren durch ein Programm, das sie staatliche Einberufung nennt. Klassifiziert als sogenannte „Überschusskräfte“, meist ärmere Menschen vom Land, verpflichtet die Regierung sie zur saisonalen Zwangsarbeit. Das US-amerikanische Bureau of International Labor Affairs gab dazu an, es handele sich überwiegend um muslimische Minderheiten, die durch das Arbeitsprogramm in ausgewählten Arbeitsumfeldern landen. Hierbei achtet Peking darauf, dass ausreichend Kontrolle und Überwachung möglich sind.
VW prüft nach den Vorwürfen „verschiedene Szenarien“
Jetzt hat sich der Autobauer selbst in die Debatte eingeschaltet. Aktuell, so berichtet die Nachrichtenagentur AFP, befinden sich Vertreter von Volkswagen im Austausch mit dem chinesischen Joint-Venture-Partner SAIC, um die „künftige Ausrichtung der Geschäftsaktivitäten“ zu überprüfen. VW prüfe verschiedene Szenarien, erklärte ein Konzernsprecher.
Volkswagen hatte schon mehrfach wegen der Xinjiang-Thematik in der Kritik gestanden. Erst im Dezember sollte ein Audit Klarheit darüber schaffen, ob im VW-Werk in Urumqi Zwangsarbeit eingesetzt würde. Dabei handelt es sich um eines von über 30 Werken in China, die VW gemeinsam mit chinesischen Geschäftspartnern betreibt. Das Urumqi-Werk hatte dabei allerdings schon viele seiner ursprünglichen Funktionen eingebüßt und war vorrangig zur Abnahme, also der finalen Prüfung von Fahrzeugen, eingesetzt worden. Das Audit hatte am Ende ergeben, dass das Werk keine Zwangsarbeiter einsetzte – woraufhin sich ein Mitarbeiter meldete und auf die Teststrecke verwiesen haben soll.
BASF-Rückzug aus Xinjiang – Zieht VW nach?
In den vergangenen Tagen war VW zunehmend ins Visier der Öffentlichkeit geraten, weil der deutsche Chemiekonzern BASF sich erst aus Xinjiang zurückgezogen hatte. Nach Berichten über Menschenrechtsverletzungen bei seinen Aktivitäten in der Region hatte BASF die Reißleine gezogen und den Verkauf seiner Anteile an zwei Joint-Venture-Unternehmen dort in Aussicht gestellt.
Die VW-Teststrecke ist aktuell noch im Einsatz. Sie dient vorrangig dem Fahrzeugtest bei extremen Temperaturen. Laut dem Experten Zenz waren Arbeiter aus „Armutsbekämpfungsprogrammen“ am Bau beteiligt. Die Regierung in Peking hatte wiederholt international vorgebrachte Vorwürfe der Unterdrückung zurückgewiesen und angegeben, das Vorgehen in der Region diene der Bekämpfung von Extremismus.
Rubriklistenbild: © IMAGO / Georg Ulrich Dostmann
