Beitrag zum Gemeinwohl

Vermögenssteuer-Debatte „große Verirrung“: Wie Reiche trotzdem zum Gemeinwohl beitragen sollen

  • VonMax Schäfer
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Reiche sollen mit der Vermögenssteuer mehr zum Gemeinwohl beitragen. Ein Experte hält das alleine nicht für zielführend – und hat eine andere Idee.

Frankfurt – Angesichts klammer Kassen beim Bund und zunehmender Herausforderungen bei der Bewältigung der Klimakrise und der zunehmenden sozialen Ungleichheit wird die Forderung nach einer Wiedereinsetzung einer Vermögenssteuer laut. „Wir brauchen eine Besteuerung hoher Vermögen, damit auch die Superreichen ihren gerechten Beitrag zum Gemeinwohl leisten“, erklärte etwa Serap Altinisik, geschäftsführende Vorstandsvorsitzende von Oxfam Deutschland, bei der Vorstellung des Ungleichheitsberichts Anfang 2024.

Streit um Vermögenssteuer: Fokus auf Steuern laut Experten „eine große Verirrung“

Felix Oldenburg, Sozialunternehmer und Mitglied des internationalen Beirats der Bundesregierung für Soziale Innovationen, kritisiert die Debatte. „Es ist wirklich eine große Verirrung, wenn wir über die Beiträge von privatem Vermögen zum Gemeinwohl nur über Steuern nachdenken“, sagte Oldenburg im Gespräch mit IPPEN.MEDIA. Der Fokus auf eine Vermögenssteuer sorge im Zweifel dafür, dass sogar weniger fürs Gemeinwohl verwendet werde. „Das Problem der Vermögenssteuer ist nicht, dass es dafür keine politische oder populäre Mehrheit gäbe, sondern das Problem ist erstens verfassungsrechtlich und zweitens praktisch.“

Felix Oldenburg, Mitglied des Beirats der Bundesregierung für Soziale Innovation und Gründer der Plattform „bcause“, will Reiche zu mehr Investitionen in das Gemeinwohl ermutigen, statt lange über eine Vermögenssteuer zu sprechen.

Grundsätzlich ist Oldenburg offen für eine stärkere Besteuerung von Vermögenden. Die Debatte werde jedoch noch viele Jahre dauern, „falls wir überhaupt zu einem praktikablen, verfassungsmäßigen, international abgestimmten Vorschlag kommen werden“. Bisher gibt es lediglich einzelstaatliche Lösungen, europäische Länder gehen etwa unterschiedliche Wege bei der Vermögensbesteuerung.

Ideen gibt es jedoch genug: Oxfam schlägt etwa eine Steuer von zwei Prozent ab einem Vermögen von über fünf Millionen US-Dollar, drei Prozent ab 50 Millionen sowie fünf Prozent ab einer Milliarde vor. „Wenn wir dann eine gute Lösung für eine Vermögenssteuer, wahrscheinlich eher eine Erbschaftsbesteuerung finden, ist das großartig“, sagte Oldenburg.

Oldenburg will private Investitionen ins Gemeinwohl: „Ungleichheit ist ein Problem, aber sie ist auch eine Chance“

Oldenburg drängt jedoch auf mehr Wege, wie Reiche an Finanzierung von Lösungen der aktuellen Krisen beteiligt werden können. „Wir müssen privates Vermögen als unser aller Vermögen begreifen“, sagte der Unternehmer. „Ungleichheit ist ein Problem, aber sie ist auch eine Chance, große Wetten zu finanzieren, die wir staatlich nicht finanzieren können“, erklärte er im IPPEN.MEDIA-Interview.

„Wir müssen alle Kanäle aufmachen“, forderte Oldenburg. Es brauche ein Zusammenwirken von staatlichen und privaten Finanzierungen, „weil sie unterschiedliche Stärken und Schwächen haben“. Den Staat sieht er in der Verantwortung, eine „Art Grundversorgung zu liefern, die nach demokratisch vereinbarten und für alle einheitlichen Standards funktioniert“. Als Probleme sieht er langwierige Verfahren, Verwendungseinschränkungen und das Risiko, dass die Programme von der nächsten Regierung gestrichen werden.

Vermögen für das Gemeinwohl nutzen: Vor- und Nachteile von staatlichem und privaten Mitteln

Der Vorteil privater Investitionen liegt Oldenburg zufolge dagegen bei einer größeren Geschwindigkeit. Zudem sei privates Geld besser positioniert, wenn es darum gehe, „die richtigen Wetten auf die richtigen Unternehmen abzuschließen“. Als Beispiel nannte er dabei Biontech. Auch bei der Finanzierungen für Minderheitenthemen sieht er private Mittel im Vorteil, die keine Mehrheit bei einer staatlichen Haushaltsplanung erhalten würden.

So sei es auch bei der Demokratiefinanzierung, wo Oldenburg das Risiko einer AfD-Regierungsbeteiligung sieht. „Da möchte ich doch ein großes Spektrum von privaten Gebenden haben, um die Diversität der Gesellschaft und das Engagement abzubilden“, sagte er. Die Gefahr, dass Profitinteressen Engagement verhindern, sei dabei „nicht wesentlich“. Oldenburg erklärte: „Eine Gesellschaft, die privates Vermögen nur über Steuern umverteilt, ist zum Schluss weniger innovativ und weniger wirksam. Sie ist nicht handlungsfähig in den Nischen und viel zu langsam.“

Ergänzung zur Vermögenssteuer: Regierungsberater Oldenburg fordert Wandel bei Stiftungen und Spenden

Als Weg für Wohlhabende, sich für das Gemeinwohl zu engagieren, sieht Oldenburg Spenden und Stiften sowie Impact Investing. Bei letzterem handelt es sich um Investitionen in Unternehmen oder Fonds, die zuerst darauf abzielen, eine „positive Wirkung zu erzeugen und nur als zweites Motiv einen Ertrag erwirtschaften wollen“, erklärte der Sozialunternehmer. „Wenn wir das zeitgemäß machen würden, kämen parallel zusätzliche Milliarden fürs Gemeinwohl zustande.“

Dabei sieht Oldenburg jedoch Handlungsbedarf. Wohltätigkeitsorganisationen und NGOs müssten sich erneuern. Zudem fordert er mehr Impact Investing. Spenden sind demnach nicht die alleinige Lösung. „An die eigentlichen Geldsummen kommt man nur heran, wenn es darum geht, auch Geld anzulegen“, sagte er. Dann kriege man Milliardensummen mobilisiert. Dabei will Oldenburg verstärkt auf digitale Wege setzen. Er selbst hat etwa die Online-Plattform „bcause“ gegründet, wo sich die Nutzenden selbst eine Stiftung anlegen und Organisationen und Impact Investments finanzieren könnten.

Rubriklistenbild: © Moritz Frankenberg/dpa/Christian Klant

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