Schulze vor G20-Treffen

„Es ist Zeit, dass sich Milliardäre beteiligen“: Ministerin will Steuer für „Ultrareiche“ in Deutschland

  • Florian Pfitzner
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Entwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) sieht ihr Ressort im Haushalt herabgesetzt. Damit es gerechter zugeht, streitet sie für eine Milliardärssteuer.

Berlin – Kaum steht der Kabinettsentwurf für den Bundeshaushalt, hagelt es Kritik. Seit 2023 gehe es bei Arbeit und Sozialem kaum voran, empörte sich die Linke im Gespräch mit dieser Redaktion. Hilfs- und Entwicklungsorganisationen werfen der Regierung eine „verantwortungslose Rotstift-Politik“ bei der humanitären Hilfe vor. Entwicklungsministerin Svenja Schulze selbst sieht ihr Ressort sogar herabgewürdigt. Die SPD-Politikerin beklagt eine „Diffamierung von Entwicklungspolitik“.

In Schulzes Etat sind für das kommende Jahr derzeit 10,3 Milliarden Euro vorgesehen, rund eine Milliarde weniger als im laufenden Haushaltsjahr. „Eigentlich sollten wir noch viel mehr tun“, sagte die Ministerin bereits nach der grundsätzlichen Haushaltseinigung im Gespräch mit IPPEN.MEDIA. Nun legt sie nach – und greift auf der Suche nach neuen Geldquellen eine Idee auf, die G20-Gastgeber Brasilien in großem Stil vorantreibt.

Milliardäre sollen reguläre Steuern zahlen

„Building a Fair World and a Sustainable Planet“ – das hat sich Brasilien für seine G20-Präsidentschaft vorgenommen: eine gerechte Welt auf einem nachhaltigen Planeten, dies solle das Ziel der 19 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer, der Europäischen Union und der Afrikanische Union sein. Dabei nimmt das Land sehr reiche Menschen in die Verantwortung, indem es für eine neue globale Mindeststeuer streitet. Den Kerngedanken hatte der französische Ökonom Gabriel Zucman entwickelt. Nach seiner Vorstellung sollten alle rund 3.000 Milliardäre auf der Welt mindestens zwei Prozent an Steuern auf ihre Vermögen zahlen.

Ministerin Schulze sieht die soziale Gerechtigkeit in Deutschland durch Steuerschlupflöcher ausgehebelt.

Während der G20-Konferenz in Rio de Janeiro kommende Woche wird das Thema nicht offiziell auf der Tagesordnung stehen. Ministerin Schulze will aber am Rande den brasilianischen Finanzminister Fernando Haddad zu einem Gespräch treffen. „Krisen und Zukunftsinvestitionen fordern den Staatshaushalt momentan enorm“, sagte Schulze jetzt im Gespräch mit dieser Redaktion. „Es ist Zeit, dass sich die Ultrareichen, also die Milliardäre, stärker an der Finanzierung des Gemeinwohls beteiligen.“

In Deutschland leben immer mehr sehr reiche Personen

Das Entwicklungsministerium zählt in Deutschland rund 250 Haushalte mit einem Vermögen von mindestens einer Milliarde US-Dollar. „Eine Steuer von nur zwei Prozent des Milliardenvermögens würde in Deutschland und weltweit für mehr Gerechtigkeit und eine bessere Zukunft sorgen“, erklärte Schulze. Viele Menschen glaubten, Milliardäre würden in Deutschland bereits fair besteuert – „das ist aber nicht so“.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat errechnet, dass eine zweiprozentige Mindeststeuer für Milliardäre allein in Deutschland jedes Jahr bis zu 5,7 Milliarden Euro einbringen könnte. Finanzminister Christian Lindner (FDP) lehnt das Konzept einer globalen Mindeststeuer für Milliardäre als „nicht geeignet“ ab. Schulze hielt nun dagegen: „In Deutschland gilt der Grundsatz, dass finanziell stärkere Schultern mehr tragen als schwächere.“ Für sogenannte Ultrareiche werde dieses Prinzip aber durch Privilegien und Schlupflöcher ausgehebelt, kritisierte die Sozialdemokratin. Es sei „nicht fair“, wenn ein Milliardär prozentual weniger Steuern zahlen müsse als eine Lehrerin oder eine Reinigungskraft. „Ausgerechnet für Milliardäre ist Deutschland ein Niedrigsteuerland.“

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In Deutschland leben immer mehr sehr reiche Personen. Die Zahl der Menschen mit mehr als 100 Millionen Dollar Finanzvermögen stieg nach einer Analyse der Unternehmensberatung BCG im vergangenen Jahr um zehn Prozent. Demnach gab es 2023 in Deutschland 3.300 Superreiche, nach 3.000 im Jahr davor. Damit liegt die Bundesrepublik auf Platz drei, hinter den USA (26.000) und China (8.300). Weltweit gibt es nach dem Bericht zufolge 73.000 Superreiche.

Rubriklistenbild: © Valery Hache/AFP

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