Kampf gegen Armut

Reichensteuer rückt in den Fokus des G20-Gipfels - „Individuen mit ultrahohen Vermögen“

  • Patrick Freiwah
    VonPatrick Freiwah
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Die Kluft zwischen Wohlhabend und Arm vertieft sich. Auf dem G20-Gipfel hat Brasilien einen revolutionären Vorschlag gemacht. Er stößt jedoch auf Gegenwehr.

Rio de Janeiro/München - Steuergerechtigkeit gehört zu den dringendsten Herausforderungen unserer Zeit. Während der Großteil der globalen Bevölkerung brav seine Steuern zahlt, gelingt es einigen der reichsten Menschen, ihr Vermögen geschickt vor dem Fiskus zu schützen.

Dieser Missstand ist nicht nur ein moralisches, sondern auch wirtschaftliches Problem: Die fehlenden Einnahmen könnten Investitionen in Bildung, Gesundheit oder den Klimaschutz ermöglichen. Trotz des Potenzials bleibt das Thema Steuerflucht ein politischer Zankapfel – genau hier setzt die Initiative des brasilianischen Präsidenten Luiz Lula da Silva an.

Brasilien setzt auf dem G20-Gipfel Maßstäbe beim Thema Reichensteuer

Auf dem G20-Gipfel in Rio de Janeiro brachte Brasilien eine globale Reichensteuer prominent auf den Tisch. Die Idee: Eine Mindeststeuer von zwei Prozent auf die Vermögen der rund 3000 reichsten Menschen der Welt. Laut dem französischen Ökonomen Gabriel Zucman, auf dessen Konzept sich der Vorschlag stützt, könnte dies etwa 250 Milliarden US-Dollar pro Jahr generieren.

Mit dem Geld würde Hunger bekämpft, die Armut verringert oder auch Entwicklungsländern bei der Bewältigung des Klimawandels geholfen. „Noch nie gab es so viele Milliardäre auf der Welt“, betonte Lula bereits im Vorfeld des G20-Gipfels der bedeutendsten Industrie- und Schwellenländer. Wenige Tausende Menschen besitzen demnach zusammen fast 15 Billionen Dollar – was der Wirtschaftskraft von Japan, Deutschland, Indien und Großbritannien zusammen entspricht.

Brasiliens Präsident Luiz Inacio Lula da Silva hat trotz Widerständen erreicht, dass das Thema Reichensteuer beim G20-Gipfel auf die Abschlusserklärung kommt.

Brasilien fordert globale Bemühungen für Reichensteuer – Argentinien dagegen

Einem Bericht der F.A.Z. zufolge stieß die Umsetzung bei einigen Staaten auf massive Widerstände: Argentinien, vertreten durch den neu gewählten ultraliberalen Präsidenten Javier Milei, lehnt die Idee offenbar entschieden ab.

Milei bezeichnet Steuern als „Diebstahl“ und argumentiert, dass solche Maßnahmen auf Neid und wirtschaftlicher Ignoranz basieren. Dabei könnte es einen Zusammenhang mit einem vor dem G20-Gipfel terminierten Treffens mit Donald Trump und Elon Musk in Florida geben. Beide gelten dem Bericht zufolge als vehemente Gegner staatlicher Eingriffe in das Vermögen Superreicher.

G20 machen Reichensteuer zum Hauptanliegen - Vorbehalte aus den USA

Im Juli hatte Brasilien auf einem G20-Treffen der Finanzminister einen ersten Durchbruch erzielt, bei dem sich die Mitglieder verpflichteten, reiche Privatpersonen effektiver zu besteuern. Konkrete Details für eine globale Vermögenssteuer waren noch nicht vorhanden. Während Brasilien diesen Teilerfolg feierte, waren Kritiker angesichts der Unverbindlichkeit zurückhaltender.

Die G20: Die wichtigsten Industrie- und Schwellenländer in einer Gruppe

19 Staaten und die Europäische Union bilden die G20. Sie repräsentieren mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung, erwirtschaften über 85 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts und sind für 80 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Diese Staaten gehören dazu:
19 Staaten und die Europäische Union bilden die G20. Sie repräsentieren mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung, erwirtschaften über 85 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts und sind für 80 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich. Diese Staaten gehören dazu: © Lars Berg/dpa
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In Sachen Bevölkerung nur auf Platz Drei, doch bei der Wirtschaftsleistung ganz oben: Die Vereinigten Staaten von Amerika. © Michael Brochstein/dpa
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imago472024753.jpg © imago
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Das bevölkerungsreichste Land unter den G20 ist die Volksrepublik China. Regiert wird der autoritäre Staat von Präsident Xi Jinping, der seine Macht auf dem Parteitag 2022 endgültig festigte. Die 1,3 Milliarden Menschen in China sind für 15 Prozent der Wirtschaftsleistung der G20-Gruppe verantwortlich. © Jade Gao/afp
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Die Gründungskonferenz der G20 fand 1999 in Berlin statt. Bis 2008 firmierten die Gipfel unter der Bezeichnung „Finanzministertreffen“. 2017 kehrte die Gruppe der G20 nach Deutschland zurück und kam in Hamburg zusammen. Der Gipfel wurde von massiven Protesten begleitet. Es kam zu heftigen Auseinandersetzungen von Sicherheitskräften und Demonstranten. Zentrum des Konflikts war der Stadtteil Sankt Pauli. © Michael Kappeler/dpa
Deutschland ist als drittgrößte Wirtschaftsmacht der Welt ebenfalls Mitglied der G20. 2017 fand der Gipfel in Hamburg statt - und wurde begleitet von massiven Protesten und einem gigantischen Polizeiaufgebot.
Deutschland ist als drittgrößte Wirtschaftsmacht der Welt ebenfalls Mitglied der G20. 2017 fand der Gipfel in Hamburg statt - und wurde begleitet von massiven Protesten und einem gigantischen Polizeiaufgebot. © imago
Gastgeber des G20-Gipfels 2017 war der damalige Bürgermeister Hamburgs und spätere Bundeskanzler Deutschlands, Olaf Scholz. Er begrüßte unter anderem US-Präsident Donald Trump und First Lady Melania in der Hansestadt.
Gastgeber des G20-Gipfels 2017 war der damalige Bürgermeister Hamburgs und spätere Bundeskanzler Deutschlands, Olaf Scholz. Er begrüßte unter anderem US-Präsident Donald Trump und First Lady Melania in der Hansestadt. © imago
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Die viertgrößte Wirtschaftsleistung bei den G20 erzielt Japan. Der ostasiatische Staat besteht aus 6.852 Inseln. Bewohnt sind davon 425, auf denen mehr als 125 Millionen Menschen leben. Der Ballungsraum Tokio ist mit 37,3 Millionen Einwohner die größte Stadt der Welt. © Philip Fong/afp
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Großbritannien ist nach dem Brexit zwar kein Mitglied der EU mehr, dafür aber immer noch vertreten bei der G20. Staatsoberhaupt des Königreichs ist seit dem Tod von Königin Elisabeth II. ihr Sohn Charles III. Bei der G20 wird das Land aber durch die Regierung vertreten. © Aaron Chown/dpa
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Frankreich ist eines der drei EU-Länder, das auch mit einer eigenen Vertretung bei der G20 teilnimmt. Das einzige Treffen der Gruppe in der „Grande Nation“ fand im Jahr 2007 in der Hafenstadt Cannes statt. Aktivisten von Oxfam karikieren das Teilnehmerfeld: Angela Merkel, Nicolas Sarkozy, Barack Obama, David Cameron, usw. © Martin Bureau/afp
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Indien ist das Land unter den G20 mit der zweitgrößten Bevölkerung. Im Jahr 2002 fand in Dehli der einzige Gipfel der Gruppe in dem Land statt. Chili gilt als Grundnahrungsmittel in Indien, das offenbar auch von diesen beiden als indische Götter verkleideten Kindern geschätzt wird. © Avishek Das/dpa
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Brasilien ist das größte Land Südamerikas und eines der zwei Länder des Kontinents, die auch in der G20 vertreten sind. Das Land der Strände wie hier Ipanema in Rio de Janeiro erlebte kurz vor dem G20-Gipfel in Bali einen Regierungswechsel. Präsident Jair Bolsonaro wurde abgewählt und Lula da Silva feierte sein Comeback. © Jose Lucena/dpa
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Neben den USA ist auch der andere nordamerikanische Staat Teil der G20: Kanada. Das Land hoch im Norden wurde von 2015 bis 2025 von Premierminister Justin Trudeau regiert. Zweimal hintereinander trafen sich die Mitglieder der G20 in Kanada: Im Jahr 2000 in Montreal und im Jahr 2001 in Ottawa. Mit gerade einmal 35 Millionen Menschen stellt Kanada die drittkleinste Bevölkerung innerhalb der G20. © Chris Roussakis/dpa
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Südkorea ist neben China und Japan das dritte Land aus Ostasien, das bei der G20 dabei ist. Die Hauptstadt Seoul wurde kurz vor dem G20-Gipfel in Bali von einer Tragödie erschüttert. Mehr als 150 Menschen starben bei einer Massenpanik. Tausende kamen in den Straßen zusammen, um der Opfer zu gedenken. © Anthony Wallace/afp
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Russland ist eigentlich auch Mitglied der G20. Ob Präsident Wladimir Putin aber am G20-Gipfel in Bali teilnehmen wird, das steht noch nicht fest. Das Land ist aufgrund des Kriegs mit der Ukraine international zunehmend isoliert, hat mit Ländern wie China und Indien aber auch unter den G20-Staaten noch Verbündete. © Alexander Nemenov/afp
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Australien ist mit Blick auf die Bevölkerung das kleinste Land der G20. Der Staat „Down Under“, berühmt für das Opernhaus in Sydney, ist auch das einzige Land aus Ozeanien in der Gruppe der Zwanzig. © Bai Xuefei/dpa
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Mexiko ist wie der Nachbar im Norden, die USA, Mitglied der G20. Der mittelamerikanische Staat ist mit einer Einwohnerzahl von 127 Millionen der achtgrößte der G20. Viele Menschen in Mexiko feiern wie hier jedes Jahr den Tag der Toten, mit aufwendigen und gruseligen Kostümen. © Eduardo Verdugo/dpa
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Indonesien ist ebenfalls Mitglied der G20. Der Inselstaat beheimatet 257 Millionen Menschen und 128 Vulkane. 80 davon gelten als aktiv. Ausbrüche wie hier beim Vulkan Merapi gehören in Indonesien zum Alltag. © Slamet Riyadi/dpa
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Ein Land auf zwei Kontinenten und ebenso Mitglied der G20: die Türkei. Die Bosporus-Meerenge in Istanbul, der größten Stadt der Türkei, ist der Zugang zum Schwarzen Meer, über das wiederum Getreide für die ganze Welt aus den Häfen von Odessa und Mariupol verschifft wird. © Ozan Kose/afp
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Saudi-Arabien ist, was Wirtschaftsleistung und Bevölkerungszahl angeht, eines der kleinsten Länder der G20. Doch aufgrund der großen Rohstoff-Reserven, hauptsächlich Erdöl, kommt dem Land eine strategisch wichtige Bedeutung zu. Regiert wird das Königreich von Salman ibn Abd al-Aziz. Doch als eigentlicher Strippenzieher in dem absolutistisch regierten Land gilt Kronprinz Mohammed bin Salman (im Bild). © Uncredited/afp
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Südafrika ist das einzige afrikanische Land in der Gruppe der Zwanzig. Es hat außerdem die geringste Wirtschaftleistung aller G20-Staaten. Das Land am Kap der Guten Hoffnung gilt mit seinen Städten wie Johannesburg und Kapstadt als eine Hochburg der Mode - vom Minimalismus bis zur Haute Couture. © Kim Ludbrook/dpa
Italien ist ebenfalls Teil der G20 und wird aktuell durch Premierministerin Giorgia Meloni, hier beim Gipfel in Rio de Janeiro und im Gespräch mit dem ehemaligen Premierminister Kanadas, Justin Trudeau, vertreten.
Italien ist ebenfalls Teil der G20 und wird aktuell durch Premierministerin Giorgia Meloni, hier beim Gipfel in Rio de Janeiro und im Gespräch mit dem ehemaligen Premierminister Kanadas, Justin Trudeau, vertreten. © imago
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Eine Sonderrolle in den G20 kommt der Europäischen Union zu. Sie ist als Staatenbund mit einer eigenen Delegation bei den G20 vertreten. Die EU weist die zweitgrößte Wirtschaftsleistung und die zweitgrößte Bevölkerung in der G20 aus. Mit Deutschland, Frankreich und Italien sind drei EU-Mitgliedsländer auch als Einzelstaaten in der G20 vertreten. © Dragan Tatic/dpa
Neben der EU ist auch die Afrikanische Union beim G20-Gipfel 2025 in Südafrika mit einer Delegation vertreten.
Neben der EU ist auch die Afrikanische Union beim G20-Gipfel 2025 in Südafrika mit einer Delegation vertreten. © imago
2025 findet der G20-Gipfel in Johannesburg statt - unter massiven Sicherheitsvorkehrungen. Die Regierung Südafrika gab bekannt, mehr als 3.500 zusätzliche Polizisten einzusetzen.
2025 findet der G20-Gipfel in Johannesburg statt - unter massiven Sicherheitsvorkehrungen. Die Regierung Südafrika gab bekannt, mehr als 3.500 zusätzliche Polizisten einzusetzen. © imago

Mit den USA in Person der Finanzministerin Janet Yellen ließ den Angaben zufolge ein mächtiges Mitglied durchblicken, dass man an einer globalen Koordination der Steuerpolitik kein Interesse habe. Dabei handelt es sich just um jenes Land, das laut Forbes mit Abstand die meisten Ultrareichen der Welt beherbergt (840 von 2781 Milliardären).

Globale Kooperation gegen Steuerflucht ein heikles Unterfangen

Die Einführung einer globalen Reichensteuer wäre nicht nur ein finanzieller Gamechanger, sondern auch ein bedeutender Schritt gegen Steuerflucht. Viele Superreiche nutzen bestehende Schlupflöcher, um ihr Vermögen in Steueroasen zu parken. Eine einheitliche Regelung könnte diesem Treiben ein Ende setzen.

Doch genau hier liegt das Problem: Die internationale Zusammenarbeit im Steuerbereich ist komplex. Länder wie die USA sehen keine Notwendigkeit für eine globale Koordinierung, wenngleich sich der Noch-Präsident Joe Biden dieses Anliegen auf die Fahnen schrieb. Zudem befürchten Staaten, dass solche Maßnahmen ihre Wirtschaft schwächen, wenn reiche Investoren abwandern. Auch in Deutschland gibt es derartige Bekundungen.

Die Aufnahme der Reichensteuer in die Abschlusserklärung des G20-Gipfels ist mindestens ein symbolischer Erfolg. „Unter voller Achtung der Steuerhoheit wollen wir gemeinsam sicherstellen, dass Individuen mit einem ultrahohen Vermögen effizient besteuert werden“, heißt es in der veröffentlichten Abschlusserklärung der Staats- und Regierungschefs.

Reichtümer und soziale Ungleichheit: Was bleibt vom G20-Vorsitz Brasiliens?

Die Diskussion um die Reichensteuer zeigt den Anspruch, globale Probleme gemeinsam zu lösen. Während Länder wie Brasilien für mehr Gerechtigkeit eintreten, scheuen andere die Konfrontation mit den Superreichen. Doch die Vermögenskonzentration wächst weltweit und die soziale Ungleichheit nimmt zu, während dringende Maßnahmen zum Beispiel im Hinblick auf den Klimawandel mangels Finanzierung auf der Strecke bleiben.

Immer wieder gibt es international Forderungen, Reiche stärker zu besteuern. (Archivbild)

In Deutschland wurde das Vermögen reicher Menschen bis 1996 jährlich mit einem Prozent besteuert. Danach wurde die Vermögenssteuer nicht mehr erhoben. Dieser Verzicht kostete den deutschen Staatshaushalt seitdem mehr als 380 Milliarden Euro, erläutert eine Studie, die das Netzwerk Steuergerechtigkeit gemeinsam mit der Entwicklungsorganisation Oxfam veröffentlichte. (PF)

Rubriklistenbild: © IMAGO/Leco Viana

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