Verschärfte Energiestandards

Krise beim Wohnungsbau: Geywitz will Klima-Vorgaben im Neubau kippen

  • Amy Walker
    VonAmy Walker
    schließen

Die Wohnungsbaukrise weitet sich immer mehr aus. Bauministerin Klara Geywitz (SPD) muss handeln – und schlägt ein Aussetzen der Klima-Pläne für den Neubau vor.

Berlin – Die Krise auf dem Wohnungsmarkt nimmt kein Ende. Am Freitag teilte das Statistische Bundesamt mit, dass im ersten Halbjahr 2023 die Zahl der Baugenehmigungen um 27 Prozent eingebrochen ist. Und auch eine aktuelle Studie des ifo Instituts kommt zu einem besorgniserregenden Ergebnis: Im Juli klagten 40,3 Prozent der Unternehmen über Auftragsmangel, nach 34,5 Prozent im Juni, wie das Münchner Wirtschaftsforschungsinstitut am Montag mitteilte.

Die Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) gerät in Zugzwang. Am Wochenende kündigte sie ein Hilfspaket für die Baubranche an, das im September fertig sein soll. Zudem sprach sie sich in einem TV-Interview am Montag für eine Lockerung der Energiestandards für Neubauten aus.

Geywitz: EH-55 soll nicht auf EH-40 erhöht werden

Konkret forderte sie, dass die geplante Verschärfung der Neubaustandards zum 1. Januar 2025 gekippt werden soll. „Aus meiner Sicht ist die Situation jetzt nicht so, dass man bei den Baupreisen und den ganz stark zurückgegangenen Bauanträgen noch weitere Standardverschärfungen machen sollte“, so Geywitz dem Sender ntv.

Seit dem 1. Januar 2023 müssen neue Gebäude den Energiestandard EH-55 erfüllen. Das bedeutet: Es verbraucht maximal 55 Prozent dessen, was ein Referenzgebäude an Energie verbraucht. Der EH-55-Standard wurde eingeführt, damit die Klimaziele im Gebäudesektor schneller erreicht werden. In einem zweiten Schritt ab 1. Januar 2025 sollte dann noch eine Verschärfung kommen: Neubauten sollten den Energiestandard EH-40 erreichen, also nur noch 40 Prozent des Energieverbrauchs des Referenzgebäudes.

Ein Effizienzhaus im Neubauviertel von Castrop-Rauxel (NRW)

Geywitz zieht in Erwägung, diese Verschärfung doch nicht mehr durchzuführen. Das würde mutmaßlich auch gut in der Branche ankommen: Die immer höheren Anforderungen an Neubauten gelten als einer der Gründe für die Auftragsflaute. Am Freitag brachte es der Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie (HDB), Tim-Oliver Müller, auf den Punkt: „Nach wie vor sorgen Zinssteigerungen, deutlich zulegende Baukosten, nochmals erhöhte energetische Anforderungen und die Unsicherheit über das weitere Vorgehen der Politik für ein Umfeld, in dem Investoren weiter auf der Bremse stehen.“ Besserung sei nicht in Sicht.

Geywitz: 400.000 Wohnungen im Jahr nicht zu halten

Im ntv-Gespräch gab Bauministerin Geywitz außerdem zu, dass das Ziel der Bundesregierung, jährlich mindestens 400.000 Wohnungen im Jahr zu errichten, nicht zu halten sei – auch langfristig nicht. „Es ist natürlich in einer Situation, wo Deutschland ein sehr, sehr geringes Wachstum hat, nicht realistisch, dass wir ein Wachstum im Bereich der Bauwirtschaft von 33 Prozent haben.“ Das wäre theoretisch erforderlich, um das Ziel noch zu erreichen. Ihr neues Ziel laute daher einfach nur: zurück auf einen Wachstumspfad kommen.

Rubriklistenbild: © IMAGO/Rupert Oberhäuser

Mehr zum Thema