In Afrika geht die Seuche um
Rekord-Preis beim Kakao – Bei den Bauern kommt das Geld nicht an
VonLars-Eric Nievelsteinschließen
Kakao ist so teuer wie selten zuvor. Trotzdem drohen im Sommer leere Regale und bei den Bauern kommt das Geld nicht an. Die EU steuert gegen.
Vevey, Schweiz – Seit Jahren stehen Nestlé und andere große Schokoladenhersteller in der öffentlichen Kritik. Hauptsächlich geht es dabei um Menschenrechte. Auf Kosten von Kakaobauern, die teils deutlich unterhalb der Armutsgrenze leben müssen, würden sich die großen Konzerne um Milliarden bereichern. Eine Reihe neuer Regulierungen soll eine Ausbeutung verhindern.
| Preis pro Tonne für Kakao (Stand 13. Februar 2024) | 5.868 US-Dollar (Rohstoffbörse New York) |
|---|---|
| Von Kinderarbeit betroffene Kinder (Ghana und Elfenbeinküste) | 1,5 Millionen (Norc-Institut Universität Chicago) |
| Das LkSG gilt für Unternehmen mit einer Mitarbeiterzahl von | 1000 |
| Anteil Ghana und Elfenbeinküste an globaler Kakaolieferung | Etwa zwei Drittel |
Baumkrankheit sorgt für massenhafte Ernteausfälle beim Kakao
Aktuell steigen die Preise für Kakao drastisch. Innerhalb des letzten Jahres verdoppelte sich der Preis für die Tonne, berichtete die Tagesschau Anfang Februar – am 13. Februar stand er bei 5.868 US-Dollar. Der Grund dafür: Das Angebot ist knapp. Laut der Internationalen Kakao Organisation (ICCO) haben Regen und Überflutungen in den Anbaugebieten Krankheiten wie der Schwarzfäule den Weg bereitet. Branchenexperten haben Sorgen, dass auch die Zwischenernte in Westafrika, die im April stattfinden soll, beeinträchtigt werden könnte.
Die Schokoladenhersteller fürchten sich um die Versorgung. „Dieses Jahr dürfte es ein Erntedefizit von 500.000 Tonnen Kakao auf dem Weltmarkt geben“, prognostiziert Hermann Bühlbecker, dem der Gebäckhersteller Lambertz gehört. „Das ist dramatisch.“ Engpässe wie zurzeit habe der Unternehmer noch nie erlebt. Es sei nicht einmal sicher, ob im Sommer und Herbst genug Schokolade vorhanden sein wird.
Teurer Kakao bringt den Bauern nicht mehr Geld
Allerdings haben die Kakaobauern in Ghana und der Elfenbeinküste nichts von der Verteuerung. Die staatlichen Verkaufsgesellschaften beider Länder hatten mehr als die Hälfte der im Oktober angelaufenen Ernte schon im Frühjahr verkauft, als der Preis noch längst nicht so hoch lag. Der Kakaoexperte Friedel Hütz-Adams vom Bonner Südwind-Institut, das sich für eine gerechte Wirtschaft einsetzt, sagte im Handelsblatt: „Wenn der Kakaopreis auch in guten Erntezeiten dauerhaft über 5000 Dollar bliebe, wären wir die meisten Probleme im Kakaosektor inklusive Kinderarbeit los.“
Schokoladenhersteller wie Nestlé müssten mehr für Kakao zahlen, findet der Experte. Derzeit kommt der Kakao in Deutschland etwa zu zwei Dritteln aus der Elfenbeinküste. Seit Langem kursieren Berichte über Kinderarbeit. Die betroffenen Kinder arbeiten teils mit Macheten oder setzen sich – teils in Europa verbotenen – Pestiziden aus. Viele der Menschen in Ghana und Elfenbeinküste leben in „bitterer Armut“, sagte Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD), der sich letztes Jahr selbst ein Bild von der Situation machte.
Das Lieferkettengesetz soll beim Schutz von Menschenrechten helfen
Die Europäische Union und die Mitgliedstaaten haben nun mehrere Richtlinien entworfen, um derartige Missstände zu bekämpfen – auch aus der Ferne. Die sogenannte Entwaldungsverordnung der EU nimmt Produzenten bei Rohstoffen wie Kakao in die Pflicht, Menschenrechte, Umweltschutz und faire Bezahlung im Erzeugerland einzuhalten. Herstellern, die sich auf Kinderarbeit verlassen, droht dann ein Verkaufsverbot.
Außerdem hat die Europäische Kommission im Februar 2022 den Vorschlag für eine Lieferkettenrichtlinie innerhalb der EU vorgelegt. Diese enthält umwelt- und menschenrechtsbezogene Sorgfältigkeitspflichten. Große Unternehmen müssen dabei einen sogenannten „Klimaplan“ erstellen. Nach dem Entwurf sollte der Anwendungsbereich gegenüber dem deutschen Lieferkettengesetz (LkSG) auf EU- und ausländische Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten und mehr als 150 Millionen Euro Nettoumsatz ausgeweitet werden. Für Unternehmen in Risikosektoren wie der Textil- und der Landwirtschaft liegt die Grenze bei 250 Beschäftigten und 40 Millionen Euro Umsatz.
Das LkSG verpflichtet Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten auf nationaler Ebene, Sorgfaltspflichten einzuführen, um menschenrechtsbezogene und bestimmte Umweltrisiken zu adressieren.
So verfolgen die Unternehmen den Kakao
Schon am Beispiel der Automobilindustrie zeigte sich kürzlich, dass die Umsetzung solcher Richtlinien nicht immer leicht ist. Im Fall der Kakaoproduktion sind allerdings deutlich weniger Unternehmen betroffen. In Afrika scheint die Digitalisierung die Lösung für das Problem der Nachverfolgung zu sein. Eine EC-Karte mit Chip, Daten und QR-Code soll es richten.
„Bis zum Ende der Erntesaison 2023/24 wollen wir sämtliche Erzeuger mit einer Karte ausstatten“, erklärte Dadie Arsène von der Kakao-Kontrollbehörde gegenüber der dpa. „Wir wissen dann genau, von welcher Parzelle welche Kakaosäcke kommen.“ So soll eine Prüfung danach, ob die Unternehmen die Anforderungen in der Lieferkette einhalten, möglich sein. Außerdem sollen die Bauern über diese Karte ihr Gehalt bekommen. „Im Kakaosektor werden die Gesetze erhebliche Auswirkungen haben“, erklärte der Experte Hütz-Adams. „Das erzeugt sehr viel Druck innerhalb der Kakao- und Schokoladenindustrie.“
Mit Material von dpa
Rubriklistenbild: © IMAGO / Newscast
