CCS-Gesetz
Habeck will CO₂ unter dem Meer lagern: So könnte das neue Gesetz zur CO₂-Speicherung aussehen
VonAmy Walkerschließen
Bis Ende des Jahres will Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) einen Gesetzesentwurf zur CO₂-Speicherung vorlegen. Was könnte dabei geplant sein?
Berlin – Die Zeit drängt. Um die deutschen und europäischen Klimaziele zu erreichen, muss endlich richtig viel CO₂ eingespart werden. Eingespart und – darum geht es jetzt hier – unter der Erde gespeichert werden. Der Begriff dafür lautet Carbon Capture and Storage (CCS), auf Deutsch ist meistens von CO₂-Speicherung die Rede. In Deutschland ist diese Technologie aktuell nur zu Forschungszwecken erlaubt. Das Verbot will Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nun kippen.
CCS ist Bedingung für Fortbestehen bestimmter Industriezweige
Das Thema ist heikel, weil der Begriff CCS in Deutschland vorbelastet ist. Vor ungefähr 20 Jahren waren es nämlich die Betreiber von Kohlekraftwerken, die den Vorschlag einbrachten, das CO₂ beim Verbrennen abzuscheiden und dann unter der Erde zu speichern. Das wurde aber als Versuch der Branche gewertet, auf Kosten der Umwelt ihre eigene Haut zu retten – und CCS wurde 2012 faktisch verboten.
Doch das Verbot sucht die deutsche Industrie nun heim. Denn es gibt Branchen, die trotz aller erdenklichen Maßnahmen – Elektrifizierung mit grünem Strom, Umstellung auf Wasserstoff, Verwendung von Biomasse und Abwärme, Reduktion des Verbrauchs – immer CO₂ ausstoßen werden. Dazu gehören vorrangig die Branchen, die mit Zement, Kalk, oder Müllverbrennung arbeiten. Um die Klimaneutralität bis spätestens 2050 zu erreichen, steht Deutschland also vor der Entscheidung: Entweder dürfen diese Branchen ihr CO₂ jetzt doch abscheiden und speichern. Oder diese Branchen müssten gänzlich verschwinden – ins Ausland, wo CO₂-Speicherung erlaubt ist.
Dena: Folgende Empfehlungen wurden an die Regierung übergeben
Für den Wirtschaftsminister kommt letzteres nicht infrage. Weshalb sein Ministerium an einer Überarbeitung des CCS-Gesetzes arbeitet. Wie Ippen.Media aus informierten Kreisen erfahren hat, wird die Strategie aktuell intern im Ministerium beraten. Es wird erwartet, dass es in den kommenden Wochen noch in die Ressortabstimmung geht. Ganz genau ist es nicht abzusehen, Experten und Expertinnen vermuten aber, dass im Dezember oder Januar ein Entwurf auf den Tisch kommt, damit im ersten Halbjahr 2024 das Gesetz beschlossen werden könnte. Das Thema nimmt jetzt also richtig an Fahrt auf.
Wie soll das neue Gesetz zur Speicherung von CO₂ also aussehen? Im Laufe des Jahres 2023 hat es einen „Stakeholder-Dialog“ zum Thema CCS in Deutschland gegeben. Gemeinsam haben die Teilnehmenden ihre Wünsche und Bedenken erarbeitet, die staatliche Energieagentur dena hat den Austausch moderiert und dann Empfehlungen an die Bundesregierung weitergeleitet. Wie Teilnehmerkreise bestätigten, kamen dabei folgende Kern-Empfehlungen für das Gesetz heraus:
- CCS sollte für Branchen zugelassen werden, in denen CO₂ unvermeidbar ist (Kalk, Zement, Müllverbrennung)
- CCS sollte auch für die chemische Industrie zumindest als Überbrückungstechnologie zugelassen werden (z.B.: Stahl, Chemie, Glas)
- CCS sollte für die Energiebranche untersagt werden – und auch für Branchen, bei denen es Alternativen (Elektrifizierung) gibt
- Nach Möglichkeit sollte die Technologie so eingesetzt werden, dass negative Emissionen entstehen. Das ist dann der Fall, wenn Biomasse als Energieträger zum Einsatz kommt, da die Pflanzen ursprünglich CO₂ aus der Atmosphäre aufgenommen haben (Biomasse wird aber nicht überall möglich sein, da nicht überall verfügbar)
- Das CO₂ sollte zur Speicherung möglichst exportiert werden. CO₂-Speicherung in Deutschland wird von Umweltverbänden abgelehnt. Dennoch sollten die Kapazitäten für eine Speicherung hierzulande geprüft werden, damit man bei Bedarf einen Plan dafür hätte.
Umweltverbände erkennen CCS als notwendigen Schritt an
Umweltorganisationen in Deutschland sehen die Technologie zum Teil kritisch, auch wenn sie anerkennen, dass es für einige Industriezweige keine andere Option gibt. Der Nabu vertritt die Meinung, dass CCS in Zukunft nur für „unvermeidbare Restemissionen“ verwendet werden sollte. Da Transport und Abscheidung von CO₂ energieintensiv ist, müsse gewährleistet werden, dass hier ausschließlich erneuerbare Energien zum Einsatz kommen. „CCS erfordert zudem eine langfristige, generationsübergreifende Überwachung der Lagerstätten. Nur wenn das eingelagerte CO₂ dauerhaft und vollständig in den Speichern verbleibt, können diese Technologien einen realen Beitrag zum Klimaschutz leisten“, so der Nabu weiter.
Der WWF vertritt eine ähnliche Position. Es sei besonders wichtig, „dass die Industrie erst alle Optionen zum Dekarbonisieren ausschöpft, bevor CCS angewendet wird“, so die Umweltorganisation ergänzend.
Der BUND hingegen ist klar gegen die Anwendung von CCS. Es werde dafür zu viel Energie verwendet, es entstehe die Gefahr, dass hierfür immer wieder auf fossile Energieträger wie Kohle und Erdgas zurückgegriffen werden müsse. Zudem sei die Gefahr von Leckagen groß – und eine Bürde für zukünftige Generationen, die die CO₂-Lager überwachen müssten. Auch Greenpeace sieht CCS als Gefahr an: „CCS ist eine Scheinlösung, die einem großen Teil der Wirtschaft auf dem Weg zur Klimaneutralität nicht helfen wird“, meint Greenpeace-Energieexperte Karsten Smid. Auch die Umweltfolgen durch Leckagen prangern die Aktivisten an.
Geologen sehen die Risiken einer Leckage jedoch als recht gering an. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe erklärt: „Für die Langzeitsicherheit haben die geologischen Bedingungen des Untergrundes die größte Bedeutung. Durch das Vorkommen natürlicher Erdgas- und CO₂-Lagerstätten wissen wir, dass geologische Schichten in der Lage sind, Gase über mehrere Millionen von Jahren zurückzuhalten.“ Es sei also oberste Priorität, die richtigen geologischen Bedingungen ausfindig zu machen. Dennoch sei eine ständige Überwachung weiterhin vonnöten.
Rubriklistenbild: © Kay Nietfeld/dpa

