Experte rechnet ab

Experte zerstört Ampel-Hoffnung bei Bürgergeld-Plänen: „Schaffen nicht einen Arbeitsplatz“

  • VonMax Schäfer
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Die Ampel-Regierung verschärft die Bürgergeld-Richtlinien und erwartet dadurch einen Wirtschaftsaufschwung. Ein Spezialist entlarvt diese Erwartung als Trugbild.

Berlin – Auf Bürgergeld-Beziehende sollen nach den Plänen der Ampel-Koalition strengere Regeln zukommen. Dazu zählen etwa die Meldepflicht und härtere Sanktionen. Ziel ist, die erwerbslosen Menschen in Arbeit zu bringen und so das Potenzial der sogenannten Wachstumsinitiative zu nutzen. Ob das gelingt, ist umstritten. „Alle angekündigten Maßnahmen schaffen nicht einen qualifizierten Arbeitsplatz mehr, schüren aber weiterhin Vorurteile gegen Bezieherinnen und Bezieher von Bürgergeld“, urteilte Joachim Rock, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands.

Bürgergeld-Verschärfungen führen nicht zu einem zusätzlichen Wirtschaftswachstum – meint Verband

Die Annahme, die Verschärfungen beim Bürgergeld könnten zu einem zusätzlichen Wirtschaftswachstum führen, sei verfehlt, erklärte Rock am Montag, 4. November, in einer Anhörung im Bundestag. Er war einer der Sachverständigen, die der Ausschuss für Arbeit und Soziales im Bundestag zum sogenannten „SGB-III-Modernisierungsgesetz“ gehört hat, in dessen Zuge jedoch auch die Formulierungshilfen des Arbeitsministeriums zum Bürgergeld verabschiedet werden sollen.

Die härteren Bürgergeld-Regeln, die Hubertus Heils Arbeitsministerium dem Bundestag vorgelegt hat, bringen laut Joachim Rock nicht einen qualifizierten Arbeitsplatz mehr. (Montage)

Der Paritätische Gesamtverband verweist in einer Mitteilung auf die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit, wonach es „nur wenige 1000 Fälle“ bekannt seien, „in denen aus verschiedenen Gründen konkrete Jobangebote nicht angenommen wurden“. Tatsächlich ist die Zahl der Bürgergeld-Beziehenden, die sanktioniert wurden, weil sie Arbeit abgelehnt haben, mit knapp 14.000 Fällen im gesamten Jahr 2023 im Verhältnis zu 5,5 Millionen Leistungsberechtigten gering.

Bürgergeld-Sanktionen helfen nicht bei der Vermittlung in den Arbeitsmarkt – kritisiert Joachim Rock

Die geplanten Bürgergeld-Verschärfungen „führen zurück in Hartz IV-Zeiten, sie verschärfen sie zum Teil sogar noch“, sagte Joachim Rock im Bundestag. „Es ist eine Abkehr von den Prinzipien des Bürgergeldes.“ Das sei sozial- und beschäftigungspolitisch falsch. Besonders die Sanktionen um 30 Prozent des Regelbedarfs aufgrund von verpassten Terminen im Jobcenter sind nach Ansicht des Experten „maßlos“ und „unverhältnismäßig“.

Der Verband zweifelt in der Stellungnahme zum Gesetzentwurf zudem die Wirkung von Bürgergeld-Kürzungen als Sanktionen als Mittel der Vermittlung der Erwerbslosen in den Arbeitsmarkt an. Die Arbeitsbereitschaft sei stark ausgeprägt, die Betroffenen wollten sich einbringen. Fast alle Leistungsberechtigten im Bürgergeld litten jedoch unter einem Vermittlungshemmnis, erklärt der Paritätische.

Dazu zählten gesundheitliche Probleme, fehlende Schul- und Berufsabschlüsse, ein hohes Alter und Verantwortung für Kinder. „Sanktionen setzen unter diesen Bedingungen Leistungsberechtigte zusätzlich unter Druck und helfen bei der Arbeitsintegration nicht“, so die Kritik.

Bürgergeld-Meldepflicht hilft nicht bei Vermittlung in Arbeit und ist „reine Schikane“ – warnt Experte

Auch die Meldepflicht, dass Jobcenter die Arbeitslosen monatlich zu Terminen zwingen können, sei „in keiner Weise ein Beitrag“ zur Beschäftigungsförderung, kritisierte Rock in der Anhörung. Menschen würden dadurch abgeschreckt und verunsichert – gerade bei „benachteiligten Zielgruppen“ sei das ein Problem. „Die gehen dann vielleicht aus dem System“, warnte Rock im Bundestag.

In Kombination mit der Erhöhung der Leistungsminderung auf 30 Prozent des Bürgergelds sei die Maßnahme „vollkommen überzogen und letztlich Schikane“, heiß es in der schriftlichen Stellungnahme. „Jemanden unter das Existenzminimum zu drücken, weil er oder sie mal einen Termin bei der Arbeitsagentur verpasst, ist zutiefst unsozial“, erklärte Rock.

Fachleute fordern Maßnahmen zur Vermittlung Bürgergeld-Beziehender „in gute Arbeit“ und Finanzierung der Jobcenter

Nach Ansicht des Paritätischen Gesamtverbands brauche es Maßnahmen, „um die Menschen in gute Arbeit zu führen, aber kein neues Strafsystem“. Die Kritik des Verbands ähnelt dabei Helena Steinhaus Bewertung der härteren Bürgergeld-Regeln, die einen Wandel vom Sozialrecht zum Strafrecht beobachtet.

Doch genau bei der Vermittlung von Bürgergeld-Beziehenden in Arbeit will die Ampel-Koalition im Haushalt 2025 sparen. Für die sogenannten Eingliederungstitel bleibt immer weniger übrig. Das Netzwerk für Arbeit und soziale Teilhabe sieht dabei einen zusätzlichen Bedarf von einer Milliarde Euro für die Jobcenter.

In der Anhörung des Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales warnte deshalb auch Moritz Duncker, Personalrat der Jobcenter, vor einer schlechten Finanzierung der Jobcenter durch gestiegene Fallzahlen, Inflation und Tarif- und Besoldungssteigerungen. „Wir wären sehr dankbar, wenn wir endlich ausreichend ausfinanziert würden, bevor uns weitere Aufgaben zugeteilt werden und wir Ratschläge erhalten, wie wir unsere wohlverstandene Arbeit verrichten sollen“, sagte Duncker.

Rubriklistenbild: © Sebastian Gollnow/dpa/Studio Monbijou/Paritätischer Gesamtverband

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