Rentensystem gerettet?

Rentenpläne der Ampel erzeugen harsche Kritik: „Brauchen keine spekulativen Investitionen“

  • Patrick Freiwah
    VonPatrick Freiwah
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Kommt die Altersvorsorge in Deutschland mit dem „Generationenkapital“ auf den richtigen Weg? Sozialverbände äußern harsche Kritik an den Rentenplänen der Ampelregierung.

Berlin/München - Seit langer Zeit schlagen Experten Alarm, das deutsche Rentensystem müsse grundlegend geändert werden. Nun werden die Weichen für eine bessere Zukunft neu gestellt, was nach Angaben der Bundesregierung von großer Bedeutung für die Rentenbezieher der Zukunft ist.

Am Dienstag (5. März) stellt die Ampelkoalition in Person von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) die Pläne für einen milliardenschweren Kapitalstock der Rentenversicherung auf dem Aktienmarkt vor. 

Rentenpläne der Ampelregierung: Zu spät für eine Entlastung?

Dass dieser Weg für die Rente in Deutschland der bestmögliche ist, wird von nicht wenigen Experten und auch Sozialverbänden bezweifelt. Wirkt sich der erhoffte Effekt dieser Maßnahme rechtzeitig auf die Rentenkasse aus? Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK, erklärte der Deutschen Presse-Agentur (dpa): „Eine Geldanlage in Aktien rentiert sich, wenn überhaupt, erst nach etwa 30 Jahren.“

Ihr zufolge sei es für eine Stabilisierung der Altersvorsorge zu spät, weil schon in den kommenden Jahren zahlreiche Menschen der “Babyboomer”-Generation aus dem Arbeitsleben ausscheiden. „Wir brauchen keine spekulativen Investitionen auf dem Aktienmarkt, für die langfristig Milliarden Euro Schulden gemacht und nachfolgende Generationen belastet werden“, so die frühere Profisportlerin und jetzige Funktionärin. Das aktuelle System gilt als „größtes soziales Problem unserer Zeit“.

Die Aktienrente kommt: Die Pläne der Ampelregierung zur deutschen Altersvorsorge rufen bei Experten Kritik hervor.

Generationenkapital: Hybridlösung aus altem Modell und Aktienrente

Kritik am Konzept für die Rettung des Rentensystems gibt es auch vom Sozialverband Deutschland (SoVD): „Die gesetzliche Rente muss generationengerecht sein, denn sie betrifft alle“, erklärt die Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier ebenfalls der dpa. „(...) Ob das mit dem etwas irreführenden ‘Generationenkapital’ gelingt, da sind wir skeptisch. 

Es handele sich um eine Art Einstieg in die Aktienrendite und das müsse verhindert werden, so die Verbandschefin. Dabei ist das von der Bundesregierung geplante Modell eher eine Hybridlösung: Denn mit dem von der FDP eingebrachten Vorschlag hat das Generationenkapital nur bedingt zu tun. Beitragsgelder der deutschen Bevölkerung (zwei Prozent des Einkommens waren geplant) sind für den Kapitalstock nämlich nicht vorgesehen.

Rentenpläne der Bundesregierung: Teilfinanzierung durch Kapitalmarkt

Das Vorhaben der Rentenpläne: das Rentenniveau dauerhaft auf 48 Prozent festschreiben und einen neuen Kapitalstock für die gesetzliche Rentenversicherung zu schaffen. Das Geld soll ausschließlich vom Bund stammen und auf dem Aktienmarkt angelegt werden. Auf diese Weise sollen bis Mitte der 30er-Jahre mindestens 200 Milliarden Euro aufgebaut werden.

Laut der dpa mit Verweis auf Regierungskreise sollen aus den Erträgen jährlich rund zehn Milliarden Euro als Zuschuss an die GKV fließen. Der Sinn: Mit den Erträgen soll ein allzu starker Anstieg des Rentenbeitragssatzes in Deutschland verhindert werden.

Rente: Das sind die 15 größten Mythen zur Altersvorsorge

Kommt die Rente automatisch? Wie lange muss man mindestens gearbeitet haben? Und muss sie sogar versteuert werden? Das sind nur einige von vielen Fragen zur Altersvorsorge, die wir Ihnen nachfolgend beantworten wollen.
Kommt die Rente automatisch? Wie lange muss man mindestens gearbeitet haben? Und muss sie sogar versteuert werden? Das sind nur einige von vielen Fragen zur Altersvorsorge, die wir Ihnen nachfolgend beantworten wollen. Dabei wollen wir auch über gewisse Mythen aufklären. © Frank Hoermann/Sven Simon/Imago
Mythos 1: Die Rente kommt automatisch. Hierbei handelt es sich um einen Irrtum. Alle Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung müssen schriftlich beantragt werden.
Mythos 1: Die Rente kommt automatisch. Hierbei handelt es sich um einen Irrtum. Alle Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung müssen schriftlich beantragt werden. © Imago
Mythos 2: Die Rente muss nicht versteuert werden. Auch das ist nicht richtig. Renten sind grundsätzlich Einkommenssteuer- beziehungsweise Lohnsteuerpflichtig. Jedoch wird das Geld derzeit nicht voll versteuert. Der Prozentsatz hängt vom Zeitpunkt des Renteneintritts ab.
Mythos 2: Die Rente muss nicht versteuert werden. Auch das ist nicht richtig. Renten sind grundsätzlich Einkommenssteuer- beziehungsweise Lohnsteuerpflichtig. Jedoch wird das Geld derzeit nicht voll versteuert. Der Prozentsatz hängt vom Zeitpunkt des Renteneintritts ab. © Joseffson/Imago
Mythos 3: Ein Reha-Aufenthalt mindert die Rente. Nein, ganz im Gegenteil: Während einer Rehabilitation werden die Pflichtbeiträge zu 80 Prozent des vergangenen Bruttolohns von der Rentenversicherung gezahlt, was den späteren Rentenanspruch erhöht.
Mythos 3: Ein Reha-Aufenthalt mindert die Rente. Nein, ganz im Gegenteil: Während einer Rehabilitation werden die Pflichtbeiträge zu 80 Prozent des vergangenen Bruttolohns von der Rentenversicherung gezahlt, was den späteren Rentenanspruch erhöht. © Zinkevych/Imago
Mythos 4: Die Rente gibt es erst, wenn man mindestens 15 Jahre gearbeitet hat. Das ist falsch. Die Mindestversicherungszeit für die Regelaltersrente beträgt fünf Jahre.
Mythos 4: Die Rente gibt es erst, wenn man mindestens 15 Jahre gearbeitet hat. Das ist falsch. Die Mindestversicherungszeit für die Regelaltersrente beträgt fünf Jahre. © Daniel Naupold/dpa
Mythos 5: Zur Rente darf man unbegrenzt hinzuverdienen. Das stimmt so nicht, denn es gibt eine Grenze. Wer früher in Rente geht oder erwerbsunfähig ist, kann bis zu 6300 Euro dazuverdienen. Verdient man mehr, kann der Rentenanspruch teilweise oder sogar ganz verloren gehen.
Mythos 5: Zur Rente darf man unbegrenzt hinzuverdienen. Das stimmt so nicht, denn eine Grenze gibt es schon. Wer früher in Rente geht oder erwerbsunfähig ist, kann bis zu 6300 Euro dazuverdienen. Verdient man mehr, kann der Rentenanspruch teilweise oder sogar ganz verloren gehen. © Imago
Mythos 6: Nach 45 Jahren kann man schon mit 63 in Rente gehen. Das stimmt nur zum Teil. Wer besonders langjährig versichert ist, das heißt etwa 45 Jahre, kann grundsätzlich früher in Rente gehen. Das Eintrittsalter verschiebt sich allerdings je nach Geburtsjahr nach hinten.
Mythos 6: Nach 45 Jahren kann man schon mit 63 in Rente gehen. Das stimmt nur zum Teil. Wer besonders langjährig versichert ist, das heißt etwa 45 Jahre, kann grundsätzlich früher in Rente gehen. Das Eintrittsalter verschiebt sich allerdings je nach Geburtsjahr nach hinten. © ME Lukashevich/Imago
Mythos 7: Nur Frauen bekommen die Witwenrente. Das ist in jedem Fall ein Irrtum. Seit 1986 sind sowohl Frauen als auch Männer in der Rentenversicherung gleichberechtigt.
Mythos 7: Nur Frauen bekommen die Witwenrente. Das ist in jedem Fall ein Irrtum. Seit 1986 sind sowohl Frauen als auch Männer in der Rentenversicherung gleichberechtigt. © Jens Kalaene/dpa
Mythos 8: Die Höhe der Rente setzt sich vor allem aus den letzten Arbeitsjahren zusammen. Auch das ist falsch. Die Rentenhöhe berechnet sich aus dem gesamten Versicherungsleben.
Mythos 8: Die Höhe der Rente setzt sich vor allem aus den letzten Arbeitsjahren zusammen. Auch das ist falsch. Die Rentenhöhe berechnet sich aus dem gesamten Versicherungsleben. © Imago
Mythos 9: Wer sich lange Zeit um die Kinder kümmert, hat einen geringeren Rentenanspruch. Das ist nicht wahr. Beschäftigte in Elternzeit haben trotz allem einen Anspruch, obwohl sie eine Weile weniger oder gar nicht arbeiten.
Mythos 9: Wer sich lange Zeit um die Kinder kümmert, hat einen geringeren Rentenanspruch. Das ist nicht wahr. Beschäftigte in Elternzeit haben trotz allem einen Anspruch, obwohl sie eine Weile weniger oder gar nicht arbeiten.  © Michael Gstettenbauer/Imago
Mythos 10: Jeder muss bis 67 arbeiten. Fehlanzeige: Das gilt nur ab dem Geburtsjahrgang 1964. Für die Jahrgänge davor steigt die Altersgrenze schrittweise von 65 auf 67 Jahre.
Mythos 10: Jeder muss bis 67 arbeiten. Fehlanzeige: Das gilt nur ab dem Geburtsjahrgang 1964. Für die Jahrgänge davor steigt die Altersgrenze schrittweise von 65 auf 67 Jahre. © Anrii_Armann/Imago
Mythos 11: Für Frührentner enden die Abschläge mit Erreichen der regulären Altersrente. Nein, leider nicht wahr. Für jeden Monat, den Sie vor Erreichen der Altersgrenze in Rente gehen, werden 0,3 Prozent abgezogen. Das gilt auch noch nach der Regelrentenzeit.
Mythos 11: Für Frührentner enden die Abschläge mit Erreichen der regulären Altersrente. Nein, leider nicht wahr. Für jeden Monat, den Sie vor Erreichen der Altersgrenze in Rente gehen, werden 0,3 Prozent abgezogen. Das gilt auch noch nach der Regelrentenzeit. © S. Steinach/Imago
Mythos 12: Die Altersrente des Ehepartners wird auf die eigene angerechnet. Auch das stimmt nicht. Es handelt sich um zwei unterschiedliche Renten.
Mythos 12: Die Altersrente des Ehepartners wird auf die eigene angerechnet. Auch das stimmt nicht. Es handelt sich um zwei unterschiedliche Renten. © Uwe Umstätter/Imago
Mythos 13: Nach einer Scheidung ist die Aufteilung der Rente endgültig. Das trifft zu bedingt zu. Eine Änderung des Versorgungsausgleichs kann vollzogen werden, insofern der Ex-Ehepartner gestorben ist und keine oder nur geringe Leistungen aus den übertragenen Rentenansprüchen erhalten hat.
Mythos 13: Nach einer Scheidung ist die Aufteilung der Rente endgültig. Das trifft nur bedingt zu. Eine Änderung des Versorgungsausgleichs kann vollzogen werden, insofern der Ex-Ehepartner gestorben ist und keine oder nur geringe Leistungen aus den übertragenen Rentenansprüchen erhalten hat.  © Sascha Steinach/Imago
Mythos 14: Azubis sind erst nach fünf Jahren wegen Erwerbsminderung abgesichert. Nein, nicht richtig. Für sie besteht eine Sonderregelung. Azubis sind bei einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit bereits ab dem ersten Tag durch die gesetzliche Rentenversicherung abgesichert.
Mythos 14: Azubis sind erst nach fünf Jahren wegen Erwerbsminderung abgesichert. Nein, nicht richtig. Für sie besteht eine Sonderregelung. Azubis sind bei einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit bereits ab dem ersten Tag durch die gesetzliche Rentenversicherung abgesichert.  © Robert Kneschke/Imago
Mythos 15: Ost- und Westrenten sind abhängig vom Wohnort. Das stimmt so nicht. Es hängt von den jeweiligen Beschäftigungsorten ab. War ein Arbeitnehmer sowohl in den neuen als auch in den alten Bundesländern tätig, errechnet sich die Rente anteilig aus den Teilwerten von Ost und West.
Mythos 15: Ost- und Westrenten sind abhängig vom Wohnort. Das stimmt so nicht. Es hängt von den jeweiligen Beschäftigungsorten ab. War ein Arbeitnehmer sowohl in den neuen als auch in den alten Bundesländern tätig, errechnet sich die Rente anteilig aus den Teilwerten von Ost und West.  © Imago

Deutsches Rentensystem: Sozialverbände fordern Einbindung aller Gruppen

Eine Beibehaltung des bestehenden Systems sei Experten zufolge keine Lösung. Deutschland steuere “auf eine Renten-Katastrophe zu”. Bentele und Engelmeier sind sich einig, dass eine bestimmte Maßnahme aus sozialer Sicht das deutsche Rentensystem deutlich gerechter machen würde: die Integration weiterer Personengruppen.

Denn bislang zahlen weder verbeamtete Personen noch Parlamentarier in Deutschland gesetzliche Rentenbeiträge, dennoch entsteht ein Rentenanspruch, der die Rentenkasse belastet. Auch Selbständige sind zum großen Teil von den Rentenzahlungen befreit bzw. planen eigenverantwortlich ihre Altersvorsorge. „Wirklich gerecht wird die Altersversorgung in Deutschland erst dann, wenn alle Menschen eingebunden werden“, führt Engelmeier aus. (PF mit Material der dpa)

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