Erster Fahrtest

Neue E-Klasse von Mercedes: Kann der letzte Verbrenner überzeugen?

  • Rudolf Bögel
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Wie viel Klasse steckt in der letzten E-Klasse von Mercedes, die noch einen Verbrenner hat? Das erfolgreichste Auto von Daimler im ersten Fahrtest.

Sie ist das Gegenstück zur Generation Golf. Die Generation E-Klasse. Das Auto der aufstrebenden Mittelschicht in Deutschland. Ein Statussymbol, das zeigt, dass man es geschafft hatte. Damals! Das waren die guten alten Zeiten, da konnte sich auch der kleinere Mann noch einen großen Mercedes-Benz leisten. Mit allem Drum und Dran, inklusive Wackel-Dackel auf der Hutablage. Billig war die E-Klasse schon damals nicht, aber mit viel Fleiß und Sparwillen erschwinglich. Immerhin. Nicht umsonst reklamiert dieses Modell das Etikett „der meiste Mercedes“. Die E-Klasse wird schon seit einer halben Ewigkeit produziert (seit 1946) und kommt insgesamt auf 16 Millionen verkaufter Fahrzeuge. Doch die Ära geht zu Ende. Die jetzt vorgestellte E-Klasse (W214) wird der letzte Mercedes sein, der auf einer reinen Verbrenner-Plattform entsteht. Auch wenn viele Deutsche das schade finden werden, schon bei der nächsten Generation, also anno 2030 will der Stuttgarter Konzern auf reine Elektroautos umgesattelt haben.

Schon am Stern erkennt man die Ausstattungslinie der neuen E-Klasse: ist er auf der Motorhaube handelt es sich um Elegance.

Ganz ohne Elektrifizierung geht es auch bei der Mercedes E-Klasse nicht mehr

Ein bisschen Elektro ist die neue E-Klasse, die ab Mitte August in den Verkauf geht, aber auch schon jetzt. Denn ganz ohne Elektrifizierung geht es schon heute nicht mehr. Das heißt: Ein Startergenerator mit jetzt 17 kW Leistung ist automatisch an Bord bei den Mild-Hybrid-Modellen (E 200, E 220 d). Bei den aufladbaren Fahrzeugen (E 300 e, E 400 e) schiebt eine 129 PS starke E-Maschine zusätzlich an, die Reichweite ganz ohne Verbrenner soll bei 115 Kilometern liegen. Die Batterie hat eine Kapazität 25,4 kWh (19,5 nutzbar) und lässt sich mit dem optionalen DC-Lader (55 kW) in 30 Minuten auffüllen. Serienmäßig an Bord ist aber nur ein 11-kW-Charger, geeignet für das dreiphasige Laden an der heimischen Wallbox (der ADAC hat kürzlich einige Exemplare getestet). Je nach Auslegung dauert es dann bis zu vier Stunden, damit der Akku wieder voll ist.

Top 10: Das sind die beliebtesten Dienstwagen der Deutschen

Ein Polestar 2
Platz 10 – Polestar 2 (1,33 %): Nur ein reines Elektroauto hat es in die Top 10 der beliebtesten Dienstwagen der Deutschen des Jahres 2022 geschafft – von einer relativ jungen Marke: der Polestar 2. Neben der Tatsache, dass es sich um einen Stromer handelt, ist auch die Karosserieform im Dienstwagen-Ranking außergewöhnlich: Es handelt sich weder um ein SUV und noch einen Kombi. © Polestar
Ein VW Golf Variant
Platz 9 – VW Golf Variant (1,35 %): Während viele Autokäufer inzwischen lieber zum SUV greifen, stehen Kombis bei Dienstwagenfahrern noch immer hoch im Kurs. Den neunten Platz im Ranking belegt daher die „praktische“ Version des VW Golf mit dem Namenszusatz „Variant“. © VW
Ein Skoda Kodiaq
Platz 8 – Skoda Kodiaq (1,52 %): Lange Zeit waren Dienstwagen eine nahezu reine Kombi-Domäne – doch auch hier haben sich die Zeiten geändert. Den achten Rang hat sich der Skoda Kodiaq gesichert, der seit dem Jahr 2017 auf dem Markt ist. © Skoda/Hans-Dieter Seufert
Ein Seat Leon Sports Tourer
Platz 7 – Seat Leon Sports Tourer (1,53 %): Nach dem Golf Variant und dem Skoda Kodiaq ist der Seat Leon Sports Tourer auf Platz 7 im Dienstwagen-Ranking bereits das dritte Fahrzeug aus dem VW-Konzern. Der spanische Kompaktwagen kam 1999 auf den Markt – inzwischen wird er in der vierten Generation produziert. © Seat
Ein Opel Insignia Sports Tourer
Platz 6 – Opel Insignia Sports Tourer (1,55 %): Der einzige Opel in der Top-10-Liste der Dienstwagen rangiert auf dem sechsten Platz. Es dürfte übrigens das letzte Mal gewesen sein, dass der Name Insignia in dem Ranking auftaucht: Die Baureihe der Rüsselsheimer wird eingestellt. Angeblich arbeitet man aber schon an einem Nachfolger im selben Segment. © Sebastian Geisler/Imago
Ein Skoda Octavia
Platz 5 – Skoda Octavia Combi (2,04 %): Ein weiteres Fahrzeug aus dem VW-Konzern sichert sich den fünften Rang im Dienstwagen-Ranking. Der Octavia kam 1996 auf den Markt, inzwischen wird die vierte Generation des tschechischen Mittelklasse-Wagens gebaut. © Skoda
Ein Skoda Superb Combi
Platz 4 – Skoda Superb Combi (2,07 %): Der Superb rangiert nicht nur in der Positionierung eine Klasse über dem Octavia – sondern auch einen Platz im Dienstwagen-Ranking. Seit 2001 wird der Superb bereits produziert, inzwischen ist die dritte Generation auf dem Markt. © Skoda
Ein Ford Kuga
Platz 3 – Ford Kuga (2,91 %): Zwei SUV haben es unter die zehn beliebtesten Dienstwagen der Deutschen im Jahr 2022 geschafft: eines davon immerhin auf Rang drei – der Ford Kuga. Inzwischen ist bereits die dritte Generation des im Jahr 2008 in Produktion gegangenen Kompakt-SUV auf dem Markt © Ford
Ein Ford Focus Turnier
Platz 2 – Ford Focus Turnier (3,38 %): Auch auf dem zweiten Platz der Dienstwagen-Rangliste hält weiter ein Vertreter der Kombi-Gattung die Stellung. Das große Plus beim Turnier ist der geräumige Fond. Smartes Extra: Beim Öffnen der Seitentüren schmiegt sich ein beweglicher Gummischutz automatisch um den am meisten exponierten Teil der Türblechkante, was Lackschäden in engen Parklücken verhindern soll. Bald müssen sich Dienstwagenfahrer aber anderweitig umschauen: Die Produktion des Ford Focus endet im Jahr 2025. © Ford
Ein VW Passat Variant
Platz 1 – VW Passat Variant (5,47 %): Auch wenn viele Familien inzwischen lieber zum SUV greifen – bei den Dienstwagen ist mit dem VW Passat Variant immer noch ein Kombi König. Fragt sich nur: wie lange noch? © Volkswagen

Die Limousine ist ein Wohnzimmer mit gleich vier Bildschirmen

Gefahren sind wir den E 400 e 4Matic und haben uns gleich gefreut, dass es auch in der sich immer schneller drehenden Welt noch Dinge gibt, auf die man sich verlassen kann. Eine E-Klasse bleibt halt eine E-Klasse. Konservativ, praktisch, gut. Wie immer darf das E an das S heranschmecken, muss aber einen kleinen Höflichkeitsabstand wahren. Weil sich sonst der ein oder andere Käufer dann doch lieber das günstigere Modell mit etwas weniger Platz als die S-Klasse schnappt. Immerhin 4,95 Meter lang ist die neue E-Klasse, der Radstand erreicht eine neue Bestmarke mit 2,96 Metern. Insofern fühlt man sich auf dem Fahrersitz so aufgehoben wie im eigenen Wohnzimmer. Bloß, dass es daheim nur einen Bildschirm gibt. Hier im Cockpit zählen wir allerdings gleich vier. Den digitalen Tacho, den zentralen MBUX-Superscreen, den neuen Beifahrer-Bildschirm – und dann wäre ja noch das Head-up-Display, das sich in der Frontscheibe spiegelt. Hier sitzen wir also nicht vor dem Fernseher, sondern im Fernseher.

Zum ersten Mal ist der Kühlergrill bei Daimler beleuchtet. Und schon bald soll auch der Mercedes-Stern folgen.

Wer das alles (aufpreispflichtig) bestellt, dem wird vor lauter Innovation und Information noch ganz schwindlig. Vor allem, wenn über das Navi noch blaue Pfeile auf Echtzeit-Bilder herumhuschen, um den Fahrer auf den rechten Weg zu führen. Gut, dass das grobporige Eschenholz-Dekor einen nostalgischen Gegenpol bildet. Apropos Innovation: Auch bei den zahlreichen elektronischen Assistenten hat die neue E-Klasse aufgerüstet. Zum ersten Mal überholt das Auto selbst auf der Autobahn (zwischen 80 und 140 km/h) und schert danach wieder selbstständig ein. Unter Einhaltung eines gehörigen Sicherheitsabstands. Was den ebenfalls überholenden Hintermann gelegentlich zur Verzweiflung bringt. Noch ist das System für Europa nicht zugelassen. So viel autonomes Fahren ist auf öffentlichen Straße noch nicht erlaubt. Wir konnten es aber schon mal ausprobieren. Funktioniert hervorragend. 

Nachts leuchtet der Kühlergrill - und bald auch der Stern

Ein Blick auf die Karosserie: Hier ist die Limousine noch als Limousine erkennbar, was man vom elektrischen Mercedes EQE nicht behaupten kann. Es gibt noch Konturen und Kanten: Kurzer vorderer Überhang, lange Motorhaube und ein knackiges Heck. Zwei Besonderheiten leisten sich die Designer, quasi als Brückenschlag zur Moderne. Der Kühlergrill wird mit einer schwarzen Hochglanz-Fläche mit den Scheinwerfern verbunden. Erinnert an die elektrischen Baureihen von Mercedes. Außerdem leuchtet der dreidimensionale Grill jetzt auch noch, dank LEDs hinter dem Chrom-Rahmen. Noch ist der Stern dunkel – aber das wird sich schon bald ändern. Dann funkelt auch er in die dunkle Nacht hinein. Aber nur bei der Ausstattung „Avantgarde“. Wer sich für „Elegance“ entscheidet, darf den Stern auch weiterhin in Chrom und unbeleuchtet auf der Motorhaube tragen. Auch die Rückleuchten sind im Inneren sternförmig, zwei auf jeder Seite.

Die Kraft der zwei Motoren: in 5,3 Sekunden von 0 auf 100

Vor lauter Technologie vergisst man fast das Fahren. Aber das kann die E-Klasse natürlich auch. Der Antrieb ist beim E 400 e standesgemäß. 380 PS und 650 Newtonmeter (Nm) Drehmoment – das klingt gut, aber raubt einem dann tatsächlich nicht den Atem. Ein 2,0-Liter-Vierzylinder ist halt nur ein windiges Zigarettenbürschchen. Selbst wenn es von einer E-Maschine mit 130 PS unterstützt wird. Schließlich müssen die beiden rund 2,3 Tonnen durch die Gegend zerren. Von daher mag man den E 400 auch gar nicht um die Kurven scheuchen. Zugkraft haben die beiden Motoren aber schon – beim Überholen muss man sich keine Sorgen machen, dass einem der Saft ausgeht. Und wer es partout darauf anlegt: Der E 400 sprintet in 5,3 Sekunden von 0 auf 100. Unterstützt wird die komfortable Fahrt durch die extrem gutmütige Mercedes-Luftfederung mit den verstellbaren Dämpfern und durch eine Hinterachsslenkung, die den Wendekreis um 90 Zentimeter verringert.

Displays, wohin das Auge blickt. Auch der Beifahrer bekommt in der neuen E-Klasse einen Bildschirm. Nicht einsehbar für den Fahrer.

Die neue E-Klasse kann sogar Videokonferenzen und Selfies machen

Genug gefahren – widmen wir uns wieder den wichtigen Dingen des modernen Automobilbaus. Dem digitalen Leben. Auch hier bieten die Stuttgarter viel Neues. Zum Beispiel den elektronischen Fahrzeugschlüssel, der für iPhone und Apple Watch erhältlich ist. Großfamilien tauglich kann er an bis zu 16 Personen weitergeben werden. Mit verschiedenen Rechten. Zum Beispiel, ob der Schlüssel-Inhaber fahren oder nicht fahren darf. Was er sonst im Auto soll? Zum Beispiel sich von der Musikanlage berieseln lassen. Hier gibt es nicht nur dreidimensionalen Sound, sondern sogar 4D. In die vierte Dimension dringt Burmester mit sogenannten Körperschwallwandlern vor. Da vibriert es im Sitz, so als ob man einer Bass-Box sitzen würde. Wer’s mag...

  • Technische Daten Mercedes-Benz E 400 e 4Matic
  • Motor:                                           2,0 Liter-Turbo-Benziner / Allrad
  • Leistung / Drehmoment:            185 kW (252 PS) / 400 Nm  
  • E-Maschine:                                  95 kW (130 PS) / 440 Nm
  • Systemleistung:                           280 kW (380 PS) / 650 Nm
  • Verbrauch kombiniert:                0,6 – 0,9 l /100 km
  • Strom-Verbrauch:                        19,2 – 21,5 kWh
  • V max / 0 -100 km/h:                   250 / 5,3 s
  • Batterie / Reichweite:                 19,5 kWh (nutzbar) / 115 km
  • Ladezeit:                                       30 min. (55 kW / DC)
  • Abmessungen (L/B/H):                4,95 / 1,88 / 1,48 m
  • Gewicht / Zuladung:                    2.265 kg / 595 kg
  • Kofferraum:                                   370 l
  • Preis (Basis E200):                        ab circa 60.000 Euro

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Ernst wird es wieder beim Thema Videokonferenzen. Dank einer Kamera auf der Instrumententafel und dank 5-G-Übertragungsraten kann man hier an virtuellen Versammlungen (zum Beispiel über Webex oder Zoom) teilnehmen. Wir haben es ausprobiert und mit dem Nachbar-Auto-Insassen gesprochen. In diesem Fall sinnlos, aber durchaus beeindruckend. Wer nur Spaß haben will, der schießt nur ein Selfie von sich und beglückt damit die entsprechenden sozialen Netzwerke.

Auch in den Hecklichtern leuchtet der Mercedes-Stern: Dieses Design-Feature gibt es zum ersten Mal in der neuen E-Klasse.

Unser Fazit zur neuen E-Klasse von Mercedes

Wer sagt denn, dass Mercedes-Benz nicht in der digitalen Welt von heute angekommen ist? Sogar mit dem Flaggschiff der konservativen Generation E-Klasse. Außen Daimler, innen Apple. Das hat seinen Preis. Das Grundmodell liegt schon bei über 60.000 Euro. Massenmarkt tauglich wie die Generationen davor ist dieses Modell in Deutschland damit aber eher nicht mehr. Rudolf Bögel

Rubriklistenbild: ©  Deniz Calagan / Mercedes-Benz AG

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