„Nazi-Ideologie wiederbelebt“

Wegen „Extremismus“: Nawalny drohen 20 weitere Jahre Gefängnis

  • Erkan Pehlivan
    VonErkan Pehlivan
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Seit einem Monat läuft gegen Kremlkritiker Alexej Nawalny ein Verfahren in Russland. Er habe „Nazi-Ideologie wiederbelebt“ und eine „extremistische“ Organisation gegründet.

Moskau – Dem russischen Oppositionsführer Alexej Nawalny droht nach Angaben aus dessen Umfeld eine weitere Gefängnisstrafe von 20 Jahren. Die Staatsanwaltschaft fordere, dass der Kremlkritiker auch diese Strafe in einem Straflager absitzt, teilten seine Unterstützer am Donnerstag mit. Die Europäische Union setzte unterdessen den Leiter des Straflagers, in dem Nawalny einsitzt, auf ihre Sanktionsliste.

Moskau wirf Nawalny „Belebung von Nazi-Ideologie“ vor

Erst vor einem Monat hatte die russische Justiz unter Ausschluss der Öffentlichkeit einen weiteren Prozess gegen Nawalny wegen „Extremismus“-Vorwürfen begonnen. Nawalny wird in dem neuen Verfahren vorgeworfen, eine „extremistische“ Organisation gegründet und finanziert, zu extremistischen Aktivitäten aufgerufen und „Nazi-Ideologie wiederbelebt“ zu haben. Der 47-jährige Oppositionelle verbüßt bereits eine neunjährige Strafe wegen angeblichen Betrugs in einem Straflager.

Ukraine-Krieg „dümmster und sinnlosester Krieg des 21. Jahrhunderts“

Seinen Unterstützern zufolge kritisierte Nawalny bei der Anhörung am Donnerstag Russlands Einmarsch in der Ukraine mit „zehntausenden Toten“ als „dümmsten und sinnlosesten Krieg des 21. Jahrhunderts“. Russland treibe „in einer Lache aus Schlamm oder Blut, mit gebrochenen Knochen, mit einer armen und beraubten Bevölkerung“, hieß es in einer von Nawalnys Mitarbeitern im Onlinedienst Telegram veröffentlichten Erklärung des Oppositionellen. Das Urteil schon am 4. August verkündet werden.

Alexej Nawalny wurde 2018 am Ende einer 30-tägigen Haftstrafe aus dem Gefängnis entlassen - und dann sofort wieder festgenommen.

Nawalny leidet an Gesundheitsproblemen und Gewichtsverlust

Der Prozess findet im Hochsicherheitsgefängnis des etwa 250 Kilometer südöstlich von Moskau gelegenen Straflagers IK-6 statt, in dem Nawalny inhaftiert ist. Nawalny leidet eigenen Angaben zufolge seit seiner Inhaftierung unter Gesundheitsproblemen und massivem Gewichtsverlust. Gegen den Leiter des Straflagers IK-6, Dmitri Noschkin, sowie vier seiner Stellvertreter Sanktionen verhängt. Den Sanktionierten ist die Einreise in die EU verboten, ihre möglichen Vermögen innerhalb der Europäischen Union werden eingefroren.

Nawalny fordert Geburt eines neuen Russlands

Nawalny gilt als schärfster innenpolitischer Kritiker des russischen Präsidenten Wladimir Putin. Er war 2020 nach einer Vergiftung, für die er den Kreml verantwortlich macht, in der Berliner Charité behandelt worden. Nach seiner Genesung kehrte er im Januar 2021 nach Russland zurück, wurde sofort verhaftet und später wegen „Betrugs“ verurteilt.

Ukraine-Krieg reicht jetzt bis nach Moskau: Fotos zeigen den Schaden durch Drohnen-Angriffe

Mehrere Wohngebäude werden geringfügig beschädigt, zwei Menschen leicht verletzt.
Am frühen Dienstagmorgen meldete die russische Hauptstadt verschiedene Drohnenangriffe. © IMAGO/Vitaly Smolnikov/Tass
Russlands Verteidigungsministerium machte die Ukraine dafür verantwortlich und spricht von „Terror“. Die Führung in Kiew weist die Beschuldigungen zurück.
Russlands Verteidigungsministerium machte die Ukraine dafür verantwortlich und spricht von „Terror“. Die Führung in Kiew weist die Beschuldigungen zurück. © IMAGO/Vitaly Smolnikov/Tass
Mitarbeiter des Rettungsdienstes nach einem gemeldeten Drohnenangriff in Moskau, Russland, vor einem Wohnblock.
Mitarbeiter des Rettungsdienstes nach einem gemeldeten Drohnenangriff in Moskau, Russland, vor einem Wohnblock. © IMAGO/Aleksey Nikolskyi/SNA
„Heute Morgen hat das Kiewer Regime einen Terrorakt mit unbemannten Flugkörpern auf Objekte der Stadt Moskau verübt“, hieß es vom russischen Militär.
„Heute Morgen hat das Kiewer Regime einen Terrorakt mit unbemannten Flugkörpern auf Objekte der Stadt Moskau verübt“, hieß es vom russischen Militär.  © IMAGO/Alexander Zemlianichenko Jr/Xinhua
Verteidigungsminister Sergej Schoigu lobte die eigene Flugabwehr. Insgesamt seien acht Drohnen zerstört worden.
Verteidigungsminister Sergej Schoigu lobte die eigene Flugabwehr. Insgesamt seien acht Drohnen zerstört worden. © Tass/IMAGO/Vitaly Smolnikov
Nach den Drohnen-Angriffen sperrten Sicherheitskräfte die Gegend ab.
Nach den Drohnen-Angriffen sperrten Sicherheitskräfte die Gegend ab. © IMAGO/Denis Bocharov
In sozialen Netzwerken hingegen vermuten viele, dass in Wirklichkeit viel mehr der kleinen Apparate - die optisch etwas wie Mini-Flugzeuge aussehen - auf Moskau zuflogen.
In sozialen Netzwerken hingegen vermuten viele, dass in Wirklichkeit viel mehr der kleinen Apparate - die optisch etwas wie Mini-Flugzeuge aussehen - auf Moskau zuflogen. © IMAGO/Alexander Zemlianichenko Jr/Xinhua
Seit Wochen schon häufen sich Attacken auch in Russland - meist jedoch in der unmittelbaren Grenzregion zur Ukraine und nicht auf zivile Objekte.
Seit Wochen schon häufen sich Attacken auch in Russland - meist jedoch in der unmittelbaren Grenzregion zur Ukraine und nicht auf zivile Objekte.  © IMAGO/Alexander Zemlianichenko Jr/Xinhua
Es war aber nicht das erste Mal seit Beginn des Kriegs vor mehr als 15 Monaten, dass Drohnen bis in die Hauptstadt flogen.
Es war aber nicht das erste Mal seit Beginn des Kriegs vor mehr als 15 Monaten, dass Drohnen bis in die Hauptstadt flogen. © IMAGO/Alexander Zemlianichenko Jr/Xinhua
Erst Anfang Mai wurden zwei Flugkörper unmittelbar über dem Kreml abgefangen. Das brachte spektakuläre Bilder.
Erst Anfang Mai wurden zwei Flugkörper unmittelbar über dem Kreml abgefangen. Das brachte spektakuläre Bilder. © IMAGO/Alexander Zemlianichenko Jr/Xinhua
Damals wurde aus Sicht der Moskauer aber nicht das Dach des eigenen Gebäudes getroffen, sondern der Amtssitz von Präsident Wladimir Putin - und der war zum besagten Zeitpunkt nicht zuhause.
Damals wurde aus Sicht der Moskauer aber nicht das Dach des eigenen Gebäudes getroffen, sondern der Amtssitz von Präsident Wladimir Putin - und der war zum besagten Zeitpunkt nicht zuhause. © IMAGO/Alexander Zemlianichenko Jr/Xinhua
Nun aber ist die Verunsicherung in der Riesenmetropole mit mehr als 13 Millionen Einwohnern groß. Die sozialen Netzwerke quellen über.
Nun aber ist die Verunsicherung in der Riesenmetropole mit mehr als 13 Millionen Einwohnern groß. Die sozialen Netzwerke quellen über. © IMAGO/Vitaly Smolnikov/Tass

In seiner Schlusserklärung vor Gericht forderte Nawalny seine Landsleute erneut auf, sich gegen die Behörden aufzulehnen. Für die „Geburt eines neuen, freien, reichen Landes“ seien „einige Opfer, einige Mühen“ vonnöten, sagte er.

Russland erlässt Gesetze um freie Meinungsäußerung zu kriminalisieren

In einem aktuellen Bericht kritisiert die Menschenrechtsorganisation Amnesty International (AI) die russische Regierung. Der Kreml habe absurde Gesetze erlassen, um diejenigen zu kriminalisieren, die ihre Meinung frei äußern. „Die Unterdrückung in Russland ist tiefgreifend. Eine ganze Bandbreite von Maßnahmen wird eingesetzt, um Kritik am russischen Angriffskrieg zum Schweigen zu bringen. Friedliche Demonstrant*innen, die gegen den Krieg in der Ukraine protestieren, und diejenigen, die kritische Informationen über die russischen Streitkräfte weitergeben, werden mit schweren strafrechtlichen, administrativen und anderen Sanktionen belegt“, heißt es darin. (erpe/AFP)

Rubriklistenbild: © Dmitry Serebryakov/dpa