Hält trotz Ukraine-Krieg weiterhin engen Kontakt zu Wladimir Putin: Ungarns Ministerpräsident Victor Orban (links).
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Hält trotz Ukraine-Krieg weiterhin engen Kontakt zu Wladimir Putin: Ungarns Ministerpräsident Victor Orban (links).

Ungarn gegen Asylkompromiss

Orban schießt wieder bei der Migration quer – und glaubt fest an Putin

  • Andreas Schmid
    VonAndreas Schmid
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Viktor Orban und Wladimir Putin pflegen enge Kontakte. Der Kremlchef sei nicht geschwächt, vielmehr die Ukraine „kein souveränes Land“. Orban stichelt zudem im Asylstreit.

Budapest – Viktor Orban ist so etwas wie der Bad Boy der Europäischen Union. Regelmäßig stellt sich der ungarische Ministerpräsident bei wegweisenden Entscheidungen quer und blockiert so wichtige EU-Beschlüsse. „Wir alle haben aus den unterschiedlichsten Gründen die Geduld mit Ungarn verloren“, bilanzierte vor kurzem die EU-Abgeordnete Lena Düpont (CDU) im Gespräch mit unserer Redaktion. Die EU-Begeisterung in Budapest sei gering. „Aber dann sollen sie vielleicht irgendwann überlegen, ob sie noch Teil des Ganzen sein wollen oder eben nicht.“

Streitpunkt zwischen Brüssel und Budapest sind die Migrationsfrage sowie der Umgang mit Russland. In beiden Punkten machte Orban nun wieder einmal seinen Standpunkt deutlich. Asylkompromiss? Russland-Ächtung? Nicht mit Ungarn.

Orban gegen Asylkompromiss: „Wir sind nicht in der Lage, das zu ändern“

Zur Eindämmung der irregulären Migration schlägt Orban vor, dass Flüchtlinge außerhalb des EU-Gebiets auf den Abschluss ihres Asylverfahrens warten sollen. „Leider sind wir Europäer nicht in der Lage, das zu regeln“, sagte der konservative Politiker in einem Interview von Bild, Welt und Politico. Grund seien unterschiedliche politische Vorstellungen: So stehe Deutschland der Migration positiv gegenüber, während Ungarn das für zu riskant halte.

Sein Land unterscheide klar zwischen Gastarbeitern und Migranten, Deutschland mache das nicht, sagte Orban. Ungarn wolle keine „Gemeinschaften haben, die unsere wichtigsten europäischen Werte nicht respektieren“. Den von den EU-Innenministern Anfang Juni ausgehandelten Asyl-Kompromiss lehnte Orban erneut ab. Wenn die EU sage, dass sie Migranten künftig in der EU verteilen werde, sei das eine Botschaft an die Schleuser, dass sie ihr Geschäft weiterbetreiben könnten.

Wir haben keinen einzigen Cent aus Brüssel bekommen

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban über den Migrationsstreit mit der EU.

Der Ministerpräsident bekräftigte, dass sein Land sich an der Verteilung von Flüchtlingen in der EU nicht beteiligen und auch keine Ausgleichszahlungen leisten werde. Schon jetzt gebe sein Land mehr als zwei Milliarden Euro aus, um den Schengen-Raum vor illegalen Einwanderern zu schützen – dafür habe das Land „keinen einzigen Cent aus Brüssel“ bekommen.

EU-Länder sollen künftig ein Zwangsgeld von 20.000 Euro für jeden Migranten zahlen, den sie nicht aufnehmen. Mit diesem Geld sollen dann Migrationsprojekte finanziert werden. Diese Regelung richtet sich an Polen und vor allem Ungarn, die als einzige Staaten gegen den Kompromiss stimmten. Ob Ungarn jemals zahlen wird, ist ungewiss. Orban polterte nach dem Gipfel, die EU wolle Ungarn „gewaltsam in ein Migrantenland verwandeln“.

Orban sieht Putin trotz Wagner-Aufstands weiter stark

In dem Interview sprach Orban auch über die Lage im Ukraine-Krieg und die politischen Verhältnisse Russlands. Nach eigener Aussage sieht er die Macht des russischen Präsidenten Wladimir Putin durch den Aufstand der Wagner-Söldnerarmee nicht geschwächt. Der Aufstand habe „keine größere Bedeutung“. Es sei „ein Zeichen von Stärke“, dass der Kremlchef diese Revolte binnen 24 Stunden gestoppt habe.

Ferner sei die Ukraine „kein souveränes Land mehr“, da sie zur Verteidigung gegen Russland auf westliche Hilfe angewiesen sei. Ungarn blockierte mehrfach EU-Hilfen an die Ukraine und verhinderte EU-Sanktionen gegen Russland – etwa ein vollständiges Öl-Embargo oder geplante Strafmaßnahmen gegen den russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill. Orban wiederum pflegt seit Jahren gute Kontakte zu Putin.

Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán (rechts) mit Russlands Präsident Wladimir Putin im Jahr 2019. (Archivfoto)

Orban zum Ukraine-Krieg: „Was wirklich zählt, ist, was die Amerikaner tun möchten“

Der Eindruck von Schwäche, den Putin während des Aufstands gemacht habe, beruhe auf Fehleinschätzungen des Westens, der Russland nicht verstehe, argumentierte Orban in dem Interview: „Wissen Sie, das ist Russland. Russland funktioniert anders als wir. Die Strukturen in Russland sind sehr stabil. Sie basieren auf der Armee, dem Geheimdienst, der Polizei, es ist also eine andere Art von Land, es ist ein militärisch orientiertes Land. Vergessen Sie also nicht, dass die Russen nicht so ein Land sind wie wir, Deutschland oder Ungarn. Es ist eine andere Welt. (...) Wenn Sie also aus unserer Logik heraus verstehen wollen, wie sie funktionieren, werden wir uns immer täuschen“, sagte Orban.

Zur Lage der Ukraine sagte Orban: „Aber was wirklich zählt, ist, was die Amerikaner tun möchten. Die Ukraine ist kein souveränes Land mehr. Sie haben kein Geld. Sie haben keine Waffen. Sie können nur kämpfen, weil wir im Westen sie unterstützen. Wenn die Amerikaner also beschließen, dass sie Frieden haben wollen, wird es Frieden geben.“ (as mit Material der dpa)