Um Ihnen ein besseres Nutzererlebnis zu bieten, verwenden wir Cookies.
Durch Nutzung unserer Dienste stimmen Sie unserer Verwendung von Cookies zu.
Weitere Informationen
Tunnel der Hamas: So zerstört Israels Armee das System
VonJens Kiffmeier
schließen
Das Tunnelsystem unter Gaza ist eine akute Gefahr für Israels Armee im Krieg. Vor der Bodenoffensive soll eine Spezialeinheit die Gänge aufspüren. Doch wie?
Tel Aviv – Die Gefahr lauert unter der Erde: Zwei Männer steigen über eine Leiter aus einem Schacht. Dann robben sie kurz über die Erde – und feuern eine Panzerfaust auf einen israelischen Panzer ab. Die Szene ist in einem Propaganda-Video der Hamas im Internet zu sehen. Doch diese Angriffe können auch real sein. Denn das weit verzweigte Tunnelsystem der pro-palästinensischen Terrormiliz bietet aktuell im Nahost-Krieg viele Hinterhalte, aus denen die israelische Verteidigungsarmee attackiert werden kann.
Tunnelsystem der Hamas: Spezialeinheit fahndet im Israel-Krieg nach den Gängen unter Gaza
Seit mehreren Wochen tobt der Krieg in Israel. Nach dem Angriff der Hamas am 7. Oktober reagierte Israel mit hunderten Luftschlägen. Doch nach und nach soll eine Bodenoffensive anrollen. Aber die ist gefährlich, vor allem wegen der kilometerlangen Tunnelsysteme. Eine Spezialeinheit soll deswegen vorab die Gräben unter Gaza aufspüren und unschädlich machen.
„Israel hat eine Menge Erfahrung beim Finden und Zerstören der Tunnel“, sagte Kobi Michael, Forschungsleiter am Institut für Nationale Sicherheitsstudien (INSS) in Tel Aviv, jetzt dem Berliner Tagesspiegel. Dass die Hamas die tiefen Schächte unter dem Gazastreifen ausgebuddelt hat, ist seit Jahren kein Geheimnis mehr. Doch das System verändert sich und wird immer verzweigter. Das Aufspüren und Vernichten der Gänge gleicht damit einem ständigen Katz-und-Maus-Spiel.
Radar und Sensoren: Jahalom-Einheit spürt Tunnel im Krieg in Israel nur auf
Verantwortlich für die Ortung der Tunnel ist die Jahalom-Einheit. Darin sind Spezialisten aus Ingenieuren und kampferprobten Soldatinnen und Soldaten, die laut Michael über einen langen Zeitraum trainiert werden. Ausgestattet sind sie mit Bodenradar, Bohrgeräten und Hyperspektralsensoren, mit denen sie Bewegungen unter der Erde lokalisieren können. Wenn die Einheit einen Tunnel gefunden hat, steht ihnen eine ganze Palette an Handlungsoptionen zur Verfügung.
Es wäre ein fataler Fehler, in die Tunnel zu gehen.
Einen Kampf unter der Erde nehmen die Spezialisten aus Israel nur in Ausnahmefällen auf. Das bestätigte der frühere Vize-Armeechef Yair Golan kürzlich im Armee-Radio. „Es wäre ein fataler Fehler, in die Tunnel zu gehen“, zitierte ihn unlängst tagesschau.de. Es sei klüger, „die Tunneleingänge zu finden, sie zu verschließen und Rauch einzuleiten oder etwas anderes – sodass der Feind herauskommt oder verletzt wird“.
Schaum, fluten oder sprengen: Israel kann Tunnel der Hamas unterschiedlich zerstören
Die Bandbreite zur Vernichtung der Tunnel ist jedenfalls groß. Immer wieder gibt es Spekulationen über Schwammbomben, die in die Schächte geworfen werden und die nach der Explosion einen harten Schaum ausbreiten, mit denen die Eingänge verstopft werden. Auch Gerüchte über das Fluten der Tunnel gibt es immer wieder. Eine andere Methode bleibt aber die Sprengung. Zum Knacken der Tunnel verfügt die Armee Israels über eigene bunkerbrechende Bomben, die erst tief in das Erdreich eindringen und dann unten in den Gängen explodieren. Die Vernichtungskraft dieser Waffe soll verheerend sein.
Vor dem Gaza-Krieg: Die Geschichte des Israel-Palästina-Konflikts in Bildern
Doch trotz dieser vielen Alternativen lässt sich die Gefahr für einen Angriff aus dem Hinterhalt nicht gänzlich ausschalten. Dafür ist das Tunnelsystem der Hamas unter Gaza mittlerweile zu verzweigt. Schätzungen gehen davon aus, dass sich alle Schächte zusammen auf fast 500 Kilometer erstrecken.
Tunnelsystem unter Palästina: Genaue Länge der Gänge ist aktuell im Krieg in Israel umstritten
Zwar hält die Expertin für unterirdische Kriegsführung an der Reichman-Universität in Tel Aviv, Daphne Richemond-Barak, diese Angaben ein wenig für „übertrieben“, wie sie der New York Times sagte. Doch es gilt als gesichert, dass die Tunnel ausreichen, um Kämpfer unbemerkt auf israelischen Boden zu schmuggeln, Waffen aus Ägypten in den Gazastreifen zu transportieren und die Kommandozentralen unter der Erde zu verstecken. Es wird auch vermutet, dass die Geiseln im Israel-Krieg unterirdisch gefangen gehalten werden und es dort Lager für Waffen, Raketen, Medikamente und Lebensmittel gibt.
Krieg in Israel: Bodenoffensive gilt als schwierigste Kriegsoperation
Alle Tunnel der Hamas wird die Spezialeinheit aber nicht lahmlegen können. „Die harte Wahrheit ist, dass die Tiefe und das Ausmaß der Hamas-Tunnel im Gazastreifen Israels Spezialfähigkeiten übersteigen werden“, resümierte das US-amerikanische Modern War Institute kürzlich in einem Aufsatz zu den unterirdischen Anlagen. Heißt: Auf den ein oder anderen Hinterhalt müssen sich die Soldatinnen und Soldaten bei der Bodenoffensive wohl weiterhin gefasst machen.
Wegen des Häuserkampfes in dem dicht besiedelten Gazastreifen, aber auch wegen des Tunnelsystems der Hamas werde die Offensive eine der „schwierigsten Kriegsoperationen seit dem Zweiten Weltkrieg“, warnte der ehemalige US-General David Petraeus im Tagesspiegel. (jfk)