In der russischen Republik Dagestan sorgte ein antisemitischer Mob für Aufsehen.
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In der russischen Republik Dagestan sorgte ein antisemitischer Mob für Aufsehen.

Pulverfass für Moskau

Antisemitischer Mob in Dagestan - „Russland verliert die Kontrolle“

  • Patrick Mayer
    VonPatrick Mayer
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In der russischen Teilrepublik Dagestan sorgt ein mutmaßlich antisemitischer Mob für Aufsehen. Die Region im Nordkaukasus ist nicht nur deshalb ein Riesen-Problem für Moskau-Autokrat Wladimir Putin.

Machatschkala – Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj stellte schnell einen Zusammenhang zwischen den mutmaßlich antisemitischen Vorfällen am Flughafen von Machatschkala in Dagestan und dem Ukraine-Krieg her, den das Regime in Moskau unter immensen Verlusten weiterführt, während es innerhalb der Russischen Föderation zu den nächsten Ausschreitungen kam.

Anti-israelischer Mob in Dagestan: Verliert Russland die Kontrolle?

Russland habe all seine Kräfte mobilisiert, um in seinem schon seit mehr als 20 Monaten andauernden Angriffskrieg besetzte ukrainische Gebiete zu halten, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache am Montag (30. Oktober): „Doch dabei haben sie ihr eigenes Staatsgebiet mit einem solchen Ausmaß an Hass und Erniedrigung verseucht, dass Russland bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr die Kontrolle über die Ereignisse verliert.“ Es war ein Verweis auf den im Juni gescheiterten Aufstand der Wagner-Söldner.

Im muslimisch geprägten Nordkaukasus war es am Sonntagabend zu beispiellosen antijüdischen Exzessen gekommen, als eine Maschine aus Israel in Machatschkala landete. Eine aufgebrachte Menge stürmte den Flughafen und bewarf Passagiere mit Steinen, es kam zu Tumulten mit Sicherheitskräften, 20 Menschen wurden wohl verletzt. Die Attacke ist indes nur das jüngste Beispiel dafür, warum die russische Teilrepublik Dagestan für Kreml-Machthaber Wladimir Putin ein politisches Pulverfass darstellt.

Dagestan in Russland: Ausschreitungen auf dem Flughafen Machatschkala

Wie die unabhängige oppositionelle russische Online-Zeitung The Moscow Times berichtet, sind anti-jüdische Drohungen in Dagestan mit seinen rund 2,9 Millionen Einwohnern nicht ungewöhnlich. 2007 seien etwa Fenster von Synagogen mit Ziegelsteinen eingeworfen worden, und jüdische Gräber seien damals geschändet worden. Die jüdische Gesellschaft in Dagestan sei von einstmals 30.000 Menschen nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 bis heute erheblich geschrumpft. Wohl auf wenige Tausende.

Bilder zeigen, wie der Krieg in Israel das Land verändert

Massive Raketenangriffe aus Gazastreifen auf Israel
Am 7. Oktober 2023 feuern militante Palästinenser aus dem Gazastreifen Raketen auf Israel ab. Die im Gazastreifen herrschende islamistische Hamas, die von Israel, der EU und den USA als Terrororganisation eingestuft wird, hatte den Beginn einer „Militäroperation“ gegen Israel verkündet. © Hatem Moussa/ dpa
Massive Raketenangriffe aus Gazastreifen auf Israel
Nach einem Raketenangriff aus dem Gazastreifen ist Rauch aus einem Wohnhaus zu sehen.  © Ilia Yefimovich/ dpa
Israelischer Soldat mit Hund im Israel Krieg
Ein israelischer Soldat geht mit seinem Hund zwischen Autos in Deckung.  © Ohad Zwigenberg/ dpa
Israelische Polizisten evakuieren Frau und Kind im Israel Krieg
Israelische Polizisten evakuieren eine Frau und ein Kind von einem Ort, der von einer aus dem Gazastreifen abgefeuerten Rakete getroffen wurde. © Tsafrir Abayov/ dpa
Militante Palästinenser fahren im Israel Krieg mit einem Pickup, auf dem womöglich eine entführte deutsch-israelische Frau zu sehen ist.
Militante Palästinenser fahren mit einem Pickup, auf dem möglicherweise eine deutsch-israelische Frau zu sehen ist, in den Gazastreifen zurück. Die islamistische Hamas hatte mitgeteilt, ihre Mitglieder hätten einige Israelis in den Gazastreifen entführt. © Ali Mahmud/ dpa
Massive Raketenangriffe aus Gazastreifen auf Israel
Angehörige der Feuerwehr versuchen, nach einem Raketenangriff aus dem Gazastreifen das Feuer auf Autos zu löschen. © Ilia Yefimovich/ dpa
Menschen suchen in Trümmern nach Überlebenden nach massive Raketenangriffen aus Gazastreifen auf Israel.
Menschen suchen zwischen den Trümmern eines bei einem israelischen Luftangriff zerstörten Hauses nach Überlebenden.  © Omar Ashtawy/ dpa
Verlassene Stätte des Festivals Supernova nach dem Angriff der Hamas
Bei dem Rave-Musikfestivals Supernova im israelischen Kibbuz Re’im sterben rund 270 Besucher:innen. So sieht die verlassene Stätte nach dem Angriff aus.  © JACK GUEZ / AFP
Feiernde Palästinenser nach Angriff der Hamas auf Israel
Palästinenserinnen und Palästinenser feiern in Nablus nach der großen Militäroperation, die die Al-Qassam-Brigaden, der militärische Flügel der Hamas, gegen Israel gestartet haben.  © Ayman Nobani/ dpa
Hamas-Großangriff auf Israel - Gaza-Stadt
Das israelische Militär entgegnete mit dem Beschuss von Zielen der Hamas im Gazastreifen. Nach einem Angriff steigen bei einem Hochhaus in Gaza Rauch und Flammen auf. © Bashar Taleb/ dpa
Mann weint in Gaza bei Israel Krieg
Ein Mann umarmt einen Familienangehörigen im palästinensischen Gebiet und weint.  © Saher Alghorra/ dpa
Israelischer Soldat im Israel Krieg steht neben Frau
Am 8. Oktober beziehen israelische Soldaten Stellung in der Nähe einer Polizeistation, die am Tag zuvor von Hamas-Kämpfern überrannt wurde. Israelische Einsatzkräfte haben dort nach einem Medienbericht bei Gefechten in der an den Gazastreifen grenzenden Stadt Sderot mehrere mutmaßliche Hamas-Angehörige getötet. © Ilan Assayag/ dpa
Nach Hamas Großangriff - Sa'ad
Israelische Streitkräfte patrouillieren in Gebieten entlang der Grenze zwischen Israel und Gaza, während die Kämpfe zwischen israelischen Truppen und islamistischen Hamas-Kämpfern weitergehen. © Ilia Yefimovich/ dpa
Palästinensisches Kind in einer Schule, die im Israel Krieg als Schutz dient
Ein palästinensisches Kind steht auf dem Balkon einer Schule, die von den Vereinten Nationen betrieben wird und während des Konfliktes als Schutzort dient.  © Mohammed Talatene/ dpa

In dem Bericht wird ein russischer Rabbiner namens Ovadya Isakov zitiert. Dieser soll erzählt haben, dass sich die verbliebenen Jüdinnen und Juden in der russischen Teilrepublik nicht sicher fühlten. Sie wüssten aber nicht wohin. Er nannte als Beispiel die südliche Stadt Derbent, wo es seiner Einschätzung nach 300 bis 400 jüdische Familien gebe. Im restlichen Dagestan seien es geschätzt ebenso viele, meinte der Rabbiner demnach. Die nordkaukasische Republik, die an Tschetschenien grenzt, ist ansonsten stark muslimisch geprägt. Bis zu 94 Prozent der Einwohner:innen sollen Muslime sein. Die Wut muslimischer Gesellschaften nach israelischen Angriffen auf den Gazastreifen nach dem Überfall der Hamas entlud sich nun auch hier, am Südrand der Russischen Föderation.

Wie The Moscow Times schreibt, mussten bei den Ausschreitungen am Flughafen 15 Israelis mit einem Militärhubschrauber evakuiert und in Sicherheit gebracht werden. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Auf Fotos ist aber ein ebensolcher Militärhubschrauber zu sehen, wie dieser auf dem Rollfeld in der Nähe der gelandeten Passagiermaschine steht. Machatschkala diente den israelischen Reisenden angeblich als Zwischenstopp nach Moskau.

Dagestan im Nordkaukasus: Ständiger Unruheherd in Russland

„Die jüngste Eskalation wird der letzte Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt - die wenigen verbliebenen Juden denken darüber nach, das Land zu verlassen und damit möglicherweise ihre jahrhundertelange Präsenz in der Region zu beenden“, schreibt The Moscow Times. Unabhängig davon: bleibt Dagestan in jedem Fall ein Unruheherd für den Kreml.

Denn: Dort gibt es seit mehr als 25 Jahren immer wieder Terroranschläge gegen Regierungsmitglieder und andere Vertreter des Staates. Moskau gelingt es nur unter großer Mühe, die staatliche Autorität aufrechtzuerhalten. Laut der Nachrichtenagentur dpa sah sich der Kreml zum Beispiel 2012 veranlasst, 30.000 russische Soldaten zu entsenden, um die Kontrolle über die Region samt der Großstadt Machatschkala (rund 600.000 Einwohner) wiederzuerlangen. Zuvor war das Blutvergießen enorm.

So wurde laut russischer Zeitung Kommersant im August 1998 ein einflussreicher Mufti und Gegner der Radikalislamisten bei einem Autobombenattentat ermordet. 2003 und 2009 fielen jeweils von Moskau eingesetzte Minister Attentaten zum Opfer. 2010 soll es zu zahlreichen Terroranschlägen und Entführungen gekommen sein. Und auch der völkerrechtswidrige russische Überfall auf die Ukraine hat wohl für neue Unruhe in der Region gesorgt.

Dagestan in Russland: Etliche gefallene Soldaten im Ukraine-Krieg

Laut Recherchen der Organisation „Mediazona“, einst gegründet von Pussy-Riot-Aktivistinnen, stammen etliche der gefallenen russischen Soldaten aus der Region, wo der durchschnittliche Monatslohn um die 200 Euro liege und ein Vertrag als Zeitsoldat vergleichsweise viel Geld bringe. Die Organisation durchforstet bei ihren Recherchen offen zugängliche Quellen wie Lokalzeitungen oder Todesanzeigen im Internet. Bist zum 19. Oktober 2023 wurden nach Angaben der Organisation 723 Todesfälle von Militärangehörigen aus Dagestan verifiziert, wobei „Mediazona“ darauf hinweist, dass die Dunkelziffer an Gefallenen und Verwundeten sehr viel größer sein dürfte. (pm)