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Putin erklärt zivile Frachter zu Russlands Feinden – Experten fordern Nato-Kriegsschiffe als Reaktion
VonStephanie Munk
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Putin erklärt alle Schiffe, die die Ukraine ansteuern, zu möglichen Feinden. Die Folgen könnten dramatisch sein. Militärexperten fordern eine Antwort der Nato.
Update vom 20. Juli, 12.45 Uhr: Russland will die Ausfuhr von Getreide aus der Ukraine offenbar mit allen Mitteln verhindern: Putin gab bekannt, ab sofort alle Handelsschiffe, die die Ukraine ansteuern, als Feinde zu betrachten (siehe Erstmeldung).
Militärexperten fordern jetzt eine Reaktion der Nato. Der Russland-Experte Jan Claas Behrends von der Universität Potsdam fordert auf Twitter: „Es ist Zeit für die Nato-Marine, einschließlich der deutschen Marine, das Schwarze Meer zu sichern und es für freien Handel sicherzumachen.“ Es handele sich dabei nicht um eine „Kriegshandlung“, so der Historiker weiter, sondern es gehe „um die Freiheit der Schifffahrt und die Ernährung der Welt.“
Ähnlich formulierte es der Sicherheitsexperte Carlo Masala von der Bundeswehr-Universität München auf Twitter: „Wann fangen wir an, Russland rote Linien in der Ukraine zu setzen? Sabotiert ihr den Getreideexport, eskortieren wir Schiffe, wie wäre es damit?“ Russland habe seit Beginn des Ukraine-Kriegs „bei Druck und Drohung immer eingelenkt“. Bliebe man jetzt untätig, drohten „Hunger und die Konsequenzen“, wie Migration und Unruhen.
Erstmeldung: Putin erklärt zivile Schiffe zu Russlands Feinden – USA warnen vor Angriffen im Schwarzen Meer
Erstmeldung vom 20. Juli: Moskau – Erst stieg Russland unter internationalem Protest aus dem Getreideabkommen aus – jetzt geht Präsident Wladimir Putin im Ukraine-Krieg eine Stufe weiter: Er stuft ab sofort alle Schiffe, die ukrainische Häfen ansteuern, als potenzielle Feinde ein.
„Alle Schiffe, die in den Gewässern des Schwarzen Meeres zu ukrainischen Häfen fahren, werden als potenzielle Träger militärischer Fracht betrachtet“, gab das russische Verteidigungsministerium in einer Erklärung über Telegram bekannt. Außerdem gehe man davon aus, dass die Heimatländer dieser Schiffe „auf der Seite des Kiewer Regimes in den Ukraine-Konflikt verwickelt sind.“
Putin-Sprecher Dmitri Peskow ergänzte, mit der Entscheidung wolle man die Ukraine daran hindern, militärische Operationen unter dem Deckmantel von Getreidelieferungen auszuführen. „Dort entstehen gewisse Risiken ohne entsprechende Sicherheitsgarantien“, betonte er.
Russland warnt Schifffahrt vor Anfahrt ukrainischer Häfen - und lässt Reaktion offen
Die Entscheidung ist laut dem Ministerium am Mittwoch (19. Juli) um Mitternacht in Kraft getreten – ist also bereits gültig. Eine Warnung an die Schifffahrt sei bereits herausgegeben worden, hieß es aus dem Kreml.
Gleichzeitig erklärte Russland Gebiete im Nordwesten und Südosten des Schwarzen Meeres als gefährlich für die Schifffahrt. Sicherheitsgarantien für Seeleute in diesen Geboten zog es zurück. Auch Odessa – der wichtige Hafen der Ukraine für Getreidelieferungen – liegt im Nordwesten des Schwarzen Meeres.
Wie Russland künftig auf Handelsschiffe, die ukrainische Häfen ansteuern, reagieren wird, wurde in der Erklärung nicht genannt. Doch eine abschreckende Wirkung auf die Schifffahrt liegt auf der Hand. Die USA warnten am Donnerstag (20. Juli) bereits vor Angriffen gegen die zivile Schifffahrt auf dem Schwarzen Meer.
Den US-Behörden lägen Informationen vor, wonach Russland zusätzliche Seeminen in den Zufahrten zu ukrainischen Häfen verlegt habe, sagt Adam Hodge, Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates des Weißen Hauses. „Wir glauben, dass dies ein koordiniertes Vorgehen ist, um Angriffe auf zivile Schiffe im Schwarzen Meer zu rechtfertigen und der Ukraine die Schuld für diese Angriffe zu geben.“
Putin nutzt im Ukraine-Krieg Hunger als Waffe
Putin erhöht mit der neuen Entscheidung den Druck auf den Westen und auf Länder weltweit, die sich im Ukraine-Krieg nicht klar positioniert haben. Denn die Behinderung von Handelsschiffen an ukrainischen Häfen trifft nicht nur die ukrainische Wirtschaft, sondern befördert auch globale Hungerkatastrophen. Die Ankündigung Moskaus ließ laut New York Times bereits die Weizenpreise in die Höhe schnellen – mit einer Erhöhung um neun Prozent habe es den größten prozentualen Anstieg seit Beginn des Ukraine-Kriegs gegeben.
Getreide ist eines der wichtigsten Exportprodukte der Ukraine. Beliefert werden sowohl China als auch viele Länder des globalen Südens in Afrika und im Nahen Osten. Hungerkatastrophen in diesen Ländern könnten zu weltweiten Flüchtlingsströmen führen und Flüchtlingskrisen im Westen befeuern. Destabilisierungstendenzen im Westen spielen wiederum Putin in die Hände. Andrij Jermak, Leiter des Präsidialamtes der Ukraine, erklärte in Richtung Russland: „Sie brauchen Hunger und Probleme in den Ländern des Globalen Südens. Sie möchten eine Flüchtlingskrise für den Westen schaffen.“
Russland kündigt Getreideabkommen und will eigene Bedingungen durchsetzen
Als Grund führte der Kreml Forderungen an, die vom Westen angeblich nicht erfüllt worden seien. Putin sagte der Agentur Interfax zufolge am Mittwoch (19. Juli) bei einem Treffen mit Regierungsvertretern: „Sobald alle diese Bedingungen, auf die wir uns früher geeinigt haben, erfüllt sind (...), werden wir sofort zu diesem Abkommen zurückkehren.“ Moskau behauptet, westliche Staaten hätten angeblich die zugesicherten Erleichterungen für russische Dünge- und Nahrungsmittelexporte nicht ausreichend umgesetzt.
Ukraine-Krieg: Die Ursprünge des Konflikts mit Russland
Über den Schwarzmeerhafen liefen viele ukrainische Agrarexporte im Rahmen des aufgekündigten Getreideabkommens. Dem Südkommando der ukrainischen Streitkräfte zufolge wurden unter anderem Hafenanlagen mit einem Getreide- und einem Speiseölterminal getroffen. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj beklagte, Russland ziele „absolut bewusst“ auf Hafenanlagen und Getreidelager. (smu mit Material von dpa und Reuters)