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Gazas größtes Krankenhaus offenbar überfüllt und überlastet: „Es ist ein Friedhof“
VonSonja Thomaser
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Das Krankenhaus Dar Al Shifa in Gaza-Stadt steht nach Angaben des Personals am Rande des Zusammenbruchs.
Gaza – Der Name Dar Al Shifa bedeutet übersetzt „Haus der Heilung“. Zehntausende suchten in dem Krankenhaus in Gaza-Stadt zuletzt aber nicht nur nach Behandlung, sondern auch nach Schutz vor den Bombardierungen von Gaza-Stadt. Es seien Decken an den eisernen Handläufen des Eingangshofs aufgehängt wurden, um Schatten zu spenden, einige Menschen hätten sich mit ihren Kindern und Überresten ihrer Habseligkeiten im Treppenhaus versammelt, schilderte der britische Guardian Eindrücke aus dem Hospital.
Das Krankenhaus sei mittlerweile so überfüllt, dass Menschen zwischen den Betten mit Patientinnen und Patienten auf dem Boden schlafen, auch auf den Fluren und sogar draußen auf dem Gelände. In der Leichenhalle sammelten sich mehr und mehr Tote.
Krankenhaus in Gaza: Hohe Zahl der Schutzsuchenden stellt Risiko dar
Shifa ist nicht nur die größte medizinische Einrichtung im Gazastreifen, sondern auch das Nervenzentrum des gesamten Gesundheitssystems, und der israelische Angriff auf das Gebiet kommt nun offenbar einer Zerreißprobe für die Einrichtung gleich. Lokale Behörden und Hilfsorganisationen in Gaza schätzen laut Guardian, dass dort zwischen 35.000 und 40.000 Menschen Schutz suchen. Als die israelische Armee begann, Gaza vom Himmel und vom Meer aus anzugreifen und ganze Stadtblöcke zu zerstören, folgten dem Bericht zufolge viele Menschen in Gaza-Stadt einem Verfahren, das sie bei früheren Angriffen gelernt hatten: Sie flohen ins Krankenhaus.
Israels Angriff auf Gaza ist eine Reaktion auf eine Attacke der im Gazastreifen regierenden Hamas. Diese hatte am 7. Oktober von Gaza aus überraschend blutige Großangriffe und Geiselnahmen in Israel begonnen. Israels Armee will die Terrorgruppierung nun zerschlagen.
„Die Ärzte haben ihre Familien aus Sicherheitsgründen ins Krankenhaus gebracht. Ich habe letzte Nacht auf einem Operationstisch geschlafen“, sagte Ghassan Abu-Sittah, einer der Chirurgen, nun per Telefon dem Guardian. „Die Leute haben absolute Angst und denken deshalb, dass dies der sicherste Ort ist. Alles um sie herum bestätigt, dass dies der sicherste Ort ist.“
Er sagte, die hohe Zahl der Schutzsuchenden stelle ein Risiko dar, da Tausende dort nach Nahrung und Wasser suchten, wo es keine gebe. „Der Andrang wird zu einem Ausbruch von Infektionskrankheiten führen. Im Shifa-Krankenhaus droht eine Katastrophe für die öffentliche Gesundheit“, sagte er.
Israel warnte Nord-Gaza: Shifa-Krankenhaus hält Evakuierung für unmöglich
Letzte Woche ordnete Israel eine „vollständige Belagerung“ des Gazastreifens an und unterbrach die Versorgung mit Wasser, Nahrungsmitteln und Treibstoff, was bedeutet, dass Shifa nicht nur Gefahr läuft, den Strom für das Krankenhaus zu verlieren, sondern auch, die Dieselvorräte für seine Notstromaggregate zu verbrauchen.
Vor dem Gaza-Krieg: Die Geschichte des Israel-Palästina-Konflikts in Bildern
Tage später erließ das israelische Militär eine Evakuierungsempfehlung für alle 1,1 Millionen Menschen nördlich des Gaza-Flusses, einschließlich Gaza-Stadt, und forderte sie auf, nach Süden zu fliehen. Das Shifa-Krankenhaus und mehrere andere medizinische Einrichtungen erklärten, eine Evakuierung sei unmöglich. Die Weltgesundheitsorganisation bezeichnete eine Anordnung zur Räumung von Krankenhäusern als „Todesurteil“ für Tausende Kranke und Verletzte.
Krankenhaus in Gaza: „Es ist ein Friedhof“
Abu-Sittah hatte bereits nach wenigen Tagen gewarnt, dass das Krankenhaus vor dem Zusammenbruch stehe. In Shifa gebe es bereits keine Betten mehr, sagte er laut Guardian; die Patienten könnten nicht in die Operationssäle gelangen, die voller Menschen seien. „Alle Krankenhäuser sind überlastet“, sagte er. Der Treibstoff sei fast aufgebraucht und die medizinischen Vorräte gingen gefährlich zur Neige.
Die Leichenhalle des Shifa-Krankenhauses mit einer Kapazität für 30 Leichen fülle sich schnell. Krankenhauspersonal war gezwungen, Leichen vor einem begehbaren Kühlschrank zu stapeln, berichtete der Guardian. Dutzende weitere lagen nebeneinander auf dem Parkplatz, einige in einem Zelt, andere in der Sonne. „Die Leichen sind gestapelt. Die Menschen haben zu große Angst, ihre Toten zu begraben“, sagte Abu-Sittah.
Abu Elias Shobaki, eine Krankenschwester, sagte der Agentur Associated Press: „Es ist ein Friedhof. Ich bin emotional und körperlich erschöpft. Ich muss mich einfach davon abhalten, darüber nachzudenken, wie viel schlimmer es noch werden wird.“
Krankenhaus in Gaza: Personal und Vorräte erschöpft
Da jedoch andere Krankenhäuser im nördlichen Gazastreifen entweder aufgrund von Evakuierungen oder aus Angst vor Angriffen schließen mussten, wurden ihre Patienten nach Shifa verlegt.
„Derzeit befindet sich ein Viertel aller Patienten im Gazastreifen in Shifa“, sagte Zaher Sahloul von MedGlobal, das medizinische Einrichtungen in Gaza unterstützt, laut Guardian. „Es ist eine zusätzliche Belastung neben den Familien der Ärzte und Krankenschwestern sowie der Patienten und Journalisten, die alle dort untergebracht sind.“
„Wir können nur noch die lebensrettenden Operationen durchführen. Nicht nur die Vorräte sind erschöpft, sondern auch das Personal ist erschöpft“, sagte Abu-Sittah. „Viele von ihnen wurden entweder getötet, oder ihre Familienangehörigen wurden getötet, oder sie versuchen, ihre Familien in Sicherheit zu bringen.“ Abu-Sittah beschrieb dem Guardian einige der Fälle, die im Krankenhaus eintrafen. „Heute Morgen hatten wir zwei Kinder, beide schwer verletzt und beide trugen die Bezeichnung ‚verwundetes Kind, keine überlebende Familie‘.“ (Sonja Thomaser)