Video soll Beweise zeigen
Israels Armee will Hamas-Zentrale unter Krankenhaus in Gaza entdeckt haben
VonStefan Kriegerschließen
Israels Armee behauptet, in einem Kinderkrankenhaus Geiselverstecke der Hamas entdeckt zu haben. Funde sollen die Anschuldigungen untermauern – doch es gibt auch Zweifel.
Gaza – Die israelische Armee meldet, sie habe Belege auf Geisel-Verstecke der Hamas in einem Kinderkrankenhaus in Gaza aufgespürt. Armeesprecher Daniel Hagari sagte, man habe „Hinweise gefunden, die darauf hindeuten, dass die Hamas“ im Keller des Al-Rantisi-Krankenhauses „Geiseln festgehalten hat“. Als Belege zeigte er in einem Video unter anderem eine Babyflasche und ein an einem Stuhl befestigtes Seil. Außerdem geht Israel davon aus, dass sich neben den Räumen für die Geiseln eine unterirdische Kommandozentrale der Hamas auf dem Gelände befand.
In einem Video, das am Montag auf X veröffentlicht wurde, ging Admiral Daniel Hagari durch den Keller des Al-Rantisi-Spezialkrankenhauses für Kinder im westlichen Gazastreifen. Israel teilte mit, dass das Krankenhaus am Sonntagabend (12. November) vollständig evakuiert worden sei, nachdem die Truppen das Gebäude mehrere Tage zuvor umstellt hatten.
Die Hinweise auf die Geisel-Verstecke in dem Krankenhauskeller im Norden des Gazastreifens würden nun untersucht, so Hagari. Der israelische Armee verfüge aber auch „über Geheimdienstinformationen, die dies bestätigen“.
Angeblich „Hamas-Infrastruktur“ im Keller des Krankenhauses
Hagari sagte in dem Video zudem, die Armee habe in dem Krankenhauskeller auch „Hamas-Infrastruktur“ und Waffen gefunden. Entdeckt wurden demnach „Sprengstoffgürtel, Granaten, AK47-Sturmgewehre, Sprengsätze, Raketenwerfer und andere Waffen“.
EXCLUSIVE RAW FOOTAGE: Watch IDF Spokesperson RAdm. Daniel Hagari walk through one of Hamas' subterranean terrorist tunnels—only to exit in Gaza's Rantisi hospital on the other side.
— Israel Defense Forces (@IDF) November 13, 2023
Inside these tunnels, Hamas terrorists hide, operate and hold Israeli hostages against their… pic.twitter.com/Nx4lVrvSXH
Das Video enthält auch angebliche Aufnahmen des Hauses eines hochrangigen Hamas-Marineoffiziers, das sich nur 200 Meter vom Al-Rantisi-Krankenhaus entfernt befindet, sowie eines Tunnels in der Nähe des Krankenhauses, wie Hagari angab. Der fragliche Tunnel soll 20 Meter lang und durch eine kugelsichere Tür gesichert sein.
Hagari wies auf Beweise im Keller des Krankenhauses hin, die seiner Meinung nach darauf hindeuten, dass das Gebäude als Kommandozentrale der Hamas genutzt wurde, darunter schwere militärische Ausrüstung wie Schusswaffen, Handgranaten und mit Sprengstoff umgeschnallte Westen. „Ich möchte, dass Sie verstehen, dass diese Art von Ausrüstung die Ausrüstung für einen großen Kampf ist“, so Hagari.
Zweifel an den angeblichen Beweisen im Video
Die Angaben des israelischen Militärs lassen sich allerdings nicht unabhängig prüfen. Muhammad Shehada, ein in Palästina lebender Journalist, will einige Unstimmigkeiten im Video gefunden haben. Auf X schreibt Shehada in einem Beitrag, dass Hagari auf einen „zufälligen Kalender“ im Krankenhaus von Rantisi als „Beweis“ für eine „Geiselnehmerliste“ mit den Namen von „Terroristen“ verweist. „Aber das einzige auf dieser ‚Liste‘ sind buchstäblich die Wochentage (Samstag-Freitag)“
Shehada weiter: „Israel konnte im Krankenhaus keine Tunnel oder Waffen finden, also erfand es eine neue Lüge: ‚Geiseln wurden im Keller des Krankenhauses festgehalten‘. Aber wie wurden die Geiseln herausgebracht, wenn israelische Soldaten und Panzer das Krankenhaus vollständig umstellt haben?“
Not a Borat Sketch! The IDF Spokesman points to a random calendar at the Rantisi hospital as "evidence" of a "hostage keepers' list" with "terrorists' names".
— Muhammad Shehada (@muhammadshehad2) November 13, 2023
But the ONLY thing on that "list" is literally the days of the week (Saturday-Friday).
No tunnels, no weapon stash...🧵 pic.twitter.com/5kgPHtKfrA
Israel wirft der Hamas vor, Krankenhäuser und Schulen als Schutzschilde zu nutzen
Israel behauptet seit langem, dass die Hamas Häuser, Krankenhäuser und Schulen als Schutzschilde für ihre Kämpfer benutzt, auch weil der Verlust von Zivilisten Sympathien für die palästinensische Befreiungsbewegung und internationale Aufmerksamkeit erregt. Die Videos der israelischen Streitkräfte vom Montag wurden zu einem Zeitpunkt veröffentlicht, als die Truppen sich weiter dem Al-Shifa-Krankenhaus, der größten Gesundheitseinrichtung in Gaza, näherten. Tel Aviv hat bislang kaum konkrete Beweise für die Vorwürfe vorgelegt. Sowohl die Hamas als auch Mohammed Abu Selmiader, der Leiter des Shifa-Krankenhauses, haben die Existenz einer unterirdischen Kommandozentrale bislang immer wieder bestritten.
Nach Angaben des Sprechers des Gesundheitsministeriums in Gaza, Ashraf Al-Qidra, der der Nachrichtenagentur Reuters sagte, dass Patienten, darunter auch Neugeborene, gestorben seien, nachdem der Strom im Krankenhaus abgestellt wurde. Die New York Times berichtete, dass Tausende von Menschen am Wochenende aus dem Al-Shifa geflohen sind, und die Weltgesundheitsorganisation WHO erklärte am Montag, dass die Situation für die Patienten dort „schrecklich und gefährlich“ sei.
Heftige Kritik an Israel
Hunderte Kämpfer der von den USA und der EU als Terrororganisation eingestuften Hamas waren am 7. Oktober nach Israel eingedrungen und hatten Gräueltaten überwiegend an Zivilisten verübt, darunter zahlreiche Kinder. Israelischen Angaben zufolge wurden etwa 1200 Menschen in Israel getötet und rund 240 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt.
Die Kämpfe im Gazastreifen haben sich seit den Hamas-Angriffen verschärft, und Israel wurde für den Angriff auf den Al-Shifa-Krankenhauskomplex heftig kritisiert. Angriffe auf Krankenhäuser sind zu einem zentralen Bestandteil der Kämpfe geworden, und das Vorhandensein bzw. Nichtvorhandensein einer Hamas-Kommandozentrale könnte die internationale Unterstützung für Israel gefährden sowie US-Präsident Joe Biden in eine schwierige Lage bringen.
„Es ist meine Hoffnung und Erwartung, dass es mit Blick auf das Krankenhaus weniger intrusive Handlungen gibt“, sagte Biden. Die USA stünden mit Israel deswegen in Kontakt. (skr)
Rubriklistenbild: © Abed Rahim Khatib/dpa
