Wahlverhalten der Generation Z
Europawahl 2024: Junge Wahlberechtigte zeigen teils radikale Tendenzen
VonPaula Völknerschließen
Bei der Europawahl dürfen in Deutschland erstmals Menschen ab 16 wählen. In einigen EU-Staaten scheinen auch junge Menschen Rechtspopulisten ihre Stimme geben zu wollen.
Brüssel – Erstmals dürfen in Ländern wie Deutschland und Belgien 16- und 17-Jährige bei der Europawahl 2024 ihre Stimme abgeben. In Deutschland sind es damit am 9. Juni rund 5,1 Millionen Menschen, die zum ersten Mal ihr Kreuz bei der Wahl des EU-Parlaments setzen können. In einer Eurobarometer-Umfrage im April gaben 64 Prozent der Befragten im Alter von 15 bis 30 Jahren an, bei der Europawahl im Juni wählen zu wollen.
Im Jahr 2022 hat sich der Bundestag für das Herabsetzen des Wahlalters bei der Europawahl entschieden. Laut Koalition soll damit die Zahl der Wahlberechtigten in Deutschland um rund 2,3 Prozent gestiegen sein. Die Neuregelung solle laut Gesetzestext der Tatsache Rechnung tragen, dass auch viele unter 18-Jährige „an zahlreichen Stellen in der Gesellschaft Verantwortung übernehmen und sich in den politischen Prozess einbringen können und wollen“.
Sorge um Rechtsruck bei Europawahl 2024: Unter jungen Menschen zeigt sich Gender-Gap
Mit Blick auf die Europawahl wird viel über den erwarteten Rechtsruck diskutiert. Unterstützt wird die einwanderungsfeindliche Agenda von rechtspopulistischen Parteien in Europa von älteren, aber auch von jungen Menschen – teils sogar besonders von jungen Menschen und Erstwählern. Das zeigen laut einem Bericht der Zeitung Politico Analysen der jüngsten Wahlen und Untersuchungen zu den politischen Präferenzen junger Menschen.
Wo junge Menschen in Europa politisch stehen, dafür zeigen Studien Tendenzen, weisen jedoch teils unterschiedliche Befunde auf. Wichtig ist dabei, dass genauso wie ältere Menschen, junge Menschen keine homogene Masse darstellen. So zeigt sich mit Blick auf junge Wahlberechtigte beispielsweise ein sogenannter Gender-Gap.
Eine Studie des Kölner Soziologen Dr. Ansgar Hudde hat die Stimmverteilung von 18- bis 24-jährigen Menschen untersucht. Mit dem Ergebnis: Junge Frauen und Männer driften politisch immer weiter auseinander. Während junge Männer eher konservativen Parteien zugetan sind, stimmen junge Frauen eher für progressive Parteien.
Generation Z vor Europawahl 2024: Mehr junge Männer als Frauen unterstützen AfD
Die weit verbreitete Vorstellung, junge Menschen würden im politisch linken Spektrum starten und im Laufe ihres Lebens weiter in Richtung des konservativen, rechten Lagers wandern, sei eine Fehlannahme, erklärte der Professor für Politikwissenschaft James Tilley. In einer BBC-Radioserie unter dem Titel „The Kids Are Alt Right?“ spricht er mit dem britischen Politikwissenschaftler und Meinungsforscher Matt Goodwin über diesen mutmaßlichen Irrglauben.
Auch in Deutschland gibt es Studien, die darauf hinzudeuten scheinen, dass die Generation Z sich dem rechtspopulistischen Lager zuwendet. In einer Studie „Jugend in Deutschland“ gaben demnach 22 Prozent der Befragten im Alter von 14 bis 29 an, dass sie die rechtspopulistische AfD wählen würden. Die Ergebnisse der Umfrage sind jedoch umstritten. So wurden die Daten per Online-Panel gesammelt, für das sich die Teilnehmenden registrieren mussten. Laut ntv Bericht ist dies in der Wahlforschung eine umstrittene Methode.
In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa gaben im Mai 18 Prozent der 18- bis 29-jährigen Männer an, die AfD wählen zu wollen. Unter Frauen im gleichen Altersrahmen ergab die Umfrage acht Prozent. Auch hier zeigt sich eine Kluft zwischen Männern und Frauen.
Politischer Gender-Gap vor Europawahl auch in Ländern wie Belgien zu erkennen
Eine solche Kluft zwischen Geschlechtern ist auch in Belgien zu erkennen. Dort deuten Umfragen vor den regionalen, nationalen und EU-Wahlen im Juni darauf hin, dass die einwanderungsfeindliche und separatistische Partei Flämisches Interesse (Vlaams Belang) mehr als 25 Prozent der Stimmen erhalten könnte.
Unter Männern der Generation Z – bis zum Alter von 27 Jahren – gaben fast 32 Prozent an, dass sie sehr wahrscheinlich einmal für die Partei stimmen würden, berichtete Politico. Unter den Frauen dieser Altersgruppe waren es nur acht Prozent.
Umfrage vor Europawahl 2024: Europa rückt nach rechts
Spricht man über einen Rechtsruck in Europa, kommt man an Marine Le Pens Rassemblement National kaum vorbei. Die Partei scheint sich in Frankreich mit ihrem 28-jährigen Spitzenkandidaten Jardon Bardella eine breite Unterstützung der jungen Wahlberechtigten gesichert zu haben.
In einer Ifop-Umfrage im April gaben 32 Prozent der 18- bis 25-Jährigen an, dass sie für die die Partei Rassemblement National stimmen würden. Forscher schätzen jedoch laut Politico, dass nur 30 Prozent der jungen Wahlberechtigten ihre Stimme überhaupt abgeben werden. Auch in Ländern wie Schweden und den Niederlanden wurden die rechtspopulistischen Parteien besonders von jungen Menschen bei den vergangenen nationalen Wahlen unterstützt.
Die Antwort auf die Frage, für welche Parteien viele junge Menschen bei der Europawahl entscheiden werden, lässt sich aus diesen Ergebnissen nicht endgültig ableiten. Die Umfragen und nationalen Ergebnisse zeigen jedoch eine Tendenz auf, die sich auch in den altersübergreifenden Umfragen zu Europawahl widerspiegelt. Umfragen zur Europawahl 2024 deuten darauf hin, dass die beiden Fraktionen am rechten Rand, „Europäische Konservative und Reformisten“ sowie „Identität und Demokratie“, gestärkt aus der Wahl hervorgehen könnten.
Europawahl 2024: Warum Rechtspopulisten bei jungen Menschen überhaupt Erfolg haben
Lauren Mason vom Europäischen Jugendforum nannte gegenüber dem Online-Magazin The Parliament mögliche Gründe für die Unterstützung junger Menschen für Parteien am rechten Rand. Zum einen sagt Mason, sie glaube, dass junge Menschen sich „von den etablierten Parteien auf viele Arten im Stich gelassen“ fühlen. Dabei gehe es um Themen wie die „Sicherung von guten Arbeitsplätzen, Zugang zu Wohnraum, Sicherheit und zur mentalen Gesundheitsvorsorge“.
Mason vermutete außerdem, dass die Social-Media-Strategie der rechtspopulistischen Parteien und ihrer Vertreter für den Zuspruch innerhalb der Gen Z gesorgt haben könnte. (pav)
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