Medienbericht
Konflikt der Supermächte: Biden will Chinas „Diktator“ Xi Jinping in San Francisco treffen
VonSven Haubergschließen
Die wohl wichtigste bilaterale Beziehung der Welt ist schwer angeschlagen. Dennoch soll es bald zu einem Treffen zwischen Joe Biden und Xi Jinping kommen.
Kaum im Amt, sprach US-Präsident Joe Biden vor versammelter Presse aus, was er über Xi Jinping denkt. Chinas Staats- und Parteichef habe „keinen demokratischen Knochen“ im Körper, ätzte Biden, und so wie Russlands Präsident Putin glaube auch Xi, dass der Autokratie die Zukunft gehöre. Das war im März 2021, und seitdem hat Biden verbal noch einmal kräftig nachgelegt: Auf einer Spendenveranstaltung im vergangenen Juni erklärte er Xi Jinping kurzerhand zum „Diktator“. Wenn also stimmt, was nun die Washington Post berichtet, dass sich nämlich Biden und Xi schon im November in San Francisco treffen wollen: Dann müsste Biden zumindest in den kommenden Wochen seine Zunge hüten, um die Stimmung nicht schon im Vorfeld zu verderben.
Es sei „ziemlich sicher“, dass die beiden Staatsoberhäupter beim Asien-Pazifik-Gipfel (Apec) in der kalifornischen Stadt zusammenkommen würden, sagte ein Regierungsbeamter der Post. „Wir beginnen gerade mit der Planung.“ Ein zweiter Regierungsbeamter sagte der Zeitung, Biden freue sich auf das Treffen mit Xi, aber es sei „noch nichts bestätigt“. Auch China wollte die Pläne bislang nicht bestätigen.
Beziehungen zwischen China und den USA schwer belastet
So oder so wäre es höchste Zeit für ein Treffen. Denn das letzte Mal persönlich begegnet waren sich Xi und Biden vor knapp einem Jahr, am Rande des G20-Treffens in Bali. Den Nachfolgegipfel, zu dem Indiens Ministerpräsident Modi unlängst nach Neu-Delhi eingeladen hatte, ließ Xi aus unbekannten Gründen ausfallen.
Seit Bali ist viel passiert in der Beziehung der beiden Supermächte. Vor allem die Affäre um einen angeblichen chinesischen Spionageballon, der im Februar über den USA abgeschossen wurde, belastete lange das Verhältnis zwischen Peking und Washington. Der amerikanische Außenminister Antony Blinken sagte kurzerhand einen geplanten Peking-Besuch ab, China wiederum wies die Anschuldigungen aus Washington zurück und sprach von einem Wetterballon. Monate später erklärte das Pentagon, der Ballon sei zwar in der Lage gewesen, Informationen zu sammeln, habe das aber nicht getan. Der diplomatische Schaden war da aber schon längst gewaltig.
Ohnehin glaubt die Pekinger Parteiführung schon seit geraumer Zeit, die USA wollten China gezielt Schaden zufügen. Deutlich wie nie brachte Xi Jinping diese Sorgen im März auf den Punkt: „Die westlichen Länder, angeführt von den Vereinigten Staaten, betreiben eine umfassende Eindämmung und Unterdrückung Chinas, die die Entwicklung des Landes vor noch nie dagewesene Herausforderungen gestellt hat“, klagte er.
Mehrere US-Minister in China
Als Beweis für diese Anschuldigung dient Peking unter anderem eine Entscheidung von Joe Biden aus dem vergangenen Herbst: Besonders hoch entwickelte Mikrochips, die etwa für Anwendungen im Bereich der Künstlichen Intelligenz genutzt werden können, sowie Maschinen zu deren Herstellung dürfen seitdem nicht mehr nach China exportiert werden. In Washington wiederum kritisiert man offen die Unterstützung der Chinesen für Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine und die zunehmend aggressiven Drohgebärden gegenüber Taiwan.
Trotz der offenkundigen Differenzen zwischen den beiden Atommächten kam zuletzt aber wieder Bewegung in die festgefahrenen Beziehungen. Im Juni holte Antony Blinken seinen Peking-Besuch nach, ihm folgten wenig später Finanzministerin Janet Yellen sowie der Klimabeauftragte John Kerry und Handelsministerin Gina Raimondo. Zuletzt trafen sich im September Chinas Außenminister Wang Yi und Joe Bidens Nationaler Sicherheitsberater Jake Sullivan in Malta. Bei der Begegnung in der Hauptstadt Valletta sei es auch um den geplanten Xi-Besuch in San Francisco gegangen, berichteten anschließend US-Medien. In der kommenden Woche wird zudem erstmals seit vier Jahren eine Delegation des US-Kongresses in Peking erwartet.
Aus chinesischer Sicht ist indes klar, bei wem der Ball jetzt liegt, wenn die Beziehungen zwischen Peking und Washington nachhaltig verbessert werden sollen: „Der Schlüssel dazu ist die Einhaltung der drei von Präsident Xi Jinping dargelegten Grundsätze, nämlich gegenseitiger Respekt, friedliche Koexistenz und Zusammenarbeit, von der alle Seiten profitieren“, erklärte Chinas US-Botschafter Xie Feng unlängst. Heißt: Washington muss Pekings Ansprüche auf Taiwan vorbehaltlos anerkennen und, so Xie, das „politische System“, für das sich das chinesische Volk „entschieden“ habe, respektieren. Was wiederum bedeutet: Seine Diktatoren-Kommentare soll Biden sich in Zukunft bitte sparen.