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Geschwächte Verteidigung gegen Charkiw-Offensive wirft Fragen auf – Selenskyj: „Unsinn“
VonFelix Busjaeger
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Die Charkiw-Offensive in Russlands Angriffskrieg erfolgte schnell und erfolgreich. Inzwischen steht die Verteidigung der Ukraine – doch Probleme bleiben.
Charkiw – Russlands aktueller Vorstoß im Ukraine-Krieg könnte ein Weckruf an den Westen sein: In den vergangenen Monaten waren Waffenlieferungen reduziert worden und die Verteidiger harrten an der Front mit immer weniger Munition und Nachschub aus. Die russische Charkiw-Offensive nutzte diesen Umstand aus und innerhalb weniger Tage konnten Putins Streitkräfte mehrere Hundert Quadratkilometer erobern.
Präsident Wolodymyr Selenskyj beteuerte zwar am Donnerstag, dass die Lage bei Charkiw inmitten des russischen Kriegs „kontrollierbar“ sei. Und auch ein Nato-Befehlshaber machte deutlich, dass die Charkiw-Offensive scheitern könnte. Doch die Umstände, die zu Russlands Vorstoß im östlichen Teil der Ukraine führten, werden inzwischen von immer mehr Stimmen kritisch hinterfragt – und die Leistung der Verteidiger angeprangert.
Charkiw-Offensive setzt Kiew unter Druck: Putin im Ukraine-Krieg mit Erfolgen
Seit Monaten hatte sich ein neuer Vorstoß Russlands im Krieg in der Ukraine angedeutet, westliche Geheimdienste hatten entsprechende Warnungen herausgegeben. Quasi im Eiltempo waren Wladimir Putins Truppen vor einer Woche dennoch in der Ostukraine vorgerückt und konnten schnell die ersten Dörfer einnehmen. In der Folge mussten ukrainische Verteidiger teilweise ihre Stellungen aufgeben und befanden sich auf dem Rückzug. Die Lage im Ukraine-Krieg veranlasste Kiew sogar, einzelne Einheiten von anderen Frontabschnitten abzuziehen, um die Verteidigung der Millionenstadt zu sichern.
Inzwischen gilt die Verteidigung gegen die Charkiw-Offensive als gefestigt. Laut britischem Guardian wirft der schnelle Vorstoß der russischen Truppen dennoch ernsthafte Fragen auf. Bereits seit März hatte es entsprechende Ankündigungen aus Russland gegeben, bei Charkiw vorrücken zu wollen, um eine sogenannte Pufferzone einzurichten. Über Monate hatte die Luftwaffe des Aggressors mit Gleitbomben die Grenzregion zermürbt, am Ende waren zahlreiche Gebäude zerstört. Zudem hatte Russland in Vorbereitung auf einen möglichen Vorstoß immer mehr Truppen in der Region zusammengezogen. Ein erneuter Vorstoß in Russlands Krieg in der Ukraine erschien also mehr als wahrscheinlich.
Lage im Ukraine-Krieg wirft Fragen auf: Kommandant prangert Verteidigung gegen Charkiw-Offensive an
Das Institute for the Study of Warhatte in den vergangenen Wochen immer wieder über die Möglichkeit von russischen Vorstößen bei Charkiw berichtet. Zur Lage im Ukraine-Krieg hieß es in den Analysen, dass eine Offensive im russischen Krieg in der Ukraine jederzeit möglich war. Der Guardian führt aus: Die Verteidigungslinien der Ukraine in der Region Charkiw waren nur spärlich vorhanden. In Wowtschansk, etwa 60 Kilometer nordwestlich von Charkiw, „existierte die erste Linie von Befestigungen und Minen einfach nicht“, wird der ukrainische Kommandant Denys Yaroslavsky zitiert.
Wie der Tagesspiegel schreibt, steht die Einschätzung des Kommandanten zur Lage in Russlands Krieg in der Ukraine im deutlichen Widerspruch zu Aussagen von Selenskyj. Der ukrainische Präsident hatte bei einem seiner regelmäßigen Updates zum Ukraine-Krieg noch im April erklärt, dass die Verteidiger gegen eine mögliche Offensive bei Charkiw gewappnet seien. Die Verteidigung der Region Charkiw fußt derweil nicht nur auf der ersten Verteidigungslinie: Mehrere Linien sollen weitere Vorstöße der russischen Kräfte verhindern. Dennoch sprach Yaroslavsky am vergangenen Sonntag ein weiteres Problem im Ukraine-Krieg: „Es gibt einfach keine Einheiten“. Zudem soll seiner Einschätzung nach die Verteidigung „nicht richtig positioniert“ gewesen sein.
Befestigung gegen Charkiw-Offensive: Selenskyj reagiert
Am Freitag, dem 17. Mai, äußerte sich Präsident Selenskyj zur Kritik an den Verteidigungslinien und stellte heraus, dass Russlands Truppen bei der Charkiw-Offensive nur den ersten Befestigungsring erreicht hätten. Laut Ukrainska Pravda sagte der Politiker bei einem Treffen mit Journalisten: „Die erste Linie ist nicht die Grenze. Es ist unmöglich, dort [Befestigungen] zu bauen, weil unsere Leute durch die von den Russen eingesetzten Waffen getötet wurden.“ Die dritte Linie sei demnach die mächtigste Verteidigung.
Russland hätte diese konkrete Verteidigungslinie noch nicht erreicht. Anderslautende Aussagen seien laut Selenskyj „Unsinn“. Der Politiker entgegnete damit Gerüchten, die den Verdacht aufkommen ließen, dass im Ukraine-Krieg keine zuverlässigen Befestigungsanlagen errichtet worden waren und das Geld unterschlagen worden war.
Trotz Russlands Verlusten bei Charkiw-Offensive: Verteidigung im Ukraine-Krieg unter Druck
Trotz Selenskyjs Aussagen: Der schnelle Vorstoß bei der Charkiw-Offensive und die unzureichende Verteidigungsfähigkeit der Ukraine wirft dennoch Fragen auf – sind aber unter anderem auf fehlende Waffenlieferungen zurückzuführen. Die USA hatten erst nach längeren Debatten vor einigen Tagen weitere Unterstützung für den Ukraine-Krieg angekündigt. Die Hilfe ist bereits angelaufen, doch Wladimir Putins Truppen starteten ihren Angriff zu einem Zeitpunkt, als die Verteidiger mit Munitionsmangel und Versorgungsengpässen zu kämpfen hatten. Kiew hat außerdem aktuell Probleme, kampffähige Männer für die Front einzuziehen. Der Nachschub für die Front in der Ostukraine war also nicht gesichert.
Bilder des Ukraine-Kriegs: Großes Grauen und kleine Momente des Glücks
Laut Guardian wurden in den vergangenen Wochen Defizite bei der ukrainischen Artillerie und fehlende Abwehrkräfte gegen ballistische Raketen und Gleitbomben mit großer Reichweite beobachtet. In Summe sorgten die jeweiligen Probleme wohl dafür, dass die Charkiw-Offensive im jetzigen Umfang überhaupt möglich war. Zur Lage im Ukraine-Krieg sagte der Militäranalytiker Jewgen Dykyi laut Tagesspiegel: „Die Tatsache, dass russische Truppen relativ leicht in Wowtschansk einmarschieren konnten und es dort am zweiten Tag zu Straßenschlachten kam, war eindeutig nicht Teil der Pläne der ukrainischen Militärführung.“
Lage im Ukraine-Krieg wegen Charkiw-Offensive angespannt: Weitere Vorstöße Russlands möglich
Inwieweit Russland die Charkiw-Offensive für weitere Fortschritte im Angriffskrieg in der Ukraine nutzen wird, ist gegenwärtig noch unklar. Laut ISW ist der Vorstoß zwischenzeitlich zum Erliegen gekommen. Dennoch könnte Russland in den kommenden Tagen weitere Kampfeinheiten in die Region entsenden und die Verteidiger zusätzlich unter Druck setzen. Selenskyj betonte in einem Interview mit ABC Newsam 16. Mai, dass die Lage in Richtung Charkiw sehr ernst sei und dass die ukrainischen Streitkräfte es sich nicht leisten können, die Stadt Charkiw zu verlieren. Zugleich machte er die fehlende Unterstützung für die Ukraine in Russlands Angriffskrieg für die aktuelle Lage verantwortlich.
Aufgrund der Bedeutung von Charkiw für den Ukraine-Krieg ist es daher naheliegend, dass Kiew im Zweifelsfall weitere Truppen zur Verteidigung der Region abkommandieren wird. Möglicherweise könnte dies auch im Interesse von Russland sein: Eine gestärkte Defensive bei Charkiw bedeutet inmitten der aktuellen Lage im russischen Angriffskrieg unmittelbar eine geschwächte Stellung anderswo – und diesen Umstand könnte Putins Armee möglicherweise ausnutzen. (fbu/dpa)