Carsten Linnemann
Die Union hat einen neuen Generalsekretär – Hardliner soll Merz-CDU retten
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Am Dienstag (11. Juli) gab Friedrich Merz überraschend bekannt, seinen Generalsekretär Mario Czaja zu ersetzen. Mit dem Einsatz eines Hardliners will Merz die CDU zu alter Stärke führen.
Berlin – Die Unzufriedenheit mit der Bundesregierung ist groß, trotzdem steht die Union in Umfragen zumeist knapp unter 30 Prozent Zustimmung. Sie ist damit zwar klar stärkste Kraft, doch das Ampel-Chaos scheint vor allem der AfD zu helfen. Überhaupt scheint CDU-Parteichef Friedrich Merz in den Augen vieler nichts richtig machen zu können. Angetreten war er am 22. Januar 2022 mit dem Versprechen, die CDU durch „starke Führung und klaren Kurs“ wieder auf den Weg der bürgerlichen Tugend zu bringen. Als neuen Generalsekretär schlug Merz damals den Berliner Bundestagsabgeordneten Mario Czaja vor. Die Partei nahm den Vorschlag wohlwollend an, in der folgenden Abstimmung wurde Czaja mit 92,9 Prozent der Stimmen in seinem neuen Amt bestätigt.
Seit Dienstag (11. Juli) hat Friedrich Merz einen neuen Generalsekretär, Carsten Linnemann. Spätestens damit endete die Liaison von Merz und Czaja also. Tatsächlich kriselte es aber schon länger zwischen den beiden Politikern, die FAZ schreibt sogar, die beiden seine „nie Freunde“ gewesen. Czaja hatte mehrmals gegen Merz als Parteivorsitzenden gestimmt und sieht sich selbst als Modernisierer. Sein großer politischer Erfolg war, in Berlin-Marzahn-Hellersdorf ein Direktmandat zu erlangen und damit die Linkspartei zu bezwingen. Als Generalsekretär unter Merz war er oft damit beschäftigt, die verbalen Eskapaden seines Parteivorsitzenden zu relativieren.
Friedrich Merz polarisiert gerne mit seinen Aussagen - Und verärgert die Menschen damit teilweise
Friedrich Merz‘ Aussagen sorgen immer wieder für Schlagzeilen. Kinder von Migranten nannte er verallgemeinernd Paschas. Als Ursache für das Abwandern der Wählerschaft zur AfD hat er zurzeit die Politik der Grünen im Visier. In der Vergangenheit hatte er in seinem Newsletter aber auch schon die „gegenderten Nachrichtensendungen“ dafür verantwortlich gemacht. Auch vor seiner Wahl zum Parteivorsitzenden polarisierte er stark. Besonders die Aussage „Solange sich das im Rahmen der Gesetze bewegt und solange es nicht Kinder betrifft – an der Stelle ist für mich allerdings eine absolute Grenze erreicht –, ist das kein Thema für die öffentliche Diskussion“ über die Möglichkeit eines schwulen Kanzlers, hat sich bei vielen ins Gedächtnis eingebrannt.
Seine Grundsatzrede auf dem kleinen Parteitag der CDU im Juni galt ganz der Schärfung des Profils seiner Partei. Deutschland sei zwar ein Einwanderungsland, man dürfe „Menschen, Städte und Gemeinden“ aber nicht überfordern. „Wenn die Außengrenzen nicht ausreichend geschützt werden können“, müsse man Binnengrenzen kontrollieren, „damit wir wissen, wer in dieses Land kommt.“, so der CDU-Parteivorsitzende. Als in Idar-Oberstein der Mitarbeiter einer Tankstelle erschossen wurde, meinte Merz, er könne verstehen, „dass mittlerweile ganz normale Menschen“ das Gefühl hätten „die Einschränkungen sind hier etwas zu intensiv.“ Mario Czaja war damit der falsche für den Kurs, auf den Friedrich Merz die Partei steuern will.
Volle Fahrt voraus ins Konservative - Inklusive Hetze gegen Migranten und Arbeitslose
Carsten Linnemann hingegen ist aus einem anderen Holz geschnitzt. Er positioniert sich gegen die „Mischung aus Moralisierung, politischer Korrektheit und Sprachüberwachung“, hetzt gegen türkischstämmige Bürger, die „es für wichtiger halten, die Religionsgebote zu befolgen als die Gesetze des Staates“ und will „Integrationsverweigerung“ mit „Aufenthaltsentzug“ bestrafen. Sein Buch „Der politische Islam gehört nicht zu Deutschland“ stößt in dasselbe Horn. Darin kritisiert der er, dass „bestimmte Lebensweisen und Regeln nach Deutschland importiert und in Deutschland gelebt werden, die unserer freiheitlichen Rechtsordnung fundamental widersprechen“
Auch in wirtschaftlichen Fragen, einem Kernanliegen von Friedrich Merz, ist Linnemann ein Hardliner. Der neue Generalsekretär war lange Zeit Vorstand der Mittelstands- und Wirtschaftsunion (MIT), dem größten Wirtschaftsverband Deutschlands. „Für die Arbeitslosen, die eigentlich arbeiten könnten“, will er eine Jobpflicht einführen. Wer dieser nicht nachkommt, soll die Bezüge um 30 Prozent gekürzt bekommen. Er bezeichnete die Rente mit 63 als „größten Fehler der Koalition“, obwohl er diese Entscheidung selbst mitgetragen hatte. Sein Lösungsvorschlag – die „Aktivrente“ – sieht vor, dass berentete Menschen einfach weiter arbeiten, dann allerdings steuerfrei. „Wir haben außergewöhnliche Zeiten. Jetzt brauchen wir außergewöhnliche Instrumente“, so Linnemann.
Merz ist sich sicher - die Grünen sind trotz der erstarkenden AfD politischer Hauptgegner der CDU
Er passt also ideal zu dem Vorhaben von Friedrich Merz, die Abwanderung der CDU-Wählerschaft zur AfD durch einen Rechtsruck zu unterbinden. Zwar positionierte sich Merz immer wieder öffentlich gegen die selbsternannte Alternative für Deutschland und drohte denjenigen Parteigenossen, die mit einer Zusammenarbeit der beiden Parteien liebäugeln, mit einem Parteiausschlussverfahren. Gleichzeitig sieht er die Grünen jedoch als politischen Hauptgegner an. Diese betrieben, so Merz, eine „bevormundende, moralisierende Außenpolitik“ und seinen dafür verantwortlich, „dass diese Polarisierung um die Energiepolitik, um die Umweltpolitik in dieser Weise entstanden ist“.
Daher sei es zentral, dass die Union „einen kraftvollen, eigenständigen Gegenentwurf zur Ampel und vor allem zu ihrer Meinungsführerin, den Grünen“ verkörpere. Damit die Union im politischen System nicht überflüssig werde, dürfe es keine „vorauseilende Selbstanpassung an die Grünen“ in der Hoffnung auf eine spätere Koalition geben. „In der CDU brennt die Hütte und Merz setzt alles auf eine Karte. Trauriger Abschied der CDU aus der ‚Mitte‘ der Gesellschaft“, teilte Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch dazu auf Twitter. Es bleibt abzuwarten, ob Merz mit seinem Vorgehen die Unzufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger mit der Ampel-Koalition für ein Erstarken der CDU zu nutzen vermag. (Tadhg Nagel)
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