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Merz muss jetzt „das ganz große Rad drehen“: So hart ist das Klimaziel im Schuldenpaket
VonStephanie Eva Fritzsche
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Der alte Bundestag hat sich mit dem Schuldenpaket auch der Klimaneutralität bis 2045 verpflichten. Ist das machbar und wie?
Berlin – Die Grünen haben für ihre Zustimmung zum roten-schwarzen Schuldenpaket einiges herausgehandelt. Unter anderem Investitionen von 100 Milliarden Euro aus dem Infrastruktursondervermögen – für Klimaneutralität schon im Jahr 2045. Am Dienstag konnten SPD und Union dank den Stimmen der Grünen das Finanzpaket durch den Bundestag bringen.
Wo und wie das Geld für den Klimaschutz eingesetzt werden soll, ist noch unklar. Strom, Heizung und E-Mobilität sind die größten Baustellen. Erste Forderungen gibt es aus der Automobilindustrie und der Immobilienwirtschaft.
Sondervermögen, Milliarden für Klimaschutz – und nun?
Klimaneutralität bedeutet, dass nicht mehr Treibhausgase ausgestoßen als auch wieder gebunden werden können. In der Realität ist Deutschland davon noch weit entfernt. „Derzeit ist keines der Länder schnell genug, dass es Klimaneutralität bis 2050 erreichen könnte“, sagt Christof Schiller, Experte für nachhaltige Politikgestaltung der Bertelsmann-Stiftung.
Die CDU geht mit dem Versprechen einer Steuerreform in den Bundestagswahlkampf. Auch sie verspricht niedrigere Energiepreise. Zu ihrer Winterklausur kommen die Mitglieder des Bundesvorstandes der Partei in Hamburg zusammen.
Die hat die Fortschritte in diesem Bereich aller EU- und OECD-Staaten verglichen. Die EU-Länder hatten sich 2050 als Ziel für Klimaneutralität gesetzt, Deutschland will nun also noch schneller sein. In der Studie landet Deutschland mit seinen Fortschritten zwar auf dem siebten Platz. Vorreiter sind aber die skandinavischen Staaten.
„Wenn man sogar bis 2045 klimaneutral werden möchte, muss man das ganz große Rad drehen. Es ist eine gewaltige gesamtgesellschaftliche Kraftanstrengung notwendig“, betont Schiller. Die müsse alle gesellschaftlichen Bereiche betreffen, von Wirtschaftspolitik über Innovationen bis hin zu Sozialpolitik und demokratischen Beteiligungsprozessen. Es sei aber wichtig, sich ambitionierte Ziele zu setzen. „Klimaneutralität ist keine rein grüne Politik, sondern eine Frage der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit. Daran kommt keine Regierung vorbei“, so seine Einschätzung.
Merz‘ neue Koalition muss das Klima schützen: Skandinavien könnte Vorbild sein
„Was die skandinavischen Länder so erfolgreich macht, ist, dass sie zuerst dafür sorgen, dass sich eine Technologie verbreitet und attraktiv wird, so dass der Markt die Nachfrage regelt. Erst dann wird ein Datum verkündet, wann fossile Brennstoffe nicht mehr verwendet werden dürfen“, erläutert Schiller.
In Deutschland lief das mit dem Heizungsgesetz der Ampel genau andersrum - mit desaströsen Folgen für die Akzeptanz in der Bevölkerung. Dänemark habe beispielsweise Abo-Möglichkeiten für Wärmepumpen geschaffen. Verbraucher konnten Pumpen leihen, Wartung inklusive, und mit der Zeit abschreiben. Auch im Bereich Verkehr ist Skandinavien Deutschland voraus: „Die Norweger haben sich Gedanken um E-Mobilität gemacht, die Infrastruktur mit Ladestationen und Parkplätzen in Innenstädten ausgebaut, um den Umstieg attraktiver zu machen“, so Schiller.
Bundestag beschließt auch Klima-Gelder: Autoindustrie will Ausbau der Ladeinfrastruktur
Das fordert die Automobilindustrie auch für Deutschland. „Entscheidend für den Erfolg ist: Wenn Ziele politisch gesetzt werden, braucht es neben den Anstrengungen der Wirtschaft auch flankierende politische Rahmenbedingungen, die die tatsächliche Realisierung der Ziele ermöglichen“, sagt die Präsidentin des Verbandes Deutscher Automobilhersteller (VDA) Hildegard Müller der Frankfurter Rundschau.
„Bei diesen Rahmenbedingungen ist der Nachholbedarf – sowohl in Berlin als auch in Brüssel – enorm: insbesondere mit Blick auf den Auf- und Ausbau der Ladeinfrastruktur und der entsprechenden Netze, die Versorgung mit günstiger Energie oder auch den Zugang zu Rohstoffen.“
Standortattraktivität und Wettbewerbsfähigkeit müssten Top-Prioritäten in Deutschland und in der EU sein. „Wichtig ist, dass man nun auch darauf achtet, wie wir aus dem Klimaschutz ein wirtschaftliches Erfolgsmodell machen. Denn nur wenn die Transformation ein Erfolg für die Wirtschaft, die Menschen und das Klima ist, wird unser Modell in anderen Weltregionen kopiert. Und nur dann kommen wir voran – sowohl national, weil hier neue Jobs und Wohlstand entstehen, als auch international, weil man unserem Beispiel folgt“, so Müller weiter. Die Automobilindustrie selbst will in den kommenden vier Jahren 320 Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung für klimaneutrale Mobilität investieren.
Sondervermögen-Milliarden effizient nutzen – Auch Immobilienwirtschaft hat Wünsche an Merz
Die Immobilienwirtschaft zeigte sich optimistisch angesichts der Milliardeninvestition. „Die Grundgesetzänderung und das Sondervermögen bringen zusätzliche Milliarden für den Klima- und Transformationsfonds (KTF), und die können den Gebäudebereich bei der Transformation Richtung Klimaneutralität unterstützen und sogar mehr Tempo in diesen so wichtigen Prozess bringen“, sagte die Hauptgeschäftsführerin des Zentralen Immobilien Ausschusses (ZIA) Aygül Özkan unserer Redaktion.
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Gleichzeitig fordert sie die künftigen Koalitionäre auf, sich mit den geplanten Investitionen auf Maßnahmen mit dem besten Nutzen-Kosten-Verhältnis zu konzentrieren. „Über den KTF sollte die Sanierung bestehender Gebäude mit der Bundesförderung Effiziente Gebäude gepusht werden, denn das kann uns spürbar voranbringen“, sagte sie. „Auch Investitionen in die Energieinfrastruktur – Stromnetzausbau, Fernwärme – sind für die Immobilienbranche jetzt sehr wichtig.“
Merz‘ Sondervermögen lässt Fragen offen: Wie werden die Klima-Milliarden genutzt?
Wo und wie die Milliarden nun eingesetzt werden, bleibt der neuen schwarz-roten Koalition überlassen. Der Vorsitzende des Atomuntersuchungsausschusses im Bundestag Stefan Heck (CDU) hatte bereits gefordert, die Klimamilliarden könnten unter anderem zur Reaktivierung stillgelegter Atommeiler genutzt werden. Das dürfte den Grünen weniger gefallen.
Die zwei Ex-Verfassungsrichter Jürgen Papier und Udo di Fabio sehen die Klimaneutralität übrigens mit der Reform übrigens nicht als Staatsziel in die Verfassung geschrieben. Der neue Passus im Grundgesetz sei lediglich als Zweckbindung für die betreffenden 100 Milliarden aus dem Sondervermögen zu sehen. Ohnehin hatte das Bundesverfassungsgericht die Bedeutung der Klimaneutralität schon 2021 herausgestellt. Die Karlsruher Richter hatten klargestellt, dass der Gesetzgeber künftige Generationen nicht übermäßig belasten darf.