Olaf Scholz nach einer MPK mit den Regierungschefs von Niedersachsen, Stephan Weil (li.), und NRW, Hendrik Wüst (re.).
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Olaf Scholz nach einer MPK mit den Regierungschefs von Niedersachsen, Stephan Weil (li.), und NRW, Hendrik Wüst (re.).

„Phantomdebatte“ um Sachleistungen?

Vorlage zur MPK in Hessen liefert Zündstoff: Länder fordern Arbeitspflicht für Asylsuchende

  • Florian Naumann
    VonFlorian Naumann
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Nach den Wahlen rufen fast alle Parteien nach Änderungen bei Migration und Asyl - die Länder bringen eine „Arbeitspflicht“ zum Gipfel mit.

Wiesbaden/München - Kurz nach Wahlen in Hessen und Bayern gibt es eine Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) - wohl mit nachgeschaltetem Kanzler-Gipfel. Die Runde, die in Pandemie-Zeiten als „Corona-Gipfel“ größte Bekanntheit erlangte, wird diesmal wohl vor allem über das Thema Migration beraten. Eine Beschlussvorlage ist bereits bekannt geworden. Darin fordern Bundesländer eine Arbeitspflicht für Asylsuchende und Sach- statt Geldleistungen - aber auch mehr Geld für die Kommunen für die Aufnahme der ankommenden Menschen.

Letzteres ist nicht nur im Länderkreis weitgehend unstrittig, Problem ist eher das Budget des Bundes. Beim Thema Sachleistungen gehen die Meinungen schon eher auseinander: Aus der auch mit der Betreuung Geflüchteter befassten Caritas war auch schon von einer „Phantomdebatte“ die Rede.

Dabei wäre nach den beiden Wahlen womöglich die Gelegenheit, das Thema sachlicher anzugehen. Man müsse „jetzt das Möglichkeitsfenster nutzen, dass Bund und Länder gemeinsam ein paar große Brocken aus dem Weg räumen“, erklärte die saarländische Ministerpräsidentin Anke Rehlinger (SPD) vor dem Treffen. Ein Migrationsforscher warnte bei FR.de von Ippen.Media am Mittwoch (11. Oktober), eine populistisch geführte Debatte könne die Krise verstärken - durch enttäuschte Erwartungen bei den Bürgerinnen und Bürgern.

Asyl in Deutschland: Länder offenbar für „Pflicht zur Arbeitsaufnahme“

Mit einer möglichen Arbeitspflicht steht aber ein kontroverses Thema recht weit oben auf der Agenda. „Die bestehenden Regelungen müssen so verändert werden, dass eine Pflicht zur Arbeitsaufnahme gilt, sobald arbeitsfähige Geflüchtete aus der Erstaufnahmeeinrichtung an die Kommunen zugewiesen werden“, heißt es in der Beschlussvorlage, aus der die Augsburger Allgemeine zitierte. Mit einer zügigeren Arbeitsaufnahme solle die Integration verbessert werden. Das Papier ist unter niedersächsischer Federführung entstanden - und wird offenbar auch von den SPD-Ländern mitgetragen.

„Mit Blick auf den stetig zunehmenden Arbeitskräftemangel ist es nicht länger hinnehmbar, dass viele Geflüchtete nicht in Arbeit und Beschäftigung gebracht werden können“, zitierte die Zeitung aus dem Papier. Für die Kommunen sollte die Möglichkeit der Heranziehung für gemeinnützige Arbeiten geschaffen werden, fordern die Länder. Allerdings gibt es in der Bundespolitik Zweifel an solchen Plänen: Die FDP etwa befürchtet Konkurrenz für private Dienstleister. Städte- und Gemeindebund-Chef Gerd Landsberg warnte zuletzt beim Portal kommunal.de, eine Arbeitspflicht sei aktuell gar nicht umsetzbar: „Personen im Asylverfahren dürfen nicht arbeiten. Damit will man so genannte Pull Effekte vermeiden.“

Offenbar nicht Teil der Vorlage sind Gedanken an Änderungen beim Grundrecht auf Asyl - über solche hatte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zuletzt laut nachgedacht.

Migration und Asyl Thema bei MPK: Caritas sieht „Phantomdebatte“ um Sachleistungen

Durchaus auf dem Wunschzettel der Länder - oder jedenfalls in der Beschlussvorlage - dafür: bessere Möglichkeiten zur Umstellung der Leistungen für Asylsuchende auf Sachleistungen und bargeldlose Zuwendungen. „Die in Erprobung befindlichen Systeme zur Einführung von Bezahlkarten sollen schnellstmöglich evaluiert und hinsichtlich einer bundesweit einheitlichen, auch Verwaltungsaufwand sparenden Umsetzung geprüft werden“, fordern die Länderchefs. Dies könne auch „einen Beitrag zur Reduzierung von Fehlanreizen für irreguläre Migration leisten“, hieß es. Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) schlug im Tagesspiegel eine bundeseinheitliche Geldkarte statt Barzahlungen vor.

Die Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes, Eva-Maria Welskop-Deffaa, sieht die Lage anders: „Es werden Phantomdebatten, etwa über Sachleistungen für Geflüchtete, geführt“, sagte sie der Neuen Osnabrücker Zeitung. „Nach unserer Erfahrung führen Sachleistungen aber zu einem höheren Personalaufwand und mehr Bürokratie“, erklärte die studierte Volkswirtin. „Dass weniger Flüchtlinge kommen, wenn sie bei uns Sach- statt Geldleistungen zur Existenzsicherung erhalten, ist nicht zu erwarten“, fügte sie hinzu. 

AfD-Ergebnisse schrecken Politik auf: „Neustart in der Migrationspolitik“ - mit vielen Fragezeichen

Die Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein, Hendrik Wüst (CDU) und Daniel Günther (CDU), forderten zugleich eine stärkere Beteiligung des Bundes an den Kosten der Aufnahme. „Auch bei der Finanzierung der Flüchtlingskosten steht der Bund in der Verantwortung“, sagte Wüst dem Handelsblatt. Die „vom Bundesfinanzministerium angekündigte Reduktion der Beteiligung des Bundes an den Flüchtlingskosten“ sei angesichts der jetzigen Lage „inakzeptabel“.

Wüst forderte auch „klare Maßnahmen gegen irreguläre Zuwanderung, die schnell und wirksam für Entlastung sorgen“. Ähnlich äußerte sich Günther. Er sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Wir brauchen stärkere Elemente der Steuerung und Begrenzung.“ Wie die aussehen sollen, ist in der aktuellen Debatte aber weitgehend unklar. Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebunds, Gerd Landsberg, forderte nach den Landtagswahlen mit dem starken Abschneiden der AfD einen „Neustart in der Migrationspolitik“. Nötig seien „mehr Ordnung, mehr Begrenzung, eine gerechte Verteilung in Europa und endlich eine ausreichende Finanzierung der umfänglichen Aufgaben der Kommunen“.

Die Ministerpräsidentenkonferenz findet am Donnerstag und Freitag (12./13. Oktober) in Frankfurt am Main statt. Dabei soll es auch um das Deutschlandticket gehen. „Es wäre auch fahrlässig, den großen Erfolg des Deutschlandtickets zu gefährden, weil der Bundesverkehrsminister entscheidende Fragen einfach aussitzt“, mahnte Rehlinger. (fn mit Material von AFP und dpa)