Forderung nach „Igitt-Faktor“

FDP warnt nach Geheimtreffen vor „politischen Zombies“ – ist aber gegen AfD-Verbot

  • Stephanie Munk
    VonStephanie Munk
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Nach einem Geheimtreffen mit Rechtsextremen werden Rufe nach einem AfD-Verbot lauter. Die FDP ist dagegen – und fordert stattdessen einen „Igitt-Faktor“.

Berlin – Dass die AfD nach einem möglichen Wahlerfolg offenbar die massenhafte Vertreibung „nicht assimilierter Staatsbürger“ erwägt, stößt auf Entsetzen – und wirft die Frage auf: Muss eine Partei mit solchen Visionen verboten werden? Doch es gibt Bedenken. Die FDP sprach sich nun klipp und klar gegen ein mögliches Verbotsverfahren gegen die AfD aus.

„Wir sind dagegen“, erklärte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai am Montag (15. Januar) nach einer Sitzung des FDP-Präsidiums. Denn: Die AfD wäre seiner Ansicht nach die einzige, die von einem Verbotsverfahren profitieren würden. „Und das wollen wir nicht.“

Strack-Zimmermann warnt vor Verbot: AfD werde sich als Opfer darstellen

FDP-Verteidigungsexpertin Marie Agnes Strack-Zimmermann warnte nach der Sitzung gar vor dem Versuch, die in Teilen als rechtsextrem eingestufte Partei zu verbieten. Die AfD werde dies zum Anlass nehmen, sich als Opfer zu stilisieren und zu behaupten, dass die politische Konkurrenz sie ausschalten wolle. „Wir schalten keinen aus. Wir nehmen den Fehdehandschuh auf und werden sie politisch stellen“, sagte Strack-Zimmermann.

„Da mutieren Bürgerliche geradezu zu politischen Zombie“, sagte FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann (l.) nach einem Geheimtreffen von Rechtsextremen. Auch der persönliche Referent von AfD-Chefin Alice Weidel soll teilgenommen haben.

Nach Recherchen zu Geheimtreffen werden Rufe nach AfD-Verbot lauter

Neu entflammt ist die Debatte um ein Verbotsverfahren, nachdem das Medienhaus Correctiv Recherchen zu dem Geheimtreffen veröffentlichte: Unter anderem AfD-Funktionäre sollen sich mit dem bekannten Rechtsextremen Martin Sellner in einer Potsdamer Villa getroffen haben.

Sellner bestätigte der Deutschen Presse-Agentur (dpa), dass er bei dem Treffen über „Remigration“ sprach. Rechtsextremisten verstehen darunter in der Regel, dass eine große Zahl von Menschen ausländischer Herkunft das Land verlassen soll – auch unter Zwang. An dem Treffen nahmen den Recherchen zufolge unter anderem der persönliche Referent von Parteichefin Alice Weidel, Roland Hartwig, und der AfD-Fraktionsvorsitzende in Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund, teil. Auch ein CDU-Mitglied soll dabei gewesen sein – ihm droht nun der Parteiausschluss.

Strack-Zimmermann über AfD und Geheimtreffen: „An Widerwärtigkeit nicht zu überbieten“

Obwohl Strack-Zimmermann derzeit nicht für einen AfD-Verbotsantrag ist, sieht nach den Enthüllungen gemäß der deutschen Verfassung über der Partei das „Verbotsschwert“ schweben. Die jüngsten Erkenntnisse über das Geheimtreffen in Potsdam seien an „Widerwärtigkeit nicht zu überbieten“, sagte die Europawahl-Spitzenkandidatin der FDP. „Da mutieren Bürgerliche geradezu zu politischen Zombies.“

Auch FDP-Generalsekretär Djir-Saraj erklärte, es sei ein großer Fehler zu glauben, dass die AfD eine normale Partei mit einem normalen Programm sei. „Das ist definitiv nicht der Fall. Das sind Menschen, die wollen unserem Land schaden“, sagte Djir-Sarai. Im bürgerlichen Lager müsse wieder ein „Igitt-Faktor bei der AfD“ erkennbar sein.

Der FDP-Politiker plädierte aber dafür, sich statt auf ein AfD-Verbot auf die Lösung politischer Probleme zu fokussieren. „Selbstverständlich müssen wir auch in diesem Jahr das große Thema Migration anpacken.“ Es gebe schon „richtige Akzente“, man müsse aber noch „deutlich besser werden“ und „Erfolge erzielen.“ Andere fordern dagegen ein Verbot der AfD, beispielsweise der frühere Ostbeauftragte und CDU-Politiker Marco Wanderwitz.

Richter und Anwälte verurteilen Pläne zur „Remigration“ – „Mehr als schauerliche Vision“

Scharf verurteilt haben die rechtsextremen Pläne zu Massenvertreibungen aus Deutschland derweil führende juristische Verbände. Die Inhalte des Treffens in Potsdam seien „mehr als nur eine schauerliche Vision“, erklärten der Deutsche Richterbund, der Deutsche Anwaltverein und vier weitere Organisationen in einer gemeinsamen Erklärung am Montag. „Es ist ein Angriff auf die Verfassung und den liberalen Rechtsstaat.“

Auch der Präsident des bayerischen Verfassungsschutzes. Burkhard Körner, schätzt die AfD klar als eine Gefahr für die Demokratie ein, wie er in einem Interview mit dem Spiegel sagte. Dennoch warnt auch er vor einem Verbotsantrag. „Die Hürden für ein Verbot sind sehr, sehr hoch“, so Körner. Die AfD würde sich zudem als Opfer hinstellen und womöglich bei den anstehenden Wahlen in Ostdeutschland noch mehr profitieren, glaubt er.

In Bayern hat der formal aufgelöste „Flügel“ der AfD den Landesverband spätestens seit dem Parteitag am Wochenende vollends im Griff: Der letzte halbwegs Gemäßigte innerhalb der Parteispitze, Gerd Mannes, wurde aus dem Amt gekegelt. (smu)

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