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Nazi-Parolen auf Sylt mit „L‘Amour Toujours“: Hessischer Musikverlag wehrt sich – Steinmeier beunruhigt

  • Florian Dörr
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  • Niklas Hecht
    Niklas Hecht
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Der Popsong „L‘Amour Toujours“ wird seit Monaten für rassistische Hetze missbraucht. Nun sorgen weitere Fälle für Schlagzeilen. Ein hessischer Musikverlag geht dagegen vor.

+++ 17.45 Uhr: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat sich mit Blick auf die rassistischen Gesänge junger Partygäste auf Sylt besorgt über „die Verrohung der politischen Umgangsformen“ in Deutschland gezeigt. „Die jüngsten Ereignisse, die wir gerade in einem Video aus einer Bar auf der Insel Sylt gesehen und gehört haben, verstärken diese Beunruhigung“, sagte Steinmeier am Samstag beim Demokratiefest in der alten Bundeshauptstadt Bonn. Dies berichtete die Deutsche Presseagentur am Nachmittag.

„Sie verstärken sie, weil es offensichtlich nicht nur die Randständigen, Abgehängten sind, die sich radikalisieren, sondern das ist eine Radikalisierung, die mindestens in Teilen in der Mitte der Gesellschaft auch stattfindet.“ Umso mehr komme es auf die große Mehrheit der Demokratinnen und Demokraten in Deutschland an, die Demokratie zu bewahren, Umgangsformen zu bewahren, in denen sich Demokratie entwickeln könne. 

Update vom Samstag, 25. Mai, 12.16 Uhr: Nach dem Video aus Sylt ist ein weiterer Clip aufgetaucht, der Menschen beim Grölen rassistischer Parolen zur Melodie des Popsongs „L‘Amour Toujours“ zeigt. Am Freitagabend kursierte eine Aufnahme von einem Schützenfest an Pfingsten im Landkreis Cloppenburg.

Der Schützenverein aus einem Ortsteil von Löningen distanzierte sich bereits vom Inhalt. Auch in diesem Fall ermittelt nun der Staatsschutz.

Video aus Sylter Nachtclub „Pony“ sorgt für Eklat

Update vom Freitag, 24. Mai, 11.02 Uhr: Erneut ist der Popsong „L‘Amour Toujours“ in einem Kontext in den Medien, in dem die Rechteinhaber aus Hessen ihn sicherlich nicht sehen möchten. Der Musikverlag ZYX aus Merenberg (Limburg-Weilburg) war schon vor Monaten gegen den Missbrauch vorgegangen, als Videos in Sozialen Medien zeigten, wie Menschen auf die 2000er-Hit von Gigi D‘Agostino die rechtsradikale Parole „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ gröhlten.

So auch nun wieder: Ein entsprechendes Video aus Sylt sorgt derzeit für Schlagzeilen. Mindestens eine junge Frau und mehrere Männer rufen im Takt von “L’Amour Toujours” rechtsradikale Parolen. Aufgenommen wurde es offenbar im Nachtclub „Pony“ im Kampen. Auf Instagram hat sich der Club bereits distanziert: „Hätten wir von diesem Vorfall gewusst, hätten wir die betreffenden Gäste selbstverständlich des Hauses verwiesen. Es gibt keinen Platz für Rassismus“, heißt es dort.

Hitlergruß und Nazi-Parolen: Die Pony-Bar auf Sylt diente an Pfingsten als Party-Location für Rechtes Gesindel.

Mittlerweile zieht der Vorfall immer weitere Kreise: Eine Influencerin kündigte einer Angestellten aufgrund des Videos das Anstellungsverhältnis, eine Hochschule prüft die Beteiligung eines Studierenden an der gefilmten Sequenz. Auch Bundeskanzler Olaf Scholz äußerte sich.

Hessischer Musikverlag von „L‘Amour Toujours“ stellt Strafanzeige wegen Nazi-Parolen

Erstmeldung vom Samstag, 16. März, 14.22 Uhr: Seit einiger Zeit wird der eigentlich harmlose Popsong  „L‘Amour Toujours“ für rassistische Hetze missbraucht. Videos in den Sozialen Netzwerken zeigen, wie Menschen auf Partys auf den 2000er-Hit von Gigi D‘Agostino die rechtsradikale Parole „Deutschland den Deutschen, Ausländer raus“ brüllen. Der Musikverlag ZYX aus Merenberg (Kreis Limburg-Weilburg), bei dem die Rechte des Songs liegen, will den Missbrauch nun nicht mehr länger hinnehmen und erstattete Anzeige gegen Unbekannt bei der Staatsanwaltschaft Limburg, wie die Hessenschau unter Berufung auf die Behörde am Freitag (15. März) berichtete. Die Anzeige werde demnach jetzt zunächst von der Staatsanwaltschaft geprüft.

Fälle von Volksverhetzung in Hessen wegen TikTok-„Trends“

Die sozialen Medien, darunter vor allem TikTok, entwickeln sich in den vergangenen Monaten immer mehr zu einem Einfallstor für rechtes Gedankengut. Auf der chinesischen Plattform ist nicht nur die AfD und ihre Bundessprecherin Alice Weidel besonders stark vertreten, über sogenannte „Challenges“ kommen hier vor allem junge Menschen in Kontakt mit rassistischen Inhalten. Die Fälle, in denen wegen Volksverhetzung ermittelt wird, nahmen zuletzt auch in Hessen zu.

Der Popsong „L‘Amour Toujours“ wird seit Monaten für rassistische Hetze missbraucht. Der hessische Musikverlag, bei dem die Rechte liegen, geht dagegen vor.

So untersucht der Staatsschutz derzeit einen Vorfall an einer Schule im Lahn-Dill-Kreis, bei dem zwei 16-jährige Schüler mutmaßlich wegen eines TikTok-Trends im Februar „fremdenfeindliche“ Äußerungen getätigt haben sollen. „Gerade rechtsextremistische Gruppierungen nutzen die sozialen Medien, um ihre rassistischen oder fremdenfeindlichen Ideologien mit hoher Reichweite unter jungen Menschen zu verbreiten. Hierbei nutzen sie gezielt Trends, die gerade bei Kindern oder Jugendlichen ‚in‘ sind“, erklärte damals das hessische Landeskriminalamt. Ein anderes Video zeigte Ende November 2023 eine feiernde Menge im osthessischen Kalbach (Fulda), die „Ausländer raus“-Rufe grölte.

Bildungsstätte Anne Frank warnt vor Hass und Propaganda

Viele Jugendliche seien sich der Tragweite solcher Aktionen nicht bewusst, teilte das LKA Hessen zuletzt in Bezug auf die rechten „Trends“ mit. Unbedarftheit und das Bedürfnis, einer Gruppe anzugehören, führten dazu, dass Jugendliche unüberlegt handelten. Auch die Bildungsstätte Anne Frank mit Sitz in Frankfurt warnte vor Kurzem vor der Falschinformation und Propaganda auf TikTok, vor allem in Bezug auf den Krieg in Gaza. „Kein anderes soziales Medium versorgt eine so vulnerable Zielgruppe mit derart verstörendem Content – weitgehend ohne Aufsicht“, so die Bildungsstätte und kritisierte die chinesische Plattform scharf, wegen der Verbreitung von Israelhass.

Und die tägliche Dröhnung mit Verschwörungstheorien und Rassismus zeigt Wirkung. Man könne in der Gesellschaft eine Trendumkehr feststellen, erklärte zuletzt Tina Dürr vom Demokratiezentrum Hessen in Marburg. Rechtsextreme Einstellungen würden generell zunehmen und seien seit neustem insbesondere bei Jugendlichen zu beobachten. In der Vergangenheit war dagegen eher die ältere Generation solchen extremistischen Ansichten zugeneigt. (nhe)

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