Ab 1. April
Dealer zu Cannabis-Legalisierung: „Hobbygärtner sind das Problem“
VonFelicitas Breschendorfschließen
Das neue Cannabis-Gesetz soll den Schwarzmarkt austrocknen. Kann das gelingen? Wir fragen einen, der damit sein Geld verdient.
Alex* sieht nicht aus, wie Dealer in Filmen aussehen. Wenn er grinst, hat sein Gesicht fast etwas Kindliches. Er ist ein gewöhnlicher „blasser Junge“, wie er selbst sagt. Seit zehn Jahren verdient der 29-Jährige sein Geld mit dem Verkauf von Gras. Mit der Cannabis-Legalisierung, die am 1. April startet, könnte sich sein Leben grundlegend ändern. Unsere Autorin hat mit ihm gesprochen – einen Tag vor der alles entscheidenden Bundesratssitzung, die tausende Menschen live verfolgten.
Dies ist ein Artikel von BuzzFeed News Deutschland. Wir sind ein Teil des IPPEN.MEDIA-Netzwerkes. Hier gibt es alle Beiträge von BuzzFeed News Deutschand.
Cannabis-Legalisierung: Dealer glaubt, dass ältere Kiffer weiter bei ihm kaufen
„Existenzängste habe ich keine“, sagt Alex BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA. Sein Optimismus hat mit seinen Stammkunden zu tun, durch die er sich hauptsächlich finanziert. Das sind nicht nur junge Menschen, wie es in den Medien oft den Anschein hat. Stattdessen seien seine Kunden zwischen 23 und 60 Jahre alt, der älteste sogar 72 gewesen. Minderjährige sind für ihn ein No-go. Ein Großteil der Kiffer kaufe seit mehreren Jahren bei ihm ein.
Gerade die älteren Kunden wird er durch die Cannabis-Legalisierung nicht verlieren, glaubt er. „Die kriegen das gar nicht richtig mit.“ Einfach in den nächsten Supermarkt gehen und sich Gras kaufen – so wird die Realität nicht aussehen. Um Gras zu kaufen, müssen Erwachsene Mitglied in einer sogenannten Anbauvereinigung, auch Cannabis-Club genannt, werden. Dort sind sie verpflichtet, aktiv beim Anbau oder damit verbundenen Tätigkeiten mitzuwirken. Für die ältere Generation könnte eine Mitgliedschaft zu kompliziert sein, denkt Alex.
Ist Gras beim Dealer günstiger, als in Cannabis-Clubs?
Sein größtes Argument: „Warum sollen die Leute den Aufwand für einen höheren Preis in Kauf nehmen?“ Der Dealer geht davon aus, dass ein Gramm Cannabis in den Clubs zwölf bis 13 Euro kosten werde, wie das in vielen Coffee-Shops in den Niederlanden der Fall ist. Er selbst verlangt dagegen zwischen sechs und acht Euro.
Mit dieser Annahme könnte Alex falsch liegen: Der Cannabis-Club-Berlin beispielsweise rechnet derzeit einem durchschnittlichen Preis von vier bis acht Euro pro Gramm Cannabis. Hinzukommt bei allen Clubs jedoch ein monatlicher Mitgliedsbeitrag, der Cannabis-Club-Berlin plant zehn Euro.
Sorge machen ihm aber weniger die Cannabis-Clubs, obwohl sie täglich neue Mitglieder zählen. „Die Hobbygärtner sind das Problem“, sagt Alex. Bis zu drei Cannabispflanzen können Erwachsene künftig privat anbauen.
So viel Verlust könnten Dealer durch die Cannabis-Legalisierung machen
Mit dem Dealen verdient Alex aktuell zwischen 500 und 2000 Euro monatlich, wie er selbst angibt. „Es gibt Monate, in denen es gut läuft oder schlecht.“ Das habe unter anderem damit zu tun, dass er den Stoff nicht immer zuverlässig loswerde, je nachdem, wie gut die Qualität sei. (Die Legalisierung könnte die Verbreitung von gestreckten Gras einschränken, was auch für Dealer ein Vorteil sein könnte.)
Seine Einnahmen könnten in ein paar Monaten um die Hälfte einbrechen, vermutet Alex. Geht es nach Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) könnten sie ihm auch ganz wegfallen. Den Schwarzmarkt eindämmen und Menschen wie Alex arbeitslos zu machen, war eines der großen Ziele des Cannabis-Gesetzes. Nach Angaben des Bundeskriminalamts gibt es in Deutschland schätzungsweise 28.905 Cannabis-Dealer. Wie der Hanfverband BuzzFeed News Deutschland mitteilt, könnte die Dunkelziffer aber sehr hoch sein.
„Ich sehe die Legalisierung als Chance, um auszusteigen“
Nebenbei arbeitet Alex stundenweise im sozialen Bereich. Er hat eine abgeschlossene Ausbildung. Sollten seine Gewinne aus dem Cannabis-Geschäft massiv zurückgehen, kann er sich vorstellen, Vollzeit zu arbeiten. „Ich sehe die Legalisierung als Chance, um auszusteigen und im normalen Leben mehr Fuß zu fassen.“
Nicht auf den Verkauf von härteren Drogen umsteigen? „Nein, tatsächlich nicht“, sagt er bestimmt. „Für mich war die Arbeit ein jugendliches Ding und ich will langsam erwachsen werden. Wenn ich irgendwann Frau und Kinder habe, möchte ich das ohnehin nicht mehr machen.“ Dealen hat viele Nachteile, erzählt er: 24 Stunden erreichbar sein, dazu die Angst, erwischt oder ausgeraubt und verprügelt zu werden.
Cannabis-Dealer fühlt sich gegenüber seinen Kunden verantwortlich
Es wird deutlich: Leicht würde es Alex nicht fallen, aufzuhören. Nicht das Geld bereitet ihm Sorgen, sondern das Zwischenmenschliche. In Teilen ähnelt die Arbeit von Kleinstdealern der von Einzelhändlern. Egal ob man Gemüse auf dem Markt verkauft oder Gras im Park: Mit der Zeit baut man Bindungen zu seinen Kunden auf. Alex spricht von langjährigen Beziehungen, teilweise Freundschaften.
„Darunter sind Leute, die kaum soziale Kontakte haben, bei denen ich alle zwei Wochen vorbeifahre. Im Endeffekt mache ich Beziehungsarbeit.“ Er fühlt er sich verantwortlich für seine Kunden. „Ich habe das Gefühl, dass ich ihnen eine Rechenschaft schuldig bin, wenn ich aussteige. Denn sie verlassen sich seit Jahren auf mich.“
Im Endeffekt mache ich Beziehungsarbeit.
Wenn die Legalisierung im April kommt und weniger Menschen auf ihn angewiesen sind, könnte das für ihn eine Befreiung sein. Kurzfristig könnte er eher mehr Zulauf bekommen von allen, die ab dem 1. April legal kiffen wollen. Denn Cannabis-Clubs starten mit dem Verkauf voraussichtlich erst mehrere Monate später. Für Alex selbst sind eine Mitgliedschaft oder Eigenbau übrigens keine Option – er kifft nicht.
*Name wurde von der Redaktion geändert
Rubriklistenbild: © Daniel Scharinger/imago
