LinkedIn-Debatte
„Hat mich ins Herz getroffen“: Chef-E-Mail über Bewerberin löst Wut aus
VonJana Stäbenerschließen
Ein Geschäftsführer äußert „keine Lust auf jemanden, der plötzlich schwanger wird“ und kommuniziert dies auch ganz offen. Seine Nachricht wird auf Linkedin öffentlich gemacht.
„Es ist traurig, was unsere Gesellschaft heute noch erleben muss“, sagt Rebeca Grötzschel aus dem Wienerwald in Österreich. Sie ist seit 25 Jahren internationale Recruiterin, sucht Bewerber und Bewerberinnen, die für bestimmte Stellen gut passen würden und präsentiert sie den entsprechenden Unternehmen.
Dabei sieht sie immer wieder, wie diese Bewerberinnen diskriminieren. Aber als ihr am 27. August 2024 ein Geschäftsführer eine E-Mail schreibt, da wird es ihr zu viel: Sie macht die Diskriminierung einen Tag später auf Linkedin öffentlich. „Ich war emotional total überfordert“, sagt sie BuzzFeed News Deutschland von IPPEN.MEDIA. „Ich bin Mama von zwei 18- und 21-jährigen Töchtern, die E-Mail hat mich direkt ins Herz getroffen.“
Diskriminierende E-Mail: „Will niemanden, der plötzlich schwanger wird“
In der E-Mail schreibt ihr der Geschäftsführer eines international tätigen Unternehmens, er bleibe bei seiner Entscheidung, für eine offene Stelle als Personalleitung „keine Frau in Betracht zu ziehen“. Er fährt fort: „Offen gesagt, ich habe keine Lust jemanden im Team zu haben, der plötzlich schwanger wird und sich dann monatelang verabschiedet. Das Letzte, das ich brauche, ist eine Mitarbeiterin, die ständig für ihre Kinder von der Arbeit verschwindet, sei es wegen Kinderkrankheiten oder Schulveranstaltungen.“
Außerdem wolle er auch keine Mitarbeitenden, die sich um ältere Eltern kümmern müssen (Stichwort Care-Arbeit) und ständig ausfallen, weil „Mama gefallen ist“ oder „Papa ins Krankenhaus muss“. „Ich brauche jemanden, der voll und ganz verfügbar ist – kein Drama, keine Ausreden, keine familiären Verpflichtungen. Ich erwarte von Ihnen als Recruiter, dass Sie diese Vorgaben entsprechend umsetzen“, schreibt er. „Ich hoffe, das ist klar genug.“
Hinweis: Wir konnten die Echtheit der E-Mail nicht vollständig verifizieren, weil Grötzschel uns den Absender aus Angst vor Konsequenzen nicht zeigen möchte.
Recruiterin zeigt „unangenehme Realität“ in der Arbeitswelt
„Ich könnte mir nicht mehr in die Augen schauen, wenn ich solch einer Forderung nachkommen würde“, sagt Grötzschel. Die Zusammenarbeit mit diesem Kunden hat sie sofort beendet. Sie sei zum Glück selbstständig, könne sich ihre Aufträge aussuchen. Das Privileg hätten viele, gerade interne Recruiter nicht. Es ist nicht das erste Mal, dass die Österreicherin die Diskriminierung von Müttern im Job mitansehen muss. „In meinem Beruf erlebe ich oft Menschen, die mehr oder weniger deutlich sagen, dass sie keine Frauen einstellen wollen, weil diese Kinder haben“, sagt sie.
Eine Analyse der Beratungs- und Prüfungsgesellschaft EY bestätigt diese Wahrnehmung. Ihr zufolge gaben 31 Prozent der befragten Männer und 36 Prozent der Frauen an, bereits bei der Arbeit diskriminiert worden zu sein. Bestimmt 30 bis 40 Prozent ihrer Kunden deuten solche „diskriminierenden Kriterien“ immer wieder an, sagt Grötzschel. Sie teilten ihr zum Beispiel durch die Blume mit, dass sie im Recruiting-Gespräch herausfinden solle, ob die Bewerberinnen planten, bald schwanger zu werden. „Ich habe meine Methode gefunden, damit umzugehen und versuche ihnen unterschwellig klarzumachen, dass ich nur Recruiterin und keine Frauenärztin bin.“
Auch Männer gingen heute in Elternzeit, sage sie dann besänftigend. Komischerweise werde sie bei denen nie angestiftet, nach der Kinderplanung zu fragen, sagt sie. Meist gelinge es ihr, auf die unterschwellige Diskriminierung im Gespräch hinzuweisen, manchmal aber auch nicht – so wie bei dem Verfasser der E-Mail. Sie hatte schon eine Woche zuvor ein persönliches Gespräch mit ihm, da habe sie aber schon gemerkt, wie es in ihm „gebrodelt“ habe.
„Wie man sehen kann, hat die Person wohl eine Woche lang darüber nachgedacht und dann ihren Unmut in einer E-Mail ausgedrückt.“ Indem sie diese auf Linkedin teilte, wollte sie „niemanden bloßstellen“, sondern bloß die „unangenehme Realität aufzeigen“, der auch im Jahr 2024 noch viele Menschen in der Arbeitswelt ausgesetzt seien, betont die Recruiterin. Bisher hat Verfasser der E-Mail nicht auf ihren Linkedin-Beitrag reagiert.
Rubriklistenbild: © Rebeca Grötzschel
