Ukraine-Krieg

West-Waffen trotz Sanktionen: Putins Waffenschmuggler befeuert Russlands Kriegswirtschaft

  • Lars-Eric Nievelstein
    VonLars-Eric Nievelstein
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Sanktionen sollen Russlands Waffenproduktion beschränken. Angeblich arbeitet ein Oligarch dagegen an. So gelangt westliche Technik wohl nach Russland.

Moskau – Die westlichen Industriestaaten sanktionieren nicht gezielt genug. Das finden jedenfalls die Experten vom Royal United Services Institute, einer der führenden Denkfabriken in Sachen nationale und internationale Sicherheit. Schon in der Vergangenheit hatten öfters Berichte darüber Aufmerksamkeit erregt, dass der russische Präsident Wladimir Putin westliche Sanktionen geschickt umgeht. Zum Beispiel sollte eine Schattenflotte Russlands Einnahmen aus dem Ölverkauf aufrechterhalten. Russische Diamanten fanden einfach über Indien einen Weg in den Westen, und das trotz Sanktionierung. Diesmal aber geht es um Waffentechnik.

Russlands Kriegswirtschaft trotz Sanktionen: Putins Waffenschmuggler an die Armee

In einem nun veröffentlichten Bericht geben die Experten an, dass nach wie vor massenhaft westliche Waffensysteme über dubiose Mittelsmänner nach Russland gelangen – und teils direkt in die wichtigsten russischen Waffen. Die Schlüsselfigur dabei soll der russische Oligarch Wladimir Petrowitsch Jewtuschenkow sein.

Putins Waffenschmuggler umgeht Sanktionen und beliefert Russlands Militär aus dem Westen

Durch eine „Reihe von Firmen“ soll er das russische Militär mit Kriegswaffen versorgt haben. Jewtuschenkow hatte den russischen Konzern Sistema gegründet und stand ihm lange Jahre vor. Sistema wiederum ist in vielerlei Branchen involviert und hält Beteiligungen an Firmen in der Telekommunikation, Logistik, Energie, Landwirtschaft, Pharma, Einzelhandel und Hochtechnologie.

Sanktionen stoppen Putins Waffenschmuggler nicht – Sistema Gruppe befeuert Russlands Kriegswirtschaft

Sowohl auf Jewtuschenkow als auch auf AFK Sistema liegen bereits seit 2022 Sanktionen der USA und ihrer Verbündeten – denn es bestehen enge Bande zum russischen Verteidigungsministerium.

„Die heutigen Sanktionen konzentrieren sich auf Einzelpersonen und Organisationen, die den skrupellosen Krieg Russlands gegen die Ukraine unterstützen, indem sie Russland dringend benötigte Technologie und Ausrüstung aus Drittländern liefern“, hatte das US-Finanzministerium im November 2023 mitgeteilt, als die USA die Sistema Gruppe mit neuen Sanktionen belegt hatten. Das habe den Oligarchen jedoch keinesfalls gestoppt.

Dabei gibt der Westen sich durchaus Mühe: Mit mittlerweile 14 Sanktionspaketen hatten die USA und ihre Partner versucht, die wirtschaftlichen Möglichkeiten Russlands zu vermindern. Im Falle von AFK Sistema sollten die Sanktionen die Produktion von „Radar, Langstreckenraketensystemen und unbemannten Flugobjekten“ einschränken.

Den Experten der Denkfabrik zufolge hatte Jewtuschenkow viele Schlüsselkomponenten für solche Waffensysteme über Strohmann-Unternehmen eingekauft.

Putins Kriegswirtschaft: Das Netzwerk von AFK Sistema – „Unmöglich, ein Land durch Sanktionen zu entwaffnen“

Er habe Geschäftsverbindungen in Deutschland, Dänemark, der Schweiz und Irland benutzt, um „signifikanten“ Handel innerhalb Europas zu treiben und die Arbeit für das russische Verteidigungsministerium fortzusetzen. Die europäischen Autoritäten hätten das viel zu spät gemerkt, sie würden zu reaktiv handeln, wo proaktives Handeln geboten wäre. So schlagen die Experten beispielsweise vor, lieber auf den Handelsweg von spezifischen Gegenständen und Technologien zu zielen, anstatt nur die Firmen anzugreifen, die Putin mit Waffen beliefern.

„Es ist unmöglich, ein Land durch Sanktionen zu entwaffnen“, zitierte Newsweek dazu einen der Studienautoren. Stattdessen müsse der Westen darauf abzielen, die Produktion von Waffensystemen zu verlangsamen und konstant die Kosten für die Beschaffung von Komponenten zu erhöhen.

Waffenhandel von Europa nach Russland – welche Länder schmuggeln trotz Sanktionen mit?

Das ist allerdings keinesfalls das einzige Schlupfloch, das Russland nutzt, um an westliche Waffen zu gelangen. Ein anderes besteht bei kleineren Feuerwaffen. Ihre Ausfuhr von Europa nach Russland ist seit Oktober 2022 sanktioniert – trotzdem findet Wladimir Putin des Öfteren neue Mittel und Wege, um an europäische Qualitätsprodukte zu gelangen. Wie The Insider jüngst berichtete, sollen zum Beispiel mehr als 3.600 Pistolen des österreichischen Herstellers Glock über verschiedene Firmen transportiert worden sein. Auch Gewehre von Steyr Arms (Österreich) und Beretta-Pistolen (Italien) sollen schon in Russland aufgetaucht sein; und das trotz Sanktionen.

Einem Correctiv-Bericht zufolge ist dafür nicht zwangsläufig ein russischer Oligarch verantwortlich, sondern kooperationswillige Nachbarländer. Ein Beispiel dafür ist Kasachstan. Correctiv zufolge hatte das Land einen extremen Exportanstieg an Waffen zu verzeichnet, kaum dass der Westen seine Ausfuhr nach Russland beschränkt hatte. Die Schlussfolgerung: Anstatt, dass Europa an Russland liefert, kaufe Kasachstan von Europa und verkaufte dann selbst nach Russland.

Eine pauschale Aussage dazu sei jedoch nicht möglich; die Händler könnten die Handelswege selbst nicht immer nachvollziehen. Dass es aber Länder gibt, auf denen keine Sanktionen liegen und die kein Problem damit haben, legal im Westen gekaufte Pistolen und Gewehre über die russische Grenze zu bringen, scheint offensichtlich. Solange Russland einfach einen Mittelsmann zwischenschaltet, kann es weiter Handel mit dem Westen führen.

„Russland stellt nicht mehr moderne Kampfausrüstung her“ – Masse statt Klasse wegen Sanktionen?

Trotz aller Tricks, um an westliche Technologie für Drohnen oder Langstreckenraketen zu kommen, musste Russland seine Prioritäten in der Waffenherstellung anders setzen. „Russland stellt nicht mehr moderne Kampfausrüstung her“, zitierte die Washington Post etwa den russischen Wirtschaftswissenschaftler Nikolai Kulbaka. Statt moderner Waffen stelle Russland viel mehr „einfachere Arbeitsgeräte“ her, darunter etwa Gewehre und Granaten. „Massenwaffen für Massensoldaten“.

Dieser Umstand – und die Performance russischen Materials auf den Schlachtplätzen in der Ukraine – haben zuletzt dafür gesorgt, dass weniger Länder russische Waffen kaufen wollen. Die Rolle der Kreml-Nation auf dem Weltmarkt ist ins Wanken geraten. Wichtige Kunden wie China und Indien hatten sich laut der Frankfurter Allgemeine Zeitung bereits umorientiert. Die westlichen Sanktionen hatten in den Augen von Experten bereits Anfänge des wirtschaftlichen Verfalls in Russland ausgelöst.

Rubriklistenbild: © IMAGO / ITAR-TASS/Mikhail Metzel