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Arbeitgeber widersprechen IG-Metall-Forderungen vor Tarifrunde: 7 Prozent mehr Lohn „völlig unrealistisch“
VonChristoph Gschoßmann
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Deutschland befindet sich in einer wirtschaftlichen Misere. Dies ist eine belastende Voraussetzung für die Tarifverhandlungen. Arbeitgeber und Gewerkschaft sind weit voneinander entfernt.
Frankfurt – Im September beginnen die Tarifverhandlungen in der Metall- und Elektroindustrie, und beide Seiten stellen sich auf schwierige Gespräche ein. Die IG Metall ruft sieben Prozent mehr Lohn auf. Andt G. Kirchhoff nennt dies „völlig unrealistisch“ und „unerträglich hoch“. Kirchhoff, Präsident des Arbeitgeberverbands Metall NRW und Aufsichtsratsvorsitzender des Automobilzulieferers Kirchhoff, schrieb in einem Gastbeitrag in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung über die kommenden Verhandlungen in der „für viele Unternehmen äußerst bedrohlichen Lage“.
IG Metall: „Wird keine einfache Tarifrunde“
Auch die IG Metall Baden-Württemberg stellt sich auf eine harte Runde ein. „Die Überschrift lautet: Das wird keine einfache Tarifrunde“, sagte Bezirksleiterin Barbara Resch der Deutschen Presse-Agentur. Beide Seiten nennen die schwere Wirtschaftslage als Grund für die wohl diffizilen Verhandlungen.
„Die Probleme liegen auf der Hand. Wir erkennen diese und wollen sie auch bearbeiten“, sagte Resch. Nur bei den Lösungen lägen die Gewerkschaft und die Arbeitgeber weit auseinander. „Selbst, wenn wir die Tarifrunde ausfallen lassen würden – was wir natürlich nicht tun werden – verschwinden die Probleme ja nicht.“
Industriestandort Deutschland unter „massivem Druck“
Auch Kirchhoff sieht den Industriestandort Deutschland „unter massivem Druck. In unseren Kernbereichen verlieren wir weiter an Wettbewerbsfähigkeit. Mitten in diese strukturelle Abwärtsspirale hinein fallen seit Monaten immer neue bittere konjunkturelle Nachrichten aus der Metall- und Elektroindustrie. Produktion, Aufträge, Investitionen, Umsätze“. Bei allen Indikatoren zeige der Daumen „kontinuierlich nach unten.“ Dass auch die Gewerkschaft dies so sieht, weiß der Arbeitgeberchef: „Ich kann hier nur an die Vernunft der IG Metall appellieren, die die wirtschaftliche Lage nicht nur kennt, sondern sie in vielen Punkten auch ähnlich beurteilt wie wir.“
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Die Gewerkschaft sieht dies aber anders. Der Lohnanteil ist Resch zufolge durch hochautomatisierte Abläufe in der Industrie gar nicht so hoch, wie teils dargestellt. Vielmehr müsse man an den Rahmenbedingungen arbeiten. Als Beispiele nannte sie die Themen Bürokratieabbau, Fachkräftemangel und Energiekosten. „Wenn die Metall- und Elektroindustrie meint, die Wettbewerbsfähigkeit besser zu machen, indem man die Löhne reduziert, dann haben wir verloren. Es wird immer irgendwo auf der Welt eine Fabrik geben, die zu günstigeren Löhnen produziert“, äußerte Resch.
Kirchhoff fodert ein Umdenken in der Politik und in der Diskussion über Arbeit
Kirchhoff schreibt indes, dass er auch diese Argumentation der Gewerkschaft kennt und klagt an, dass Tarifvergütungen von rund 65.000 Euro im Schnitt und deutlich über 100.000 Euro in der Spitze Entgelte seien, „die im internationalen Wettbewerb kaum noch zu verdienen sind.“ Er nennt zwei Wege aus der Misere: Einerseits müsse die Politik „zügig nachhaltige Voraussetzungen für eine wettbewerbsfähige Industrieproduktion schaffen.“ Der Vertrauensverlust vieler Unternehmer in die Politik sei „gewaltig. Sie sind es leid, immer nur Ankündigungen zu hören, statt Umsetzungen zu erleben.“
Andererseits fordert er eine „ehrliche gesellschaftspolitische Debatte über die Bedeutung von Arbeit“. In anderen Ländern werde „ehrgeizig“ auf ein eigenes Wirtschaftswunder zugesteuert, während in Deutschland „über weitere Arbeitszeitverkürzungen fabuliert wird oder in unserer Industrie Forderungen nach immer neuen Freistellungsansprüchen gestellt werden.“
IG Metall will Azubis von mehr Lohn profitieren lassen
Die IG Metall indes argumentiert, sich auch wegen der Azubis für mehr Lohn einzusetzen. Die Ausbildungsvergütungen um 170 Euro je Ausbildungsjahr steigen. Darüber hinaus will die IG Metall unter anderem Verbesserungen bei der Auswahl zwischen Zeit und Geld erreichen. Der Tarifvertrag soll eine Laufzeit von 12 Monaten haben. „Unsere Beschäftigten sagen zu Recht, dass die Inflation zwar zurückgegangen, das aber noch nicht wirklich im Geldbeutel angekommen ist“, sagte Resch. Darüber hinaus könne man mit höheren Entgelten Kaufkraft und Nachfrage generieren, was die Wirtschaft ankurble.
Nicht nur Kirchhoff hält die Gewerkschaftsforderungen für überzogen. Verhandlungsführer Harald Marquardt hatte bereits im Vorfeld eine „Forderung über der Zahl Null“ als unangebracht kritisiert. Kirchhoff indes kritisiert speziell auch den Bonus für Gewerkschaftsmitglieder: „Mit dieser Sonderbehandlung von Teilen unserer Belegschaften würde die IG Metall nicht nur den Betriebsfrieden aufs Spiel setzen“, sagt er. Es sei auch ein „schlechtes Geschäftsmodell, wenn damit vielleicht hier und da ein neues Mitglied geworben werden könnte, an anderer Stelle aber durch eine überzogene Tarifpolitik viel mehr Beschäftigung verloren geht.“ Auch gefährde das Modell „die Tarifbindung auf unserer Seite, denn ein solcher Deal würde nicht wenige Arbeitgeber endgültig aus dem Flächentarif treiben.“ Das alles könne die Gewerkschaft nicht wirklich wollen. (cgsc mit dpa)