Wer seine Mitwirkungspflicht, dem drohen Kürzungen beim Bürgergeld. In der aktuellen Haushaltsdebatte fordert die FDP, Sanktionen für Arbeitsverweigerer zu schärfen. Doch unter welchen Bedingungen ist das möglich?
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Die Agentur für Arbeit in Essen. Die große Bürgergeld-Reform der Ampel ist quasi wieder abgeschafft.

FDP setzt sich durch

Von der Reform von SPD und Grüne bleibt kaum etwas übrig: Bürgergeld jetzt „härter als Hartz IV“

  • Amy Walker
    VonAmy Walker
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Nach der Einführung des Bürgergeldes durch die Ampel im Jahr 2023 sind viele der ursprünglichen Neuerungen und Reformen nun nicht mehr vorhanden. Das Gesetz hat nun fast wieder den Charakter von Hartz IV – oder ist sogar noch rigoroser.

Berlin – Anderthalb Jahre nach der Einführung des Bürgergeldes werden zahlreiche Reformen wieder zurückgedreht. Die große sozialpolitische Reform aus der Feder von SPD und Grünen sollte das alte Hartz IV ablösen und eine Ära des „Respekts“ einläuten. Neben einer Erhöhung der Regelsätze brachte die Reform ein höheres Schonvermögen, führte eine Karenzzeit ein, in der das Vermögen der Bürgergeld-Empfänger zunächst unberücksichtigt blieb, und änderte die Sanktionen grundlegend.

Bürgergeld-Sanktionen werden härter: „Keine soziale Hängematte“

Doch schon mit der Einführung des Bürgergeldes begann eine nicht enden wollende Diskussion: ob die Regelsätze zu hoch sein und damit sich Arbeit nicht mehr lohne; ob sogenannte „Totalverweigerer“ es sich jetzt in der „sozialen Hängematte“ gut gehen lassen könnten; ob das Bürgergeld zu mehr Schwarzarbeit führe. Nach und nach sah sich die Ampel-Koalition dazu gedrängt, die Bürgergeld-Reformen wieder abzuschaffen. Nach der Haushaltseinigung für 2025 wird nun klar: Das Bürgergeld ist künftig eigentlich ziemlich ähnlich wie Hartz IV.

Das sagte am Wochenende auch der FDP-Fraktionschef Christian Dürr den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Das neue Bürgergeld wird teilweise härter und vor allem treffsicherer sein als Hartz IV - mit wirksamen Sanktionen, die nicht zu absurder Bürokratie führen“, sagte er. „Das Bürgergeld ist keine soziale Hängematte, sondern soll zur Arbeit motivieren.“

Verdi-Chef Frank Werneke wertete die geplanten Änderungen ebenfalls als Rückfall in alte Hartz-IV-Zeiten – aber mit kritischer Perspektive. „Wir sind zurück bei Hartz IV“, sagte er der Augsburger Allgemeinen. „Damit ist die von der Ampel zunächst vorgenommene Bürgergeld-Reform Geschichte.“ Diese war ein Projekt vor allem von SPD und Grünen gewesen. Mit der Reduzierung des Schonvermögens und der Ausweitung der zumutbaren Pendelzeiten wolle die Bundesregierung Menschen unter Druck setzen, schlechte Arbeitsbedingungen zu akzeptieren, erklärte Werneke. Dies wirke sich negativ auf jeden aus, der seinen Job verliere.

Bürgergeld-Änderungen: Das hat die Ampel wieder angepasst

Das sind die neusten Reformen, die die Bundesregierung für das Bürgergeld auf den Weg bringen will:

  1. Verschärfung der Sanktionen: Wer seine Mitwirkungspflichten verweigert, muss direkt mit einer Leistungskürzung von 30 Prozent rechnen (keine Staffelung der Sanktionen mehr)
  2. Bürgergeld-Empfänger sollen bis zu drei Stunden Pendelzeit pro Strecke für einen Job akzeptieren
  3. Die Karenzzeit für Vermögen wird von einem Jahr auf sechs Monate verkürzt. Heißt: Das Ersparte wird bereits nach sechs Monaten herangezogen, um den Lebensunterhalt (mit-) zu finanzieren.

Weitere Elemente des Bürgergelds wurden schon vor einigen Monaten außer Kraft gesetzt, wie der Bürgergeld-Bonus in Höhe von 75 Euro, der Menschen ausgezahlt wurde, die eine Maßnahme besuchten, die ihre Jobchancen verbessert hätte. Dieser Bonus ist allerdings den Sparmaßnahmen nach der Haushaltskrise 2024 zum Opfer gefallen.

Damit ist das Bürgergeld heute nicht wesentlich anders als zuvor Hartz IV. Das wird sowohl beim Institut für Arbeitsmarktforschung als auch in den Jobcentern mit Frust wahrgenommen. „Es wäre schön gewesen, wenn man das Gesetz hätte erstmal wirken lassen“, sagt ein Mitarbeiter eines Jobcenters, der anonym bleiben will, zu IPPEN.MEDIA. „Wir kommen gar nicht zur Ruhe“, so sein Fazit. Seitdem das Bürgergeld 2023 eingeführt wurde, habe man nur daran geschraubt – keine der Maßnahmen und deren Effektivität habe man wirklich in der Praxis langfristig prüfen können, bevor sie wieder geändert oder abgeschafft wurden. (mit Material von dpa)